Neue Vereine retten Rehkitze per Drohne
Was einer aus Amtzell gegen den Mähtod tut und wie er mit Bauern zusammenarbeitet
- Die Landwirte rücken aus um ihre Wiesen zu mähen, doch zwischendrin verstecken sich die Rehkitze. Im Landkreis Ravensburg gründen sich deshalb immer mehr Vereine, um den Nachwuchs vor dem Mähtod während der Setz- und Aufzuchtzeit auf den Feldern retten. So ist auch die Wildrettung Amtzellpfärrich ins Leben gerufen worden – bestehend aus elf Gründungsmitglieder, alles Pächter oder Begehungsjäger. Der Verein selbst wurde gegründet, um durch Spenden dem finanziellen Aufwand gewachsen zu sein. Wie es zur Idee der Wildrettung kam, erzählt Ernst Netzer, zweiter Vorsitzender der Wildrettung: „Der Tierschutz hat in einem hohen Maß an Gewicht und Sensibilität in der Bevölkerung zugewonnen und Bauern empfinden dadurch ebenso ein hohes Maß an Verantwortung.“
Beim Schutz von Jungwild ist die Zusammenarbeit von Landwirten und den Wildrettern besonders wichtig. Damit die Wildretter ihre Arbeit verrichten können, haben sich die Bauern bisher per Telefon gemeldet. Das ändere sich jetzt: „Es gibt eine digitale Anmeldeseite, wo die Landwirte die Fläche und Termin mitteilen.“Der Verein koordiniert dann die Helfer.
Das funktioniert konkret so: „Um die Rehkitze zu suchen, gibt es einen Piloten, der einen Pilotenschein besitzt und es bedarf zweier adäquater Helfer, die mit Funkgerät und konkreten Kommunikationsinformationen umgehen können.“Einen offiziellen Drohenpilot hat der Verein bereits, der die 6000 Euro teure Drohne mit Wärmebildkamera bedienen kann. Diese Technik ist nötig, da der Nachwuchs im Gegensatz zu erwachsenen Rehen liegen bleiben, wenn sich ein lautes Mähfahrzeug nähert. Dies führt oft zu grausamen Verletzungen und Verstümmelungen.
Eine Wärmebildkamera kann die warmen Körper der Tiere in hochgewachsenen Feldern erfassen, selbst wenn sie mit bloßem Auge nicht sichtbar sind. Dabei werden häufig dieselben Jungtiere gerettet: „Es ist ein Irrglaube, dass durch die Drohnenrettung mehr Rehe existieren. Dieselben Rehkitze, die in einer Fläche gerettet werden, tauchen unmittelbar in einem ungemähten Feld wieder auf.“
Am Morgen starten die Helfer bereits um 5 Uhr und arbeiten maximal bis 9 Uhr morgens. „Danach ist die Erkennung durch die Wärmebildkamera nicht mehr gewährleistet“, erklärt Ernst Netzer.
An den Stellen, an denen sich die Rehkitze im Feld verstecken, werden faltbare Boxen aufgestellt. Sie sind mit Luftlöchern und einem verschließbaren Deckel ausgestattet, um ein Fliehen zu verhindern.
Das geschieht wegen des natürlichen Verhaltens des Nachwuchs, sich bei Gefahr f lach auf den Boden zu drücken. Die Boxen locken die Tiere an und schützen sie während der Mahd vor Verletzungen durch Mähmaschinen.
„Die Kiste kann man stehen lassen. Der Bauer mäht drum herum und dann wird die Kiste wieder aufgemacht. Die Mutter kann das Kitz so am besten finden“, erklärt Ernst Netzer. Es gebe jedoch auch einen alternativen Vorgang: „Die Jungtiere werden mit Handschuhen in die Boxen gesetzt und können dann in den Wald getragen werden. Was gemacht wird, wird spontan vor Ort entschieden.“
Neben den Drohnen müssen Vereine auch die Rehkitzboxen selbst kaufen. Die Wildrettung Amtzell-pfärrich hat zehn Boxen für je 35 Euro bestellt. Dabei gibt es aber finanzielle Unterstützung, wie Kreisjägermeister Peter Lutz von der Kreisjägervereinigung Ravensburg erzählt. Das Bundesförderprogramm für Drohnen mit Wärmebildkamerasystem zur Rehkitzrettung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft stellt dieses Jahr 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Förderungsberechtigt sind Kreisjägervereinigungen oder andere eingetragene Vereine auf regionaler oder lokaler Ebene, die in der Wildrettung tätig sind. Pro Drohne können Vereine bis zu 4000 Euro erhalten, bei einem Einkaufspreis von sechs bis 10000 Euro.
„Wir als Kreisjägervereinigung Ravensburg sind von der Fläche und Anzahl der Hegeringe zu groß. Wir müssten mindestens dreißig Drohnen beschaffen, um im Landkreis Ravensburg etwas bewirken könnten“, erzählt der Peter Lutz. „Anstatt dass wir selbst die Drohnen kaufen, unterstützen wir solche Vereine, die sich aus Jägern zusammensetzen mit einem finanziellen Zuschuss.“
Dass die Zuschüsse jedoch nicht alle Kosten decken, berichtet Ernst Netzer: „Deshalb sind wir dringend auf Spenden und Bürgerzuspruch angewiesen und haben ein Spendenkonto, das über unsere Website erreichbar ist, eingerichtet.“Denn der Verein, genauso wie viele weitere, die derzeit gegründet werden, hofft, dass sich durch die Einsätze die Anzahl der verletzten Tiere verringert.