Wieder nur nah dran
VFB hadert nach spätem Remis in Leverkusen – Fokus nun auf das Duell mit den Bayern
(dpa/sid) - Den nächsten Akt des schier endlosen Lastminute-wahnsinns bestaunte selbst Xabi Alonso nur noch mit ungläubigem Blick. Der Meistertrainer von Bayer Leverkusen zeigte keine Regung und stand beinahe fassungslos an der Seitenlinie, als seine unbesiegbaren Überf lieger ihre unheimliche Erfolgsserie einmal mehr in den letzten Sekunden retteten – und das Spiel mit der Zeit endgültig auf die Spitze trieben.
Es gebe „keine Erklärung, warum das im Fußball passiert“, sagte der ratlose Spanier, nachdem Robert Andrich beim 2:2 (0:0) im rasanten Topspiel gegen den VFB Stuttgart mal wieder spät zum Ausgleich getroffen hatte (90.+6). Beim Last-minute-treffer in Dortmund (1:1) in der Vorwoche war Alonso noch in der Jubeltraube verschwunden, diesmal konnte er einfach „nicht glauben, dass wir es wieder geschafft haben“. Klar scheint nur: Ein Spiel ist dieser Tage erst vorüber, wenn Bayer nicht mehr zurückliegt. „Ich kann es auch nicht in Worte fassen“, sagte Kapitän Lukas Hradecky, es sei einfach nur „unglaublich“.
Und obwohl der Titel längst eingetütet ist, feierten Fans und Mannschaft das Remis wie einen Sieg. So sehr, dass im Freudentaumel die Diskussionen über den Treffer untergingen. „Der Schiedsrichter hat uns benachteiligt“, schimpfte Vfb-trainer Sebastian Hoeneß, weil er vor dem späten Ausgleichtor einen Schubser von Victor Boniface und ein Handspiel von Piero Hincapie gesehen hatte. „Leider waren es nur die Spieler, die heute richtig gut waren.“
Dementsprechend groß war nach Schlusspfif der Ärger und der Frust bei den Schwaben. Hoeneß berichtete von „Wut und Enttäuschung“in der Kabine. „Wenn das Spiel so läuft wie heute, muss man schon nachdenken, ob wir nicht zwei Punkte mehr hätten mitnehmen können“, sagte Sportdirektor Fabian Wohlgemuth. Dass es trotz der 2:0-Führung nach Treffern von Chris Führich (47.) und Deniz Undav (57.) wieder nicht geklappt hat, Leverkusen im
46. Pflichtspiel der Saison als Erster zu besiegen, lag neben dem ausbleibdenden Pfiff des Schiedsrichters in der strittigen Schlussszene auch an den vergebenen Großchancen von Vfb-torjäger Serhou Guirassy.
Angesichts der Enttäuschung ging auch das Lob des Gegners etwas unter. „Wenn, dann hätte ich gerne gesehen, dass die uns schlagen“, sagte Leverkusens Torhüter Hradecky voller Respekt gegenüber dem VFB Stuttgart. Inklusive des Duells im Dfb-pokal hatten die Schwaben den neuen deutschen Meister zum dritten Mal ganz dicht vor der ersten Pflichtspielniederlage der Saison – am Ende aber wieder ohne Erfolg.
Klar ist: Kein Team setzte den Unbesiegbaren aus Leverkusen in dieser Saison so zu wie der VFB. Und so kam unweigerlich wieder die Frage nach einem Zitat von Deniz Undav vor dem Pokal-viertelfinale
im Februar (2:3) auf. Der hatte frei heraus erzählt, dass da „die beiden besten Mannschaften Deutschlands“aufeinanderträfen und den nun entthronten Serienmeister FC Bayern München mal frech außen vor gelassen. Dass das Pokalspiel für viele Experten als das hochklassigste Duell zweier deutscher Mannschaften in dieser Saison gilt und das Wiedersehen am Samstag ebenfalls mitreißend war, nährte diese These.
Trainer Sebastian Hoeneß ließ sich eine Woche vor dem direkten Duell mit den Bayern aber nicht zu einer Kampfansage verleiten. „Ich habe eine Tabelle vor mir und da stehen wir auf Platz drei“, sagte er nach kurzem Zögern auf Undavs Aussage angesprochen: „Wir machen einen guten Job und stehen sicher zu Recht auf Platz drei. Trotzdem dürfen wir uns nicht locken lassen. Vor allem vor dem Spiel gegen Bayern München.“
Doch das Duell mit den Münchnern bietet den Schwaben gleich zwei große Chancen, die nach dem Fast-abstieg im Vorjahr niemand für möglich gehalten hätte. Mit einem Sieg würde der VFB die erste Champions-league-teilnahme sichern, ohne sich darauf verlassen zu müssen, dass diesmal wohl sogar Rang fünf reichen wird. Und er würde bis auf zwei Punkte an die Bayern heranrücken und hätte plötzlich gar Chancen auf die Vize-meisterschaft. Womit Undavs These dann endgültig bestätigt wäre.
„Mit dem Punkt sind wir der Quali für die Champions League wieder etwas näher gekommen“, sagte Wohlgemuth mit einem Schmunzeln und mit Blick auf die Relegation im Vorjahr: „Wozu das am Ende führen wird, wissen wir zumindest in diesem Jahr nicht erst nach 36 Spielen, sondern schon nach 34.“