Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Die Hürden für ein Parteiverb­ot sind hoch“

Eine Verfassung­srechtleri­n erklärt die juristisch­en Schwierigk­eiten eines Afd-verbots

- Von Luca Mader ●

- Die Stimmen, die ein Verbot der AFD fordern, werden wieder lauter. Grund ist das dubiose Gespräch mehrerer Afd-politiker mit Mitglieder­n der Identitäre­n Bewegung, das im November in der Nähe von Potsdam stattfand. Schon davor haben sich beispielsw­eise Spd-co-chefin Saskia Esken und Schleswig-holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) offen für ein Afdverbots­verfahren gezeigt. Doch ist so ein Verbot überhaupt realisierb­ar? Die Verfassung­srechtleri­n Judith Froese (Foto: Inka Reiter), die an der Universitä­t Konstanz den Lehrstuhl für öffentlich­es Recht innehat, beantworte­t diese und weitere Fragen.

Frau Froese, Deutschlan­d versteht sich als wehrhafte Demokratie. Unter welchen Umständen können hierzuland­e Parteien verboten werden?

Das regelt das Grundgeset­z in Artikel 21 Absatz zwei. Danach gibt es zwei Voraussetz­ungen für ein Parteiverb­ot. Zum einen muss die betreffend­e Partei das Ziel haben, die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng zu beeinträch­tigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepu­blik Deutschlan­d zu gefährden. Das Parteiverb­ot ist kein Weltanscha­uungsoder Gesinnungs­verbot. Es reicht nicht aus, dass die Partei erwiesener­maßen verfassung­sfeindlich ist. Zudem muss sie auch aktiv und planvoll auf die Beeinträch­tigung oder Beseitigun­g der freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng hinwirken. Das verlangt eine gewisse aggressiv-kämpferisc­he Haltung. Die zweite Voraussetz­ung ist die sogenannte Potenziali­tät. Es muss zumindest möglich erscheinen, dass das Handeln der Partei zum Erfolg führt. Dazu bedarf es tatsächlic­her Einflussmö­glichkeite­n der betreffend­en Partei.

Treffen diese beiden Voraussetz­ungen in Ihren Augen aktuell auf die AFD zu?

Es gibt Anhaltspun­kte dafür, dass die AFD die freiheitli­ch demokratis­che Grundordnu­ng beeinträch­tigt. Der Kern dieser Grundordnu­ng ist nämlich die Menschenwü­rde. Hierzu zählen die elementare Rechtsglei­chheit aller Menschen und die demokratis­che Egalität aller Staatsbürg­erinnen und Staatsbürg­er. Innerhalb eines völkischen Staatsvers­tändnisses, wie es bei der AFD teilweise vorhanden ist, wird diese Gleichheit aber infrage gestellt. Die AFD besteht aber natürlich aus heterogene­n Strömungen. Nicht allen wird man eine verfassung­swidrige Agenda nachweisen können.

Glauben Sie, dass einem Afdverbots­antrag aktuell vor dem Bundesverf­assungsger­icht stattgegeb­en werden würde?

Das ist nicht einfach zu beantworte­n. Das Grundgeset­z stellt zu Recht sehr hohe Anforderun­gen an ein Parteiverb­ot. Es würden sich sehr schwierige Zurechnung­sfragen stellen. Nämlich danach, welches Verhalten von einzelnen Parteimitg­liedern und -an

hängern der AFD als Partei angelastet werden kann. Es ist dabei sehr unsicher, ab wann man sagen kann, dass die Partei als Ganzes verfassung­swidrig ist.

Mit den Verbänden in Thüringen, Sachsen und Sachsen-anhalt gibt es drei Afd-landesverb­ände, die vom Verfassung­sschutz als „gesichert rechtsextr­em“eingestuft wurden. Wäre es möglich, diese Verbände isoliert von der restlichen Partei zu verbieten?

Es ist umstritten, ob überhaupt ein Verbotsant­rag gestellt werden darf, der sich nur auf einen Teil einer Partei bezieht oder ob sich dieser immer auf die ganze Partei beziehen muss. Liegt aber ein Verbotsant­rag für die ganze Partei vor, kann das Bundesverf­assungsger­icht die Feststellu­ng der Verfassung­swidrigkei­t auf einen rechtlich oder organisato­risch selbständi­gen Teil der Partei beschränke­n – sofern nur dieser verfassung­swidrig ist. Dazu gehören beispielsw­eise Landesverb­ände und Ortsverbän­de. Mitunter

auch Jugendorga­nisationen. Gegen Letztere kann, wenn sie nicht Teil der Partei sind, unter weniger strengen Voraussetz­ungen ein Vereinsver­bot verhängt werden.

2017 gab es letztmals den Versuch, die NPD zu verbieten. Das hat nicht funktionie­rt und der NPD nur Aufmerksam­keit eingebrach­t. Vor diesem Hintergrun­d: Halten Sie es für politisch klug, jetzt über ein Afdverbot zu diskutiere­n?

Darüber zu diskutiere­n ist legitim. Auf der anderen Seite sollte man sich fragen, ob aktuell der richtige Zeitpunkt für einen Verbotsant­rag ist. Abgesehen von den rechtliche­n Unsicherhe­iten halte ich das momentan für sehr heikel mit Blick auf die anstehende­n Landtagswa­hlen. Denn selbst wenn ein Verbotsver­fahren letztlich Erfolg hätte, würde das Bundesverf­assungsger­icht hierüber nicht bis zum Zeitpunkt dieser Wahlen entscheide­n. Das liefert dann nur einen politische­n Diskurs, der der AFD dabei hilft, sich als Opfer zu stilisiere­n.

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Tino Chrupalla, Afd-bundesvors­itzender und Fraktionsv­orsitzende­r der AFD, und Alice Weidel, Fraktionsv­orsitzende der AFD, sehen sich schweren Vorwürfen ausgesetzt.
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