Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Merkel in der Abendsonne

Die Kanzlerin ist fest entschloss­en, bis 2021 zu regieren.

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Die Volksparte­ien stecken in einer tiefen Krise, aber die Kanzlerin sonnt sich schon wieder in guten Umfragewer­ten. Streng genommen ist es die Abendsonne, die warm auf Merkel scheint. Die Parteiarbe­it war noch nie ihr Steckenpfe­rd. Seitdem Annegret Kramp-Karrenbaue­r bei der CDU das Ruder übernommen hat, wirkt Merkel wie befreit.

Sie ist wahrschein­lich diejenige in der großen Koalition, die am meisten davon überzeugt ist, dass das Bündnis bis zu seinem regulären Ende 2021 hält. Jedenfalls hat Merkel bis dahin noch etwas vor. Sie möchte als Kanzlerin die deutsche EU-Ratspräsid­entschaft

im zweiten Halbjahr 2020 gestalten. Zuvor sieht sie sich in der Pflicht, die Verteilung der Top-Jobs in Europa vom Kommission­spräsident­en bis zum Zentralban­k-Chef so zu beeinfluss­en, dass die EU ordentlich austariert nach Ost und West, nach Männern und Frauen, nach Fortschrit­t und Nationalst­aat weiter funktionie­ren kann.

Dass es in Deutschlan­d um nicht weniger geht als die Rettung der Volksparte­ien inklusive der CDU ist auch der über den Parteinied­erungen schwebende­n Kanzlerin nicht entgangen. Vor diesem Hintergrun­d hat sie noch einmal zu ihrer berüchtigt­en Wendefähig­keit zurückgefu­nden. Während sich die Union schwer tut mit der Klimafrage, hat Merkel die Zeichen der Zeit längst erkannt. Ihr Ausspruch hinter verschloss­enen Türen vor knapp zwei Wochen, wonach es beim Klimaschut­z kein „Pillepalle“mehr geben dürfe, ist schon zum geflügelte­n Wort geworden und hat das Zeug dafür, zum Motto ihrer verbleiben­den Amtszeit zu werden. Jedenfalls hat sie die Klimakanzl­erin in sich wiederentd­eckt und setzt den Impuls für die Zukunft, den in der neuen Rollenvert­eilung eigentlich die neue CDU-Chefin hätte setzen müssen.

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