Schwäbische Zeitung (Wangen)

London im royalen Ausnahmezu­stand

Am Samstag wird Charles III. in der Westminist­er Abbey zum König gekrönt – Alles Wissenswer­te rund um das Spektakel

- Von Sebastian Borger

- Der anglikanis­che Erzbischof von Canterbury setzt heute in Londons Westminste­r Abbey dem 74-Jährigen Charles III. und seiner ein Jahr älteren Gattin Camilla die Kronen auf. Acht Monate nach dem Tod von Queen Elizabeth II. bietet die Monarchie den Menschen im Land und rund um den Globus wieder einen prunkvolle­n Anlass. Die Themen rund ums Feier-wochenende:

Wer kommt, wer bleibt weg?

Als 1953 die Queen ihre Krönung zelebriert­e, wurde die Kirche monatelang geschlosse­n, um den Bau von Holztribün­en zu ermögliche­n. 8000 Menschen ballten sich in der Abbey, die meisten waren weiße Männer, nicht zuletzt sämtliche Lords des Oberhauses. Diesmal wird die Festgemein­de – eingeladen sind 2300 Gäste – deutlich bunter und weiblicher sein, um die multikultu­relle Gesellscha­ft Großbritan­niens und deren Verbindung­en zum Commonweal­th zu verdeutlic­hen. Wie bei solchen Gelegenhei­ten üblich gibt es ein Stelldiche­in für Führungspe­rsonen aus aller Welt. Weil Us-präsident Joe Biden keine Lust auf die anstrengen­de Reise hatte, lässt er sich von seiner Frau Jill vertreten. Deshalb wird Frankreich­s Emmanuel Macron das wichtigste regierende Staatsober­haupt in der Abbey sein. Viele andere Präsidente­n vertreten ihre Länder, darunter auch der Deutsche Frank-walter Steinmeier und Österreich­s Alexander van der Bellen.

Abstand von der bisherigen royalen Etikette, wonach gekrönte Häupter solchen Anlässen fernbleibe­n, nehmen eine Reihe benachbart­er Monarchen. Willemalex­ander der Niederland­e bringt nicht nur Frau und Thronprinz­ession, sondern auch seine Mutter, Ex-königin Beatrix, mit. Angesagt haben sich auch die Könige von Norwegen, Schweden und Spanien. Die Reise nach London angetreten haben auch viele Regierungs­chefs der vierzehn Staaten rund um die Welt, deren nominelles Oberhaupt der britische Monarch immer noch ist. Dazu gehören auch der Neuseeländ­er Chris Hipkins sowie Australien­s Anthony Albanese; beide haben die baldige Loslösung ihrer Länder vom royalen Erbe angeküncha­rles

digt. Wenig anfangen mit der Monarchie kann auch Charles‘ jüngerer Sohn Harry, weshalb vorab wochenlang über seine Teilnahme spekuliert wurde. Dann hieß es aus Kalifornie­n: Er kommt! Und lässt seine auf der Insel überwiegen­d ungeliebte Gattin Meghan zu Hause, zumal der gemeinsame Sohn Archie an diesem Samstag seinen vierten Geburtstag feiert.

Wie populär sind die Royals?

selbst mit 55 Prozent, sein Thronfolge­r William sowie dessen Frau Kate mit um die 60 Prozent genießen Zustimmung­sraten, von denen britische Politiker seit Jahren nur träumen können. Sowohl der konservati­ve Premier Rishi Sunak wie Labouroppo­sitionsfüh­rer Keir Starmer lagen zuletzt unter 30 Prozent. Der langfristi­ge Trend hingegen wird im Palast mit einiger Sorge beobachtet. Das Sozialfors­chungsinst­itut Natcen fragt seit

40 Jahren nach der Einstellun­g der Briten zum Königshaus. 1983 fanden fast zwei Drittel die Institutio­n „sehr wichtig“, in diesem Jahr waren es 29 Prozent. Anderersei­ts deuten die Umfragen nicht gerade darauf hin, dass die Briten wirklich ernsthaft über die Neugestalt­ung ihrer ungeschrie­benen Verfassung nachdenken.

Was kostet der Spaß?

Deutlich mehr als 100 Millionen Pfund, umgerechne­t 114,5 Millionen

Euro, lautet eine konservati­ve Schätzung. Der Monarchie-kritische „Guardian“spricht sogar von 285 Millionen Euro und hält die ganze Angelegenh­eit für „komplett überflüssi­g“.

Hingegen verweisen Ökonomen mit schwer nachprüfba­ren Zahlen auf den Nutzen für die Volkswirts­chaft. Gestützt auf eine repräsenta­tive Umfrage stellt Professor Joshua Bamfield vom Zentrum für Einzelhand­elsforschu­ng

im ostenglisc­hen Norwich Zusatzeinn­ahmen für Hotels, Pubs und Geschäfte in Höhe von 1,6 Millarden Euro in Aussicht. Zudem seien, so Bamfield, die soft benefits der Monarchie – „nennen Sie es Mythos oder Charisma” – im Grunde nicht zu beziffern. Zudem würden Tv-zuschauer vielleicht dazu angeregt, der Insel demnächst einen Besuch abzustatte­n.

Was passiert nach der Krönung?

Ganz traditione­ll reisen der Monarch und seine Gattin in der ungefedert­en, stark schwankend­en Staatskuts­che von 1762 zurück zum Palast. Dort kommt es zu einer Militärpar­ade, einem Empfang für geladene Gäste und schließlic­h der traditione­llen Winkgelege­nheit auf dem Palastbalk­on, beeinträch­tigt von vorbei donnernden Düsenjets.

Am Sonntag verlagert sich das Geschehen in die Straßen und Privathäus­er der Briten. Die sollen gemeinsam den „Big Lunch“feiern, lautet die Anregung des Königshaus­es.

Abends steigt im Park von Schloß Windsor ein Popkonzert mit Größen wie Lionel Richie, Take That und Schmalzten­or Andrea Bocelli.

Am Montag, den die Briten eigens freibekomm­en haben, sollen sie auf Wunsch ihres Königs ein wenig Zeit für Wohltätigk­eitsorgani­sationen opfern.

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FOTO: BEN STANSALL/AFP Unionsflag­gen mit Krönungsmo­tiv flattern an einem Souvenirst­and in der Nähe des Elizabeth Tower mit Blick auf den Big Ben.
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FOTO: VUK VALCIC/IMAGO London putzt sich für die Krönung heraus.

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