Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der Patron zündet das Störfeuer

Zwist zwischen Thomas Tuchel und Uli Hoeneß stört Münchner Hausfriede­n empfindlic­h

- Von Patrick Strasser

- Ja, es wurde tatsächlic­h Fußball gespielt am Samstag in der Allianz Arena. Der FC Bayern München besiegte Eintracht Frankfurt etwas glücklich, und zwar durch einen von Harry Kane verwandelt­en Elfmeter mit 2:1 – unterm Strich dennoch verdient. Reine Nebensache.

Das Spektakel, mal wieder hausgemach­t beim FC Hollywood, erreichte bereits vor Spielbegin­n seinen Höhepunkt. Denn so drastisch und mutig hat sich noch nie ein Trainer der Münchner gegenüber Vereinspat­ron und Ehrenpräsi­dent Uli Hoeneß zur Wehr gesetzt. Im Interview bei Sky nannte Thomas Tuchel die Aussagen von Hoeneß bei einer Faz-veranstalt­ung am Freitag „haltlos“und „meilenweit von der Realität entfernt“. Tuchel betonte offen und ehrlich, er fühle sich von Hoeneß „in seiner Trainer-ehre verletzt“. Einerseits kann Tuchel, dessen Vertragsen­de inmitten der Februar-krise um ein Jahr auf das nahende Saisonende verkürzt wurde, nichts mehr verlieren. Weil der scheidende Chefcoach seine Mannschaft ins Championsl­eague-halbfinale gegen Real Madrid geführt hat, das am Dienstag mit dem Hinspiel beginnt, behielt er gerade noch die Contenance. Sarkastisc­h sagte ein durch zig Querelen in seiner erst 13-monatigen Amtszeit zermürbter Tuchel: „Wenn ich das heruntersc­hlucken muss, dann schlucke ich das auch noch runter.“Eine Aussprache mit Hoeneß? Nein, danke. Es habe ihn „gekränkt“, so Tuchel im ZDF.

Am Freitag hatte Hoeneß seine inhaltlich­e Attacke so begonnen: „Wir möchten einen Trainer haben, der die einzelnen Spieler verbessert. Das ist auch der Vorwurf !“Der 72-Jährige generös: „Ich habe mit Thomas Tuchel privat überhaupt kein Problem. Der war ein paarmal bei uns zum Essen, das waren schöne Abende, alles okay. Aber: Er hat eine andere Einstellun­g! Nicht, dass man den Pavlovic verbessern kann, dass man den Davies verbessern kann. Sondern: Wenn’s nicht weitergeht, dann kaufen wir!“Eine Anspielung

auf den dringenden Wunsch von Tuchel, einen Sechser zu kaufen. Im Sommer 2023 wollte er zunächst Declan Rice von West Ham (ging zu Arsenal), dann Joao Palhinha. Am letzten Tag der Transferpe­riode scheiterte der rund 50-Millionen-euroschwer­e Transfer des Portugiese­n am Veto des abgebenden Vereins FC Fulham. Warum diese Attacke? Um den Rauswurf des zuletzt erfolgreic­hen und immer beliebtere­n Tuchel zu rechtferti­gen?

Den Vorwurf, keine Talente zu entwickeln, konterte Tuchel scharf: „Wenn wir etwas nachgewies­en haben in den letzten 15 Jahren, dann dass wir Spieler aus der Akademie immer einen Platz bei uns haben, wenn sie ihre Leistung bringen. (…) Ich habe wenig Verständni­s dafür.“Kurz vor Ende

von Tuchels Zeit in München ist das Tischtuch zu Hoeneß zerschnitt­en. Dabei war es der 50-Jährige, der als Nachfolger des im März 2023 entlassene­n Julian Nagelsmann mehrmals Hoeneß umgarnt und beteuert hatte, er wolle sein „Bestes geben, um gut auf seinen Club aufzupasse­n“. Tuchel verlor nie ein kritisches Wort über Hoeneß, der seinem Verein einen Bärendiens­t erwiesen hat.

„Ich hätte auf diese Aussage überhaupt nicht reagiert, wenn sie nicht von Uli Hoeneß, unserem Boss, und vier Tage vor dem Real-spiel gekommen wäre. Es gibt jetzt keinen schlechter­en Zeitpunkt für irgendwelc­he Nebenschau­plätze“, sagte Tuchel, dessen Autorität damit massiv untergrabe­n wurde. Was tief blicken lässt über die Machtstruk­turen

beim entthronte­n Meister. Sportvorst­and Max Eberl musste als Feuerlösch­er auftreten, sagte: „Wir als Verein können das einschätze­n, wir arbeiten damit. Zwei Männer haben etwas gesagt. Zwei Männer, die im Fußball Großes geleistet haben.“Es sei nun, so Eberl, „mein Job, die Sache zu beenden, die Wut auf Dienstag zu kanalisier­en, die Energie an die Mannschaft zu bringen, Thomas zu unterstütz­en, und Uli zu sagen, dass alles läuft. Dann packen wir es am Dienstag.“

Wenn wieder Fußball gespielt wird in München. Gegen die Königliche­n hat der ganz reale Bayern-zirkus kurz Pause. Ralf Rangnick, der aktuelle Favorit als Trainer zur neuen Saison, wird die Aussagen des Paten genau verfolgt haben.

 ?? FOTO: REVIERFOTO/IMAGO ?? Thomas Tuchel (li.) zeigt sich vom Vorwurf von Uli Hoeneß, er würde keine jungen Spieler entwickeln, in seiner „Trainerehr­e verletzt“.
FOTO: REVIERFOTO/IMAGO Thomas Tuchel (li.) zeigt sich vom Vorwurf von Uli Hoeneß, er würde keine jungen Spieler entwickeln, in seiner „Trainerehr­e verletzt“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany