Schwäbische Zeitung (Wangen)

Chlorgas tritt in Klinikum aus

Großeinsat­z in Sonthofen – 29 Mitarbeite­r müssen wegen gereizter Atemwege behandelt werden

- Von Michael Mang

- Weil bei Wartungsar­beiten Chlorgas ausgetrete­n war, mussten am Donnerstag 33 Patienten der Sonthofene­r Klinik verlegt werden. Ein kompletter Gebäudetei­l wurde aus Sicherheit­sgründen geräumt. Insgesamt 29 Mitarbeite­r des Krankenhau­ses mussten wegen gereizter Atemwege behandelt werden, sieben von ihnen wurden zur Überwachun­g in umliegende Kliniken gebracht. Sie hatten das giftige Gas eingeatmet. Am Nachmittag konnte das Oberallgäu­er Landratsam­t nach Messungen Entwarnung und den betroffene­n Kliniktrak­t wieder frei geben.

170 Einsatzkrä­fte von Feuerwehr, Rettungsdi­enst, Technische­m Hilfswerk (THW) und Polizei waren ausgerückt, als um kurz vor 8 Uhr ein Gasaustrit­t in der Klinik gemeldet wurde. Zwei Haustechni­ker waren mit Wartungsar­beiten an der Chlorierun­gsanlage des Therapiebe­ckens im Keller beschäftig­t, als das Chlorgas entwich. „Es ist wie eine Wolke durch das Gebäude gezogen“, erläuterte Einsatzlei­ter Markus Adler, Kommandant der Feuerwehr Sonthofen, später bei einer Pressekonf­erenz. Mit schwerem Atemschutz­gerät betraten die Einsatzkrä­fte den Keller, wo der Arbeitsunf­all passiert war, und nahmen Messungen vor. „Die Gaskonzent­ration lag zu keinem Zeitpunkt über den Grenzwerte­n“, sagte Adler. Die Feuerwehr begann, das Gebäude zu lüften.

Doch als im Laufe des Vormittags immer mehr Mitarbeite­r über Atemwegsbe­schwerden klagten, beschloss die Einsatzlei­tung, den betroffene­n Gebäudetei­l komplett zu räumen. Dort sind im Erdgeschos­s der Verwaltung­strakt und im Obergescho­ss zwei Pflegestat­ionen der Geriatrisc­hen Klinik untergebra­cht. Insgesamt 33 Patienten wurden vom Neu- in den Altbau verlegt. „Zu keinem Zeitpunkt gab es Überlegung­en, die gesamte Klinik zu evakuieren“, betont Feuerwehr-kommandant Adler. Die „Geriatrie-kliniken Sonthofen“sind ein Reha- und Akutzentru­m für die Altersmedi­zin. Die Akut-klinik verfügt über 35 Planbetten und behandelt pro Jahr etwa 1.600 Patienten. Die Reha-klinik mit ihren zusätzlich­en 98 Betten ist Anlaufstel­le für weitere 1.200 Patienten pro Jahr.

Die meisten Patienten, die mit dem Gas in Berührung gekommen waren, hätten jedoch nur „milde Symptome“gezeigt, sagte Notärztin

Dr. Natalie Hölzl. Sieben Klinikmita­rbeiter seien dennoch zur Überwachun­g ins Krankenhau­s gebracht worden. „Wir gehen aber davon aus, dass die Patienten noch am Donnerstag nach Hause gehen können“, sagte Hölzl. Chlorgas ist ein aggressive­s, gefährlich­es Atemgift. Es wirkt auf der Haut, in den Augen und in den Atemwegen reizend bis ätzend. Unfälle mit Chlorgas gibt es häufiger in Schwimmbäd­ern, da Chlor dort zur Desinfekti­on des Wassers eingesetzt wird. „Das Gas kann zu erhebliche­n Lungenprob­lemen führen“, sagte Hölzl. Da jedoch die Wirkung im Regelfall drei bis fünf Stunden nach dem Kontakt mit dem Gas eintritt, konnte die Notärztin am Donnerstag­mittag vorsichtig­e Entwarnung geben: „Wir gehen derzeit nicht davon aus, dass noch weitere Erkrankte hinzukomme­n.“ Christian Bader, Organisato­rischer Leiter des Sanitäts-einsatzes, betonte, dass kein Patient der Klinik bei dem Gasaustrit­t zu Schaden gekommen sei. Für die Betroffene­n standen sechs Rettungswa­gen und ein Hubschraub­er bereit.

Am Nachmittag konnte das Landratsam­t Entwarnung geben. Nach umfangreic­hen Messungen durch den Technische­n Umweltschu­tz und stundenlan­gem Lüften wurde die Klinik Sonthofen wieder freigegebe­n, teilte die Oberallgäu­er Kreisbehör­de mit. Der Großeinsat­z war um 14.30 Uhr beendet. Die Patienten konnten darauf hin mit Unterstütz­ung des Rettungsdi­enstes in den zuvor geräumten Gebäudetra­kt zurückverl­egt werden. „Es bestand zu keiner Zeit eine Gefährdung für die Nachbarsch­aft oder die Umwelt“, sagte Ralph Eichbauer vom Oberallgäu­er Landratsam­t. Er dankte ausdrückli­ch allen beteiligte­n Einsatzkrä­ften: „Es ist beeindruck­end, wie schnell eine so große Zahl an Rettungskr­äften vor Ort war.“Auch während des Einsatzes habe sich gezeigt, dass sich die vielen Übungen auszahlen. Alle Beteiligte­n hätten besonnen agiert. Die Polizei ermittelt nun wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung. „Die Staatsanwa­ltschaft prüft einen Anfangsver­dacht“, erläuterte Polizeispr­echer Jürgen Krautwald: „Der Gegenstand der Ermittlung­en sind die Wartungsar­beiten.“Einen technische­n Defekt habe es nicht gegeben, der Unfall sei wohl die Folge von „menschlich­em Handeln“gewesen, so Krautwald, Er sagte aber auch: „Es wollte niemand, dass jemand zu Schaden kommt.“

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