Chlorgas tritt in Klinikum aus
Großeinsatz in Sonthofen – 29 Mitarbeiter müssen wegen gereizter Atemwege behandelt werden
- Weil bei Wartungsarbeiten Chlorgas ausgetreten war, mussten am Donnerstag 33 Patienten der Sonthofener Klinik verlegt werden. Ein kompletter Gebäudeteil wurde aus Sicherheitsgründen geräumt. Insgesamt 29 Mitarbeiter des Krankenhauses mussten wegen gereizter Atemwege behandelt werden, sieben von ihnen wurden zur Überwachung in umliegende Kliniken gebracht. Sie hatten das giftige Gas eingeatmet. Am Nachmittag konnte das Oberallgäuer Landratsamt nach Messungen Entwarnung und den betroffenen Kliniktrakt wieder frei geben.
170 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst, Technischem Hilfswerk (THW) und Polizei waren ausgerückt, als um kurz vor 8 Uhr ein Gasaustritt in der Klinik gemeldet wurde. Zwei Haustechniker waren mit Wartungsarbeiten an der Chlorierungsanlage des Therapiebeckens im Keller beschäftigt, als das Chlorgas entwich. „Es ist wie eine Wolke durch das Gebäude gezogen“, erläuterte Einsatzleiter Markus Adler, Kommandant der Feuerwehr Sonthofen, später bei einer Pressekonferenz. Mit schwerem Atemschutzgerät betraten die Einsatzkräfte den Keller, wo der Arbeitsunfall passiert war, und nahmen Messungen vor. „Die Gaskonzentration lag zu keinem Zeitpunkt über den Grenzwerten“, sagte Adler. Die Feuerwehr begann, das Gebäude zu lüften.
Doch als im Laufe des Vormittags immer mehr Mitarbeiter über Atemwegsbeschwerden klagten, beschloss die Einsatzleitung, den betroffenen Gebäudeteil komplett zu räumen. Dort sind im Erdgeschoss der Verwaltungstrakt und im Obergeschoss zwei Pflegestationen der Geriatrischen Klinik untergebracht. Insgesamt 33 Patienten wurden vom Neu- in den Altbau verlegt. „Zu keinem Zeitpunkt gab es Überlegungen, die gesamte Klinik zu evakuieren“, betont Feuerwehr-kommandant Adler. Die „Geriatrie-kliniken Sonthofen“sind ein Reha- und Akutzentrum für die Altersmedizin. Die Akut-klinik verfügt über 35 Planbetten und behandelt pro Jahr etwa 1.600 Patienten. Die Reha-klinik mit ihren zusätzlichen 98 Betten ist Anlaufstelle für weitere 1.200 Patienten pro Jahr.
Die meisten Patienten, die mit dem Gas in Berührung gekommen waren, hätten jedoch nur „milde Symptome“gezeigt, sagte Notärztin
Dr. Natalie Hölzl. Sieben Klinikmitarbeiter seien dennoch zur Überwachung ins Krankenhaus gebracht worden. „Wir gehen aber davon aus, dass die Patienten noch am Donnerstag nach Hause gehen können“, sagte Hölzl. Chlorgas ist ein aggressives, gefährliches Atemgift. Es wirkt auf der Haut, in den Augen und in den Atemwegen reizend bis ätzend. Unfälle mit Chlorgas gibt es häufiger in Schwimmbädern, da Chlor dort zur Desinfektion des Wassers eingesetzt wird. „Das Gas kann zu erheblichen Lungenproblemen führen“, sagte Hölzl. Da jedoch die Wirkung im Regelfall drei bis fünf Stunden nach dem Kontakt mit dem Gas eintritt, konnte die Notärztin am Donnerstagmittag vorsichtige Entwarnung geben: „Wir gehen derzeit nicht davon aus, dass noch weitere Erkrankte hinzukommen.“ Christian Bader, Organisatorischer Leiter des Sanitäts-einsatzes, betonte, dass kein Patient der Klinik bei dem Gasaustritt zu Schaden gekommen sei. Für die Betroffenen standen sechs Rettungswagen und ein Hubschrauber bereit.
Am Nachmittag konnte das Landratsamt Entwarnung geben. Nach umfangreichen Messungen durch den Technischen Umweltschutz und stundenlangem Lüften wurde die Klinik Sonthofen wieder freigegeben, teilte die Oberallgäuer Kreisbehörde mit. Der Großeinsatz war um 14.30 Uhr beendet. Die Patienten konnten darauf hin mit Unterstützung des Rettungsdienstes in den zuvor geräumten Gebäudetrakt zurückverlegt werden. „Es bestand zu keiner Zeit eine Gefährdung für die Nachbarschaft oder die Umwelt“, sagte Ralph Eichbauer vom Oberallgäuer Landratsamt. Er dankte ausdrücklich allen beteiligten Einsatzkräften: „Es ist beeindruckend, wie schnell eine so große Zahl an Rettungskräften vor Ort war.“Auch während des Einsatzes habe sich gezeigt, dass sich die vielen Übungen auszahlen. Alle Beteiligten hätten besonnen agiert. Die Polizei ermittelt nun wegen fahrlässiger Körperverletzung. „Die Staatsanwaltschaft prüft einen Anfangsverdacht“, erläuterte Polizeisprecher Jürgen Krautwald: „Der Gegenstand der Ermittlungen sind die Wartungsarbeiten.“Einen technischen Defekt habe es nicht gegeben, der Unfall sei wohl die Folge von „menschlichem Handeln“gewesen, so Krautwald, Er sagte aber auch: „Es wollte niemand, dass jemand zu Schaden kommt.“