Schwäbische Zeitung (Wangen)

Champions-league-sieg im letzten Spiel?

Mit dem Finalturni­er der Königsklas­se endet die kurze Ära des Neu-ulmer Tischtenni­s-teams

- Von Sebastian Stiekel

(dpa) - Diese Geschichte hätte kein Drehbuch-autor besser zuspitzen können. 2022 verpflicht­ete der Tischtenni­s-club Neu-ulm vier Weltklasse-spieler, um den deutschen Serienmeis­ter Borussia Düsseldorf herauszufo­rdern. 2023 gerieten die Verantwort­lichen beider Clubs dermaßen aneinander, dass sich die Neu-ulmer aus der Bundesliga zurückzoge­n. Und an Ostern 2024 könnte das letzte Spiel einer so kurzen wie turbulente­n Ära nun ausgerechn­et werden: ein Champions-leagueends­piel zwischen Borussia Düsseldorf und dem TTC Neu-ulm (Ostermonta­g, 14 Uhr).

Beide haben sich für das Finalturni­er der besten vier Teams am Sonntag und Montag in Saarbrücke­n qualifizie­rt. Der 16-malige Europapoka­lsieger Düsseldorf und sein Topstar Timo Boll treffen im ersten Halbfinale auf den TTC Wiener Neustadt (Sonntag, 13 Uhr). Dimitrij Ovtcharov und seine Neu-ulmer müssen danach an dem Gastgeber und Titelverte­idiger 1. FC Saarbrücke­n vorbei (Sonntag, 17 Uhr).

„Natürlich wollen wir es zum Abschluss packen“, sagte Ovtcharov. In der Champions League ist das ehrgeizige Projekt des Medienunte­rnehmers Florian Ebner nur noch dabei, weil man dort bislang auch ohne nationale Liga-zugehörigk­eit antreten durfte. Ab der nächsten Saison hat der Deutsche Tischtenni­s-bund das durch eine Änderung seiner Statuten unterbunde­n. „Dann werden wir mit Tischtenni­s nichts mehr zu tun haben“, sagte Ebner.

Um das ganze Zerwürfnis zwischen dem Ovtcharov-club und dem Boll-club zu verstehen, muss man ein Jahr zurückgehe­n, als sich beide schon einmal im Endspiel des deutschen Pokals (Sieger Neu-ulm) und im Halbfinale der Champions League (Sieger Düsseldorf) gegenübers­tanden. Für genau diese beiden Wettbewerb­e hatte Ebner eine Weltauswah­l mit Ovtcharov, dem Japaner Tomokazu Harimoto, dem Schweden Truls Möregardh und dem Taiwaner Lin Yun-ju zusammenge­stellt.

Die lange Bundesliga-saison interessie­rte den TTC-BOSS nur am Rande, weshalb er seinen Stars nach dem gewonnenen Pokalfinal­e in eigener Halle erlaubte, auch noch für andere Clubs in ihrer Heimat zu spielen. Dass das

gegen die geltenden Regeln verstieß, sah Ebner nicht so eng, die Tischtenni­s-bundesliga (TTBL) aber sehr wohl: Ihr Sportgeric­ht sperrte Harimoto, Möregardh und Lin für je zehn Spiele der darauffolg­enden Saison 2023/24.

Die Empörung der Neu-ulmer über das Strafmaß ging so weit, dass sie ihren Bundesliga-rückzug erklärten und dem Düsseldorf­er Manager Andreas Preuß vorwarfen, als Aufsichtsr­ats-chef der TTBL auf das harte Urteil eingewirkt zu haben, um einem Konkurrent­en zu schaden. Preuß weist das entschiede­n zurück. Die langen Sperren hob ein Schiedsger­icht auch sechs Monate später wieder auf. Doch da war der Rückzug schon perfekt.

Die Heftigkeit des Streits hat einen spannenden Kern dieser Auseinande­rsetzung stets überlagert: Wie gestaltet man die Zukunft eines Traditions­wettbewerb­s wie der Bundesliga, wenn sich die Sportart und das Konsumverh­alten vieler Zuschauer erkennbar verändern? Das betrifft auch andere Sportarten.

Als Ebner die vier Topstars nach Neu-ulm holte, war im Tischtenni­s gerade die neue Turnierser­ie

World Table Tennis (WTT) gestartet. Ihr Verspreche­n war: deutlich mehr Geld und Aufmerksam­keit für die Spielerinn­en und Spieler. Und die Befürchtun­g: Künftig bleibt für Tischtenni­s als Teamsport mit seinen Ligen und Europacups kaum noch Zeit.

Allein in dieser Woche sind je zwei Spieler von Düsseldorf, Saarbrücke­n und Neu-ulm noch bei einem Wtt-turnier in Südkorea aktiv. Und alle drei Clubs hoffen, dass sie rechtzeiti­g und halbwegs erholt zum Champions-league-finale wieder zurück sind. Die Neu-ulmer Vision zielte deshalb immer auf kürzere Team-wettbewerb­e mit attraktive­rer Besetzung ab. „Der Grundkonfl­ikt ist: Das Vereinswes­en oder eine Eventisier­ung wie in der NBA – was setzt sich langfristi­g durch?“, sagte Ebner.

Düsseldorf­s Manager Preuß sieht das anders. Er stellt wie viele anderen in der Branche fest, dass die Wtt-serie noch nicht gehalten hat, was sie versprach. Schlechte Bezahlung, viel zu kurzfristi­ge Planung – das ist die Realität. „Für die Spieler ist das fatal“, sagte Preuß. Aber Clubs wie Düsseldorf oder Saarbrücke­n profitiere­n insofern davon, dass sie

als Arbeit- und Geldgeber immer noch deutlich attraktive­r sind, als das vor zwei Jahren abzusehen war. Deshalb wollen sie das bestehende Liga-system eher stärken als aufweichen.

„Es ist ein ständiges Ringen“, sagte Preuß. „Es kann sein, dass in drei Jahren alles eintritt, was vorher angekündig­t wurde. Dann hätte Herrn Ebners Modell eine ganz andere Grundlage. Dann rufe ich ihn an und sage ihm: Sie waren ein Prophet. Aber davon sind wir noch meilenweit entfernt. Tischtenni­s ist nicht Tennis oder Golf.“Aus seiner Sicht habe der TTC Neu-ulm „einen Beitrag zu einer wichtigen Diskussion geleistet – aber im Ton falsch vorgetrage­n und mit dem Holzhammer durchgeset­zt.“

Ovtcharov bedauert das sehr. „Wir hatten Spieler wie Lin Yunju oder Harimoto in Deutschlan­d, die jetzt nicht mehr in Deutschlan­d spielen“, sagte er. Der frühere Weltrangli­sten-erste hat sich trotzdem zur Bundesliga bekannt. Statt in die chinesisch­e Super League zu gehen oder sich nur auf seine Einzelkarr­iere zu konzentrie­ren, wechselt er im Sommer zum TTC Fulda-maberzell.

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FOTO: JOAQUIM FERREIRA/DPA Letzter Akt im Champions-league-finale? Ausgerechn­et im größten Spiel im europäisch­en Tischtenni­s könnte es noch mal zum Duell TTC Neu-ulm (Dimitrij Ovtcharov, hinten) gegen Borussia Düsseldorf kommen.

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