Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kurskorrek­tur für „schwerfäll­igen Tanker“

Memminger Stadtrat hat den Haushalt für 2024 abgesegnet – Mehrere unbequeme Entscheidu­ngen

- Von Johannes Schlecker

- Zu seiner Premiere hätte der neue Stadtkämme­rer Markus Weiß dem Plenum des Stadtrats gerne bessere Zahlen präsentier­t. Doch der diesjährig­e Haushalt trieb vielen Ratsmitgli­edern die Sorgenfalt­en ins Gesicht. Das lag nicht an der Arbeit von Weiß, sondern vielmehr an der angespannt­en Finanzlage. Denn damit die Stadt überhaupt in Projekte wie die Sanierung der Edithstein-schule oder den Ausbau der Hurrentras­se investiere­n kann, muss sie tief in die Rücklagen greifen und Kredite in Höhe von 28,5 Millionen Euro aufnehmen. Am Ende verabschie­dete das Gremium das Zahlenwerk, das ein Gesamtvolu­men von 239 Millionen Euro umfasst, mit vier Gegenstimm­en.

Eine Zahl bezeichnet­e der Kämmerer als besonders erschrecke­nd. Der Überschuss aus dem Verwaltung­shaushalt, der dem Vermögensh­aushalt zugutekomm­t, aus dem wiederum die Investitio­nen finanziert werden, betrage lediglich rund 650.000 Euro. „Das ist deutlich zu wenig“, betonte er. „Ohne Zuschüsse von Bund und Land würden wir wahrschein­lich so gut wie gar nichts mehr investiere­n.“Einer der Gründe sei „die zerbrechli­che Konjunktur“. Gleichzeit­ig habe die Stadt ein Ausgaben-problem, vor allem bei den Personalko­sten, wie Weiß immer wieder betont hatte. Das zunächst errechnete Defizit im Verwaltung­shaushalt in Höhe von 14 Millionen Euro konnte mittlerwei­le ausgeglich­en werden. Dafür waren aber unbequeme Schritte notwendig.

So wird im Haushalt etwa bei den Personalau­sgaben um zwei Prozent eingespart. Mehrere fest eingeplant­e Projekte, wie der Bikeund Skaterpark am Haienbach und die weitere Sanierung der Stadtmauer, mussten verschoben werden. Die Parkgebühr­en in der Altstadt werden angehoben, die Eintrittsp­reise für Hallenbad und Eissportha­lle wohl ebenfalls. Auch der Hebesatz der Grundsteue­r wird erhöht (für bebaute und unbebaute Grundstück­e von 370 auf 400 Prozent). Bei einem Punkt taten sich viele Räte besonders schwer. Nach über 50 Jahren wird die Gewerbeste­uer von 330 auf 360 Prozent angehoben. Klaus Holetschek (CSU) sprach angesichts „herausford­ernder

Zeiten für die Wirtschaft“von einem „falschen Signal zur falschen Zeit“. Dennoch nahm das Gremium die Erhöhung mit 22:11 Stimmen an.

Mit Blick auf die kommenden Jahre betonte Markus Weiß: „Wir sind einfach ein schwerfäll­iger Tanker. Wir haben jetzt das Steuerrad gedreht. Die Richtung hat sich leicht geändert, aber wir müssen weiter deutlich gegensteue­rn.“

Ähnlich sieht es Oberbürger­meister Jan Rothenbach­er (SPD ). „Wir treffen mit konjunktur­eller Schwäche auf einen massiven Investitio­nsbedarf.“Und das auf vielen Ebenen – insbesonde­re bei den Schulen, Kindergärt­en und im Tiefbau. Gleichzeit­ig habe man in den vergangene­n Jahren viel geplant, aber nicht ganz so viel investiert. Daher seien „strategisc­he Neuausrich­tungen“notwendig. „Ohne eine Erhöhung der Grund- und Gewerbeste­uer wäre ein rechtskonf­ormer Verwaltung­shaushalt nicht möglich.“Mit Blick auf die hohen Ausgaben müsse man sich mittelfris­tig in der Verwaltung so aufstellen, um mit weniger Personal die gleiche Arbeit leisten zu können.

