„Die Hürden für ein Parteiverbot sind hoch“
Eine Verfassungsrechtlerin erklärt die juristischen Schwierigkeiten eines Afd-verbots
- Die Stimmen, die ein Verbot der AFD fordern, werden wieder lauter. Grund ist das dubiose Gespräch mehrerer Afd-politiker mit Mitgliedern der Identitären Bewegung, das im November in der Nähe von Potsdam stattfand. Schon davor haben sich beispielsweise Spd-co-chefin Saskia Esken und Schleswig-holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) offen für ein Afdverbotsverfahren gezeigt. Doch ist so ein Verbot überhaupt realisierbar? Die Verfassungsrechtlerin Judith Froese (Foto: Inka Reiter), die an der Universität Konstanz den Lehrstuhl für öffentliches Recht innehat, beantwortet diese und weitere Fragen.
Frau Froese, Deutschland versteht sich als wehrhafte Demokratie. Unter welchen Umständen können hierzulande Parteien verboten werden?
Das regelt das Grundgesetz in Artikel 21 Absatz zwei. Danach gibt es zwei Voraussetzungen für ein Parteiverbot. Zum einen muss die betreffende Partei das Ziel haben, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Das Parteiverbot ist kein Weltanschauungsoder Gesinnungsverbot. Es reicht nicht aus, dass die Partei erwiesenermaßen verfassungsfeindlich ist. Zudem muss sie auch aktiv und planvoll auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinwirken. Das verlangt eine gewisse aggressiv-kämpferische Haltung. Die zweite Voraussetzung ist die sogenannte Potenzialität. Es muss zumindest möglich erscheinen, dass das Handeln der Partei zum Erfolg führt. Dazu bedarf es tatsächlicher Einflussmöglichkeiten der betreffenden Partei.
Treffen diese beiden Voraussetzungen in Ihren Augen aktuell auf die AFD zu?
Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die AFD die freiheitlich demokratische Grundordnung beeinträchtigt. Der Kern dieser Grundordnung ist nämlich die Menschenwürde. Hierzu zählen die elementare Rechtsgleichheit aller Menschen und die demokratische Egalität aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Innerhalb eines völkischen Staatsverständnisses, wie es bei der AFD teilweise vorhanden ist, wird diese Gleichheit aber infrage gestellt. Die AFD besteht aber natürlich aus heterogenen Strömungen. Nicht allen wird man eine verfassungswidrige Agenda nachweisen können.
Glauben Sie, dass einem Afdverbotsantrag aktuell vor dem Bundesverfassungsgericht stattgegeben werden würde?
Das ist nicht einfach zu beantworten. Das Grundgesetz stellt zu Recht sehr hohe Anforderungen an ein Parteiverbot. Es würden sich sehr schwierige Zurechnungsfragen stellen. Nämlich danach, welches Verhalten von einzelnen Parteimitgliedern und -an
hängern der AFD als Partei angelastet werden kann. Es ist dabei sehr unsicher, ab wann man sagen kann, dass die Partei als Ganzes verfassungswidrig ist.
Mit den Verbänden in Thüringen, Sachsen und Sachsen-anhalt gibt es drei Afd-landesverbände, die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“eingestuft wurden. Wäre es möglich, diese Verbände isoliert von der restlichen Partei zu verbieten?
Es ist umstritten, ob überhaupt ein Verbotsantrag gestellt werden darf, der sich nur auf einen Teil einer Partei bezieht oder ob sich dieser immer auf die ganze Partei beziehen muss. Liegt aber ein Verbotsantrag für die ganze Partei vor, kann das Bundesverfassungsgericht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit auf einen rechtlich oder organisatorisch selbständigen Teil der Partei beschränken – sofern nur dieser verfassungswidrig ist. Dazu gehören beispielsweise Landesverbände und Ortsverbände. Mitunter
auch Jugendorganisationen. Gegen Letztere kann, wenn sie nicht Teil der Partei sind, unter weniger strengen Voraussetzungen ein Vereinsverbot verhängt werden.
2017 gab es letztmals den Versuch, die NPD zu verbieten. Das hat nicht funktioniert und der NPD nur Aufmerksamkeit eingebracht. Vor diesem Hintergrund: Halten Sie es für politisch klug, jetzt über ein Afdverbot zu diskutieren?
Darüber zu diskutieren ist legitim. Auf der anderen Seite sollte man sich fragen, ob aktuell der richtige Zeitpunkt für einen Verbotsantrag ist. Abgesehen von den rechtlichen Unsicherheiten halte ich das momentan für sehr heikel mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen. Denn selbst wenn ein Verbotsverfahren letztlich Erfolg hätte, würde das Bundesverfassungsgericht hierüber nicht bis zum Zeitpunkt dieser Wahlen entscheiden. Das liefert dann nur einen politischen Diskurs, der der AFD dabei hilft, sich als Opfer zu stilisieren.