Krankenhäuser und klamme Kassen
Im Kreistag fallen wichtige Entscheidungen – Was in den kommenden fünf Jahren wichtig wird
- Am 9. Juni wird neben den Gemeinderäten und dem Eu-parlament auch ein neuer Kreistag gewählt. Ein Gremium, das oft wenig Beachtung findet. Oder eben nur dann, wenn es wehtut: etwa bei einer Krankenhausschließung. Doch ein Blick auf das, was der Kreistag entscheidet, und diejenigen, die dort entscheiden, lohnt sich. Rückschau und Ausblick.
Wie setzt sich der aktuelle Kreistag zusammen?
„Mehr Grüne, mehr Frauen, mehr Bürgermeister“, titelte die „Schwäbische Zeitung“über die Zusammensetzung des Kreistags nach der Wahl im Jahr 2019. Besonders hart war der damalige Wahltag für die Kreis-cdu. Die Fraktion hat sechs Sitze verloren. Damals wie heute führt ihr Kreischef Christian Natterer, das auf „äußere Umstände“im Wahljahr 2019 zurück: Fridays-for-futuredemonstrationen und das Video „Die Zerstörung der CDU“des Youtubers „Rezo“hätten die Leute zu den Grünen getrieben. Letztere haben bei der vergangenen Kreistagswahl vier Sitze dazugewonnen.
Zweitgrößte Fraktion sind aktuelle die Freien Wähler, gefolgt von den Grünen. Die kleinen Fraktionen sind SPD, FDP und ÖDP.
Die Linke ist im Gremium nicht mehr vertreten, seit ihr einziger Kreisrat Korbinian Sekul zur SPD übergelaufen ist.
Welche Chancen haben die einzelnen Listen?
Auch in diesem Jahr kandidieren besonders viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – und die haben wegen ihrer hohen Bekanntheit besonders große Wahlchancen. Die meisten Rathaus-chefs stehen auf den Listen von CDU und Freien Wählern. Das dürften also wieder die größten Parteien werden. Doch manche Listen stehen unter anderen Startbedingungen. Die FDP, zum Beispiel, tritt zwar erstmals mit vollbesetzter Liste an, kann aber nicht mehr auf den Bundestagsabgeordneten Benjamin Strasser als Zugpferd setzen. Ähnlich geht es der ÖDP, nach dem Tod des langjährigen Kommunalpolitikers Siegfried Scharpf. Inwiefern die Grünen ihr Rekordergebnis von 2019 halten können, wird sich zeigen. Damals stand die Partei bundesweit in der sogenannten Sonntagsfrage der ARD bei 20 Prozent. Welchen Stand die Kanzlerpartei SPD im Kreis Ravensburg hat, ist genauso offen, wie die Frage, ob es die beiden neuen Listen von AFD und „Bürger-bauern-mittelstanddie-basis-bewegung“in das Gremium schaffen.
Was waren die Höhepunkte der vergangenen Wahlperiode?
Die einschneidenste Entscheidung des aktuellen Kreistags war sicher die Schließung des Krankenhauses in Bad Waldsee. Lange wurde um eine neue Strategie für die Oberschwabenklinik gerungen. Nachdem mehrere Anträge der Spd-fraktion zum weitgehenden Erhalt der alten Strukturen mit drei Kreis-krankenhäusern gescheitert waren, stimmten die Kreisräte mit großer Mehrheit für den Vorschlag der Kreisverwaltung: das Aus für Bad Waldsee und den Umbau der Wangener Klinik zu einer orthopädischen Fachklinik plus Geburtshilfe, Unfallchirurgie und Notaufnahme.
Im März 2023 mussten sich die Kreisräte fragen, ob sie Harald Sievers weiterhin als Landrat behalten wollen. Mit dem stellvertretenden Tübinger Regierungspräsidenten, Utz Remlinger, wurde ein Gegenkandidat letztlich fallen gelassen und der alte und neue Landrat mit großer Mehrheit bestätigt.
Wie geht es bei den Krankenhäusern weiter?
Die erwünschten wirtschaftlichen Verbesserungen bei der OSK sind zwei Jahre und eine neue Geschäftsführung später immer noch nicht eingetreten. Ganz Deutschland wartet auf eine großangelegte Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Bis dahin wird der Ravensburger Kreistag zähneknirschend weitere Millionen Finanzspritzen für seine Kliniken beschließen. Die Größenordnung geht inzwischen in Richtung 35 Millionen Euro Defizitausgleich pro Jahr. Der neue Kreistag muss sich aber nicht nur fragen, wo er dieses Geld kürzt, sondern auch, welches Bekenntnis er zum Krankenhausstandort in Wangen abgibt. Hier steht mittelfristig ein Neubau des Krankenhauses an. Seit der Insolvenz der Klinik im bayerischen Lindenberg ist die Frage der medizinischen Versorgung im Allgäu auch in den Blick der Landesregierungen in Stuttgart und München gerückt, bislang aber ohne Ergebnis.
Welche Entscheidungen stehen an?
Eine weitere Groß-investition, die zur Debatte steht, ist ein neues Verwaltungsgebäude für das Landratsamt. Die Planungen sind zwar weit fortgeschritten, doch mit jeder weitere Haushaltsdebatte wurden in jüngster Zeit mehr Stimmen laut, die das Projekt infrage stellen. Ziel war einmal die Zentralisierung der Kreisverwaltung an einem Standort mit modernen Arbeitsplätzen. Doch da über alle Fraktionen hinweg das kreiseigene Schulbauprogramm
Priorität genießt, rutscht der Verwaltungsneubau in der Dringlichkeit oft nach hinten. Dass der Kreis nicht alles und schon gar nicht alles auf einmal beginnen kann, begründet sich in der Finanzsituation: Zwar ist der Landkreis Ravensburg gewiss kein armer, aber die vielen Bürgermeister im Kreistag reagierten in der Vergangenheit konsequent allergisch auf drastische Erhöhungen der Kreisumlage. Sprich: Die Städte und Gemeinden sehen sich nicht in der Lage, noch (deutlich) mehr Geld als bisher an den Kreis abzudrücken. Und die Aufgabenliste ist abgesehen von den genannten großen Bauprojekten lang. In die Zuständigkeit eines Landkreises fallen in Baden-württemberg neben Gesundheitswesen, Berufsschulen und Abfallwirtschaft auch beispielsweise ÖPNV, Forst- und Landwirtschaftsverwaltung, Naturschutz und die Kreisstraßen. Dazu kommt die Unterbringung von Flüchtlingen, die Landrat Harald Sievers inzwischen als „Daueraufgabe“bezeichnet.