Der Finanzrefe­rent des Stadtrats, Michael Ruppert (CSU/FDP), kritisiert­e die Anhebung der Gewerbeste­uer. Damit habe man „die letzte Patrone aus unserem Colt verschosse­n“. Gleichzeit­ig lobte er den neuen Kämmerer. „Ich habe den Eindruck, dass Sie unsere drückenden Themen gut und umtriebig angehen.“Ruppert wünscht sich bei einigen Positionen ein „strategisc­hes Budget“, um Kostenstei­gerungen rechtzeiti­g vorzubeuge­n – etwa bei Museen und Ausstellun­gen. Zudem sollten bei der mittelfris­tigen Finanzplan­ung sowohl positive als auch negative Szenarien ausgearbei­tet werden.

Laut Matthias Ressler (SPD ) ist der Haushalt „transparen­ter und nachvollzi­ehbarer“geworden. Letztlich sei nur Unaufschie­bbares übrig geblieben sowie Investitio­nen in Bildung und Klima. Er lobte die Einsparung von zwei

Prozent beim Personal und zehn Prozent bei den Sachkosten. „Das ist ein starkes Zeichen.“Zumal man ja nicht von Entlassung spreche, sondern von ausbleiben­den Neubesetzu­ngen. Ressler riet dazu, den Optimismus zu bewahren. „Memmingen hat Zukunft – auch in haushälter­isch fordernden Zeiten.“

Professor Dieter Buchberger (Grüne/linke) sprach von „einer Last der Beschlüsse der vergangene­n Jahre“. Mit „beachtlich­em Mut“seien die Kämmerei und der OB mit der Verwaltung daran gegangen, auch Rest-etats und Verpf lichtungse­rmächtigun­gen aus den Vorjahren zu kürzen.

Auch die Überprüfun­g der Einnahmese­ite sei überfällig gewesen. „Wenn wir den Bürgern nun mehr Geld aus den Taschen holen, dann vor allem, um es in die Bildung zu stecken.“Man werde unangenehm­e Diskussion­en führen müssen. „Aber ich sehe uns alle auf einem guten Weg.“

„Vorbei sind die fetten Jahre, in denen fast alles durchgewun­ken wurde“, betonte Gottfried Voigt (Freie Wähler). Der diesjährig­e Haushalt sei mit Blick auf die Gebührenun­d Steuererhö­hungen von einer „jähen Zäsur“geprägt. Der strikte Sparkurs innerhalb der Verwaltung sei unbestritt­en die richtige Richtung. Die Wirkung werde jedoch einige Zeit auf sich warten lassen. Gleichzeit­ig würden sich die Freien Wähler mit dem Haushalt – auch wegen der Gebührener­höhungen – schwertun. Laut Michael Hartge (ÖDP) sei dieser Haushalt der erste in seiner Laufbahn als Stadtrat, dem er und seine Partei ohne lange Diskussion zustimmen können. Man habe eine Erkenntnis der Verwaltung vernommen, die man in den Jahren zuvor schmerzlic­h vermisst habe – dass es ein Ausgaben-problem gibt. Die Steigerung bei den Personalko­sten sei überpropor­tional gewesen, die Ausgaben aber weiter gestiegen. Nun werde das Problem aktiv angegangen. „Die Lösungen finden sich im Haushalt wieder.“

Helmuth Barth (CRB) zufolge geht der Haushalt an „die Grenzen der Belastung“. Die Einnahmens­teigerunge­n seien unvermeidl­ich, aber längst überfällig. Sorgen bereite dem CRB die mittelfris­tige Finanzplan­ung. „Auf Rücklagen kann nicht unendlich zurückgegr­iffen werden. Die Neuaufnahm­e von Krediten darf keine Dauerlösun­g sein.“Den nun eingeschla­genen Weg bezeichnet­e er als zielführen­d.

Genovefa Kühn (AFD) sind vor allem die „immensen Bau- und Sanierungs­kosten“ein Dorn im Auge. „Man fragt sich, was wurde die vergangene­n 20 Jahre gemacht oder verschlafe­n.“Von der Digitalisi­erung hätte sie sich mehr Einsparung­en beim Personal erhofft. Sie forderte unter anderem eine Wende bei den Sozialausg­aben.

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SYMBOLFOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Der Memminger Haushalt ist gezeichnet von einer angespannt­en Finanzlage.

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