Bei einem heimatverbundenen Überzeugungstäter zu Gast
Es ist schon ein kleines Kunststück, sich mit seinem Restaurant in einem Gebäude einzurichten, das auch noch Tennishalle, Fitnessclub und Kletterhalle beherbergt. In solchen Zweckbauten Atmosphäre entstehen zu lassen, ist alles andere als einfach. Doch wer die Treppen in den ersten Stock hinter sich gelassen und die Glastüren geöffnet hat, wird sofort umschlossen von einer sinnlichen Stimmung. Die unübersehbaren Elemente eines Gewerbebaus werden kombiniert mit Holz und dunklen Tönen.
Keine Frage: Küchenchef Simon Kaiser und Ehefrau Sarah machen auf den Flächen des Restaurants ihr ganz eigenes Ding – und zwar schon seit 2013. In der Küche freilich auch. Kaiser als weitgereister Könner mit reichlich Erfahrung aus besternten Häusern ergänzt seine ambitionierte Feinschmeckerküche mit einer kleinen Karte mit Heimatgerichten.
Zwei große Menüs – wahlweise mit drei bis fünf Gängen – sind Kaisers kulinarisches Feld. Auf diesem spielt er auch f leischlos, schlägt so manchen Haken zwischen Asien und Mittelmeer und landet damit regelmäßig Treffer am Gaumen. So auch mit einem wilden Teller mit Blumenkohl, geeister Blumenkohl-mousse, Buchenpilzen und einer cremigen Bärlauchsuppe. Das ist nichts weniger als ein tolles Abenteuer auf der Zunge, weil die verschiedenen Texturen und Temperaturen den Blumenkohl in aromatischen Perspektiven variieren. Schön auch, dass die samtige Suppe die Zartheit des Bärlauchs erhält, sodass sie eben nicht derb nach Knoblauch schmeckt.
Als bodenständiger Kontrast kommt zwischendrin ein Maultaschenduo auf den Tisch. Einmal mit Grünkohl – schön kräuterkräftig abgewürzt – und einmal mit Ziege. Letztere kommt geschmacklich eher leise an. Toll dazu die zweierlei Zwiebeln, abgerundet mit ehrlicher Bratensoße.
Aber zurück zur f iligranen Tellerkunst. Da überzeugt ein an Vitello tonnato angelehntes Gericht: zarte Tranchen vom Maselheimer Gockel in Kombination mit einer Forellencreme. Wie eine Urgewalt wirft sich schwarzer Rettich zwischen die Komponenten und zeichnet einen herben Anstrich, grundiert von einem erdigen Räuchersud.
Fast ein bisschen konventionell ist da der Rücken vom schwäbisch-hällischen Landschwein, dessen Fleisch etwas saftiger hätte sein sollen. Grandios dagegen das gezupfte Haxenf leisch im Knuspermantel sowie ein wirklich ausgezeichnetes Karottencury mit Joghurt. Dieser vegane
Einschub ist der heimliche Star des Hauptgangs, weil er die Möhren fast zum Schmelzen bringt und mit würziger Tiefe aus Koriander und Zitronengras jeden Gedanken an Fleisch überf lüssig macht. So zeigt Kaiser, wie breit sein Spektrum zwischen den Küchen der Welt gefächert ist, während er zugleich heimatverbunden bleibt.