Vor dem Baurecht steht viel Bürokratie
Ein Grundstück in Maria-thann soll künftig bebaubar sein – Dazu gibt es verschiedene Rechtsauffassungen
- In der Bebauung der Hochgratstraße in Maria-thann klafft eine Lücke. Sie war im Bebauungsplan aus dem Jahr 2003 ausdrücklich vorgesehen. Jetzt möchte sie ein Bauinteressent schließen. Deshalb beschäftigt sich der Gemeinderat Hergatz seit elf Monaten mit dem Thema – und mit ihm eine ganze Anzahl von Behörden. Die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Lindau forderte jetzt einen ökologischen Ausgleich – was der Gemeinderat auf Empfehlung des beauftragten Planungsbüros aber verwarf.
Bebauung und Spielplatz rechts, Bebauung links: Der Lückenschluss in der Hochgratstraße erscheint auf den ersten Blick sinnvoll. So haben es die Mitglieder des Gemeinderates gesehen und im Februar 2023 deshalb die Änderung des Bebauungsplanes „Maria-thann Süd“auf den Weg gebracht. Konkret betrifft sie eine 660 Quadratmeter große Fläche. Die Festsetzungen hinsichtlich Höhe und Dachform sollen sich an der bestehenden Bebauung orientieren. Armin Woll erinnerte sich bei einer zweiten Diskussion im August 2023 daran, dass der Grundstückseigentümer 20 Jahre zuvor darauf drängte, die Fläche aus dem Bebauungsplan zu nehmen. Nun soll sie mit hinein. Letztlich stimmte der Gemeinderat im August einmütig dafür.
Und er setzte damit den vorgeschriebenen bürokratischen Ablauf in Gang. Die so genannte Öffentlichkeitsbeteiligung fand statt. Die Pläne lagen also im Rathaus aus. Interessiert hat das niemanden. „Es gingen keine Stellungnahmen ein“, informierte jetzt Bürgermeister Oliver-kersten
Raab. Das Anliegen, Baurecht zu schaffen, beschäftigte aber auch 22 Behörden und Unternehmen wie die Telekom und den Gasversorger Thüga. Sie alle waren aufgefordert, zu dem Vorhaben
Stellung zu nehmen. Und in der Folge hatten sich unter anderem der Stadtrat in Wangen sowie die Gemeinderäte in Argenbühl, Hergensweiler und Heimenkirch mit der geplanten Änderung
auseinander zu setzen. Das ist bei Bebauungsplänen in Nachbarkommunen so vorgeschrieben. Stellungnahmen erfolgten von dieser Seite freilich nicht. In sieben Fällen aber kamen konkrete
Rückmeldungen. Dabei verweist beispielsweise das Vermessungsamt in Immenstadt darauf, dass es einer Angleichung der Flurstückvermessung bedarf.
Sehr konkret ist die Forderung der Unteren Naturschutzbehörde. Sie erinnert daran, dass die 660 Quadratmeter große Fläche nicht Teil des Bebauungsplanes war und deshalb 2003 auch nicht Teil der damals notwendigen Ausgleichsmaßnahme. Die Folge: Die Gemeinde muss einen ökologischen Ausgleich schaffen. Das sieht das beauftragte Planungsbüro anders: „Die Fläche liegt im Innenbereich und dient der Nachverdichtung“, sagte Ulrike Dintzer von Sieber Consult. Die aktuelle Gesetzgebung sei eindeutig: In diesem Fall sei kein Ausgleich erforderlich.
2003 wäre ein solcher ökologischer Ausgleich notwendig gewesen – nun ist er es aus Sicht des Planungsbüros nicht.
„Wir müssen eine Rechtsmeinung vertreten“, stellte Bürgermeister Oliver-kersten Raab fest. Und: „Es ist nicht unüblich, dass verschiedene Rechtsmeinungen entstehen“. Das sei hier der Fall. Wenn der Gemeinderat sich aber entscheide, dem Planungsbüro zu folgen, dann könne er im Rahmen der so genannten Abwägung beschließen, dass keine Änderung des Planentwurfes notwendig sei – und in der Folge auch die Änderung als neue geltende Satzung. Gegen die könnte nun das Landratsamt klagen – wenn es bei seiner Rechtsauffassung bleibt.
Einen Zusatzaspekt beleuchtete am Ende Wolfgang Zodel: Für den notwendigen ökologischen Ausgleich hatten die Grundstückseigentümer vor 20 Jahren mitbezahlt. „Nun profitiert aber das neue Grundstück davon“, sagte Zodel und stellte die Frage in den Raum, ob da kein finanzieller Ausgleich erforderlich sei.