Justiz hatte 17-Jährigen schon lange „auf dem Schirm“
Nach dem Tod eines Obdachlosen in Immenstadt gibt es neue Details zum mutmaßlichen Täter
- Nach dem Tod eines 53-jährigen Obdachlosen in Immenstadt werden immer mehr Details über den mutmaßlichen Täter bekannt: Polizei und Justiz hätten den 17-Jährigen schon seit mehreren Jahren „auf dem Schirm“, sagt Thomas Hörmann von der Kemptener Staatsanwaltschaft. „Gegen ihn wurde erstmals ermittelt, als er noch unter 14 und damit strafunmündig war.“Der mutmaßliche Täter war auch schon in einer therapeutischen Einrichtung in München untergebracht: „Dort wurde er nach einem halben Jahr ohne Erfolg entlassen“, sagt Hörmann. „Es gab auch schon eine jugendpsychiatrische Behandlung.“
Der 17-Jährige soll den Obdachlosen in der Nacht von Montag auf Dienstag auf offener Straße zusammengeschlagen haben. Das Opfer, das durch eine Dokumentation des Fernsehsenders RTL bundesweit bekannt geworden war, f lüchtete darauf hin zur Polizei und erstattete dort Anzeige. Weil er augenscheinlich nur leichte Kopfverletzungen erlitten hatte, verließ er die Polizeiinspektion im Anschluss daran wieder.
Am frühen Mittwochmorgen wurde der Obdachlose dann in einem lebensbedrohlichen Zustand
vor einer Bankfiliale aufgefunden. Er starb in einem Krankenhaus. Nach Polizeiangaben war dem 53-Jährigen auf der Wache ärztliche Hilfe angeboten worden. Er habe diese aber abgelehnt. Da er während der Befragung „orientiert und klar“gewirkt
habe, hätten ihn die Beamten wieder gehen lassen.
Der nun in Untersuchungshaft sitzende Jugendliche hatte wohl bereits im Jahr 2022 einen großen Einsatz ausgelöst. Damals stand laut Polizei ein 15-Jähriger auf der Dachterrasse eines
Immenstädter Wohnhauses und drohte, sich mit einem Messer etwas anzutun. Laut Hörmann besteht der Verdacht, dass es sich um denselben Jugendlichen handelt, der jetzt den 53-Jährigen getötet haben soll. Zuletzt wurde der 17-Jährige, der bisher bei seiner Familie in Immenstadt lebte, im Rahmen eines polizeilichen Programms für jugendliche Intensivtäter betreut. „Hier suchen Jugendamt, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht nach Lösungen“, erläutert Hörmann. „Der 17-Jährige sollte eine sogenannte Jugendbegleitung bekommen, ein entsprechendes Gespräch wurde mit ihm bereits geführt“, sagt Hörmann. Hier handle es sich um einen Versuch, die Betreffenden „zu einem normalen Lebenswandel zu bewegen“. Der mutmaßliche Täter sei ein deutscher Staatsangehöriger, „es gibt keine Erkenntnisse zu einem Migrationshintergrund“, sagt Hörmann.
Das Opfer wurde inzwischen obduziert. Demnach sei ein Hirntrauma die Todesursache, sagt Hörmann. Ob der Obdachlose tatsächlich an den Folgen der Schläge des 17-Jährigen gestorben ist, müsse die Rechtsmedizin nun klären. Die Gewalttat hat Immenstadt diese Woche erschüttert. Am Tatort legten Passanten Blumen und Kerzen nieder, gedachten des stadtbekannten Obdachlosen.
Nach Angaben der Polizei gehört der Jugendliche einer Gruppe von insgesamt zwölf Intensivstraftätern in Immenstadt an. Hinter dem Begriff steckt ein Programm der bayerischen Polizei, das im gesamten Freistaat umgesetzt wird. Eingeführt wurde es im Jahr 2008, um straffällig gewordene Kinder und Jugendliche engmaschig zu betreuen. Im Gebiet des Kemptener Polizeipräsidiums, das neben dem Allgäu auch die Kreise Neu-ulm und Günzburg umfasst, gibt es laut Sprecher Holger Stabik 60 Intensivstraftäter. Das Programm werde immer wieder erneuert, die genauen Inhalte seien aber geheim. Stabik nennt aber die Kernpunkte: Betreut werden Kinder und junge Menschen im Alter zwischen 10 und 20 Jahren, die innerhalb kurzer Zeit viele Delikte begangen haben. Außerdem muss damit zu rechnen sein, dass der oder die Jugendliche in Zukunft weitere Taten begehen wird. Wenn also zu vermuten sei, dass die Täter „unbelehrbar“sind, sagt Stabik.
Deren Betreuung übernimmt die Polizei. Zuständig für die Intensivtäter ist jeweils ein Sachbearbeiter von der Dienststelle am Wohnort des Jugendlichen. Bei ihm fließen alle Infos zusammen: über Eltern, Familie und Freunde. Ebenso die Erkenntnisse von Jugendämtern und anderen staatlichen Einrichtungen. „Der Sachbearbeiter hat so ein genaues Bild“, erläutert Stabik. Und soll so möglichst verhindern können, dass es zu weiteren Straftaten kommt. Begangene Delikte werden zudem beschleunigt bearbeitet, sagt Stabik. Prävention und Erziehung stehen allerdings im Vordergrund des Programms.