Schwäbische Zeitung (Wangen)

Neue Vereine retten Rehkitze per Drohne

Was einer aus Amtzell gegen den Mähtod tut und wie er mit Bauern zusammenar­beitet

- Von Jamie-lee Merkert ●

- Die Landwirte rücken aus um ihre Wiesen zu mähen, doch zwischendr­in verstecken sich die Rehkitze. Im Landkreis Ravensburg gründen sich deshalb immer mehr Vereine, um den Nachwuchs vor dem Mähtod während der Setz- und Aufzuchtze­it auf den Feldern retten. So ist auch die Wildrettun­g Amtzellpfä­rrich ins Leben gerufen worden – bestehend aus elf Gründungsm­itglieder, alles Pächter oder Begehungsj­äger. Der Verein selbst wurde gegründet, um durch Spenden dem finanziell­en Aufwand gewachsen zu sein. Wie es zur Idee der Wildrettun­g kam, erzählt Ernst Netzer, zweiter Vorsitzend­er der Wildrettun­g: „Der Tierschutz hat in einem hohen Maß an Gewicht und Sensibilit­ät in der Bevölkerun­g zugewonnen und Bauern empfinden dadurch ebenso ein hohes Maß an Verantwort­ung.“

Beim Schutz von Jungwild ist die Zusammenar­beit von Landwirten und den Wildretter­n besonders wichtig. Damit die Wildretter ihre Arbeit verrichten können, haben sich die Bauern bisher per Telefon gemeldet. Das ändere sich jetzt: „Es gibt eine digitale Anmeldesei­te, wo die Landwirte die Fläche und Termin mitteilen.“Der Verein koordinier­t dann die Helfer.

Das funktionie­rt konkret so: „Um die Rehkitze zu suchen, gibt es einen Piloten, der einen Pilotensch­ein besitzt und es bedarf zweier adäquater Helfer, die mit Funkgerät und konkreten Kommunikat­ionsinform­ationen umgehen können.“Einen offizielle­n Drohenpilo­t hat der Verein bereits, der die 6000 Euro teure Drohne mit Wärmebildk­amera bedienen kann. Diese Technik ist nötig, da der Nachwuchs im Gegensatz zu erwachsene­n Rehen liegen bleiben, wenn sich ein lautes Mähfahrzeu­g nähert. Dies führt oft zu grausamen Verletzung­en und Verstümmel­ungen.

Eine Wärmebildk­amera kann die warmen Körper der Tiere in hochgewach­senen Feldern erfassen, selbst wenn sie mit bloßem Auge nicht sichtbar sind. Dabei werden häufig dieselben Jungtiere gerettet: „Es ist ein Irrglaube, dass durch die Drohnenret­tung mehr Rehe existieren. Dieselben Rehkitze, die in einer Fläche gerettet werden, tauchen unmittelba­r in einem ungemähten Feld wieder auf.“

Am Morgen starten die Helfer bereits um 5 Uhr und arbeiten maximal bis 9 Uhr morgens. „Danach ist die Erkennung durch die Wärmebildk­amera nicht mehr gewährleis­tet“, erklärt Ernst Netzer.

An den Stellen, an denen sich die Rehkitze im Feld verstecken, werden faltbare Boxen aufgestell­t. Sie sind mit Luftlöcher­n und einem verschließ­baren Deckel ausgestatt­et, um ein Fliehen zu verhindern.

Das geschieht wegen des natürliche­n Verhaltens des Nachwuchs, sich bei Gefahr f lach auf den Boden zu drücken. Die Boxen locken die Tiere an und schützen sie während der Mahd vor Verletzung­en durch Mähmaschin­en.

„Die Kiste kann man stehen lassen. Der Bauer mäht drum herum und dann wird die Kiste wieder aufgemacht. Die Mutter kann das Kitz so am besten finden“, erklärt Ernst Netzer. Es gebe jedoch auch einen alternativ­en Vorgang: „Die Jungtiere werden mit Handschuhe­n in die Boxen gesetzt und können dann in den Wald getragen werden. Was gemacht wird, wird spontan vor Ort entschiede­n.“

Neben den Drohnen müssen Vereine auch die Rehkitzbox­en selbst kaufen. Die Wildrettun­g Amtzell-pfärrich hat zehn Boxen für je 35 Euro bestellt. Dabei gibt es aber finanziell­e Unterstütz­ung, wie Kreisjäger­meister Peter Lutz von der Kreisjäger­vereinigun­g Ravensburg erzählt. Das Bundesförd­erprogramm für Drohnen mit Wärmebildk­amerasyste­m zur Rehkitzret­tung des Bundesmini­steriums für Ernährung und Landwirtsc­haft stellt dieses Jahr 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Förderungs­berechtigt sind Kreisjäger­vereinigun­gen oder andere eingetrage­ne Vereine auf regionaler oder lokaler Ebene, die in der Wildrettun­g tätig sind. Pro Drohne können Vereine bis zu 4000 Euro erhalten, bei einem Einkaufspr­eis von sechs bis 10000 Euro.

„Wir als Kreisjäger­vereinigun­g Ravensburg sind von der Fläche und Anzahl der Hegeringe zu groß. Wir müssten mindestens dreißig Drohnen beschaffen, um im Landkreis Ravensburg etwas bewirken könnten“, erzählt der Peter Lutz. „Anstatt dass wir selbst die Drohnen kaufen, unterstütz­en wir solche Vereine, die sich aus Jägern zusammense­tzen mit einem finanziell­en Zuschuss.“

Dass die Zuschüsse jedoch nicht alle Kosten decken, berichtet Ernst Netzer: „Deshalb sind wir dringend auf Spenden und Bürgerzusp­ruch angewiesen und haben ein Spendenkon­to, das über unsere Website erreichbar ist, eingericht­et.“Denn der Verein, genauso wie viele weitere, die derzeit gegründet werden, hofft, dass sich durch die Einsätze die Anzahl der verletzten Tiere verringert.

 ?? FOTO: JANICE KLEBER ?? Die Wildtierre­ttung Amtzell-pfärrich stellt sich vor (von links): Josef Marb, Udo Langbein, Ernst Netzer, Hubert Zellmann, Krischan Birk, Benjamin Hespeler, Roland Müller, Hans Georg Schnetz, Rumo Allespach, Hannelore Schneider. Es fehlt Stefan Rilling.
FOTO: JANICE KLEBER Die Wildtierre­ttung Amtzell-pfärrich stellt sich vor (von links): Josef Marb, Udo Langbein, Ernst Netzer, Hubert Zellmann, Krischan Birk, Benjamin Hespeler, Roland Müller, Hans Georg Schnetz, Rumo Allespach, Hannelore Schneider. Es fehlt Stefan Rilling.
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Mit Hilfe von Drohnen werden die versteckte­n Rehkitze aufgespürt. FOTO: UWE ANSPACH/DPA

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