Cettinas Welt
Die Kochbuchautorin, Fotografin und Künstlerin Cettina Vicenzino hat für uns ihre liebsten Gerichte zusammengestellt und weiß dazu auch noch eine passende Geschichte zu erzählen
Cettina Vicenzino präsentiert Pizza fritta und Pizza Gourmet
Was wäre die Welt ohne Pizza? Auf alle Fälle eine traurigere
denn Pizza ist einer der größten Seelentröster, Pizza geht immer. Ein Evergreen eben, aber einer, der sich trotz weltweiter massenhafter Zustimmung immer neu erfinden will.
Pizza ändert sich ständig – nur das Simpelste daran ändert sich nie: nämlich die Tatsache, dass es sich immer um ein Teigstück handelt, das mit mindestens einer Zutat belegt werden möchte. War vor Kurzem (fast verdrängt durch Tiefkühlprodukte und Fast Food) die echte neapolitanische Pizza – dicker Rand, dünner Innenbereich, insgesamt nicht kleiner als 22 cm, aber nicht größer als 35 cm Durchmesser, bei 430–480 °C gebacken und ohne übertriebenen Belag – das absolute Muss auch außerhalb von Neapel, so hat sich seit einiger Zeit ein ganz anderer, eher dicklicher Teig überall in Italien und darüber hinaus beliebt gemacht.
In Italien ist durch Simone Padovan ein neuer Trend entstanden, der sich auch durch einige neapolitanische Pizzabäcker, die ihre geliebte Pizza nicht mehr als billige Massenware betrachten wollten, angekündigt hat. „Pizza Gourmet“, sprich Pizza für Feinschmecker, heißt der neuste Trend, der nicht aus Neapel, sondern aus Verona kommt und in der Pizzeria „I Tigli“schon im Jahr 2000 seinen Anfang fand. Dabei unterscheidet sich diese Art der edlen Pizza in erster Linie dadurch, dass sie immer in Stücke geschnitten serviert wird. Ansonsten verfolgen Simone Padovan und die neue Generation der neapolitanischen Pizzabäcker eine ähnliche Philosophie: nur beste, hochwertige, handwerklich hergestellte, saisonale Produkte aus der Region (chilometro zero), der Teig muss lange Gehzeiten mit ausschließlich natürlicher Hefe (lievito madre) vorweisen, und auch hierfür werden meist autochthone, antike, steingemahlene Mehle verwendet. Teilweise auch ein Mix aus unterschiedlichen Mehlsorten (z. B. Weizen, Buchweizen, Kamut®, Hanf, Dinkel, Emmer etc.). Ebenfalls ist der Belag von großer Bedeutung, hier wird ebenso nur mit hochwertigen Produkten gearbeitet, z. B. mit Burrata, Büffelmozzarella, Culatello, Lardo di Colonnata, Trüffeln, Filet vom Chianina-Rind, Wachteleiern, sehr frischen Sardellen oder rohem Fisch und vielen anderen guten und handwerklich hergestellten Produkten (meist mit DOP- und IGP-Siegel) oder Produkten, die von Slow Food in die Arche des Geschmacks aufgenommen wurden. Pizza soll also nicht nur einfach ein schneller Seelentröster sein, sondern einen echten Genussmoment offenbaren.
Ein weiterer Pizzatrend, der gar nicht so neu ist, ist die „Pizza fritta“, also die frittierte Pizza, die auch „Pizza del popolo“genannt wird. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, als Backöfen und Holz Mangelware waren, stellten sich Frauen mit einem mit Öl gefüllten Topf an die Straße und verkauften die frittierten und anschließend belegten Teigfladen. Nun wird die Pizza fritta von einigen bekannten Pizzabäckern Neapels wieder zum Leben erweckt. Zum ersten Mal habe ich sie 2015 auf der „Festa di Vico Equense“in Sorrent gekostet. Hier hat der berühmte Pizzabäcker Enzo Coccia seine frittierten Pizzen für die Gäste zubereitet. Noch im selben Jahr eröffnete er neben seinen beiden Pizzerien seine erste Pizzeria nur für Pizza fritta.