Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Autofreie Zonen gegen Elterntaxis
Sogenannte Schulstraßen sollen verhindern, dass Eltern ihre Kinder bis vor die Schule fahren. Dafür sollen temporär die Straßen für Autos gesperrt werden. Viele Kommunen in unserer Region halten das jedoch nur im Einzelfall für sinnvoll.
Es ist nach wie vor ein Dauerärgernis und Alltag vor vielen Schulen in NRW: Mütter und Väter, die mit ihren Autos mitten auf der Straße vor der Schule halten, um ihre Kinder rauszulassen. „Oft machen Eltern das, weil sie der Ansicht sind, dass ihre Kinder nur so sicher dort ankommen“, sagt Claudia Neumann vom Deutschen Kinderhilfswerk. Tatsächlich aber würden Elterntaxis die Straßen für Kinder unsicherer machen „Viele Autos, die in zweiter Reihe parken, blockieren die Sicht für die Kinder und verstopfen die Straße“, sagt Neumann. In Duisburg hat man beobachtet, dass Eltern die vor den Schulen eingerichteten absoluten Halteverbote häufig ignorieren. „Immer wieder führen Elterntaxis zu brenzligen Situation an den Schulen und Kindergärten“, sagt ein Stadtsprecher.
Daher fordern das Kinderhilfswerk und der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) eine temporäre autofreie Zone vor Schulen. Demnach soll vor allem morgens zu Schulbeginn die Zufahrt zur Schule für den Autoverkehr gesperrt werden. „Wir wollen das insbesondere an Schulen mit ungünstigen Verkehrssituationen, die für Kinder schwer einzuschätzen sind“, sagt VCD-Projektleiterin Stephanie Päßler. Bisher ist das allerdings nicht möglich. Damit Schulen temporäre Durchfahrtsbeschränkungen an Schulen einrichten können, muss erst die Straßenverkehrsordnung geändert werden.
Eine Umfrage unserer Redaktion hat ergeben, dass der Vorschlag in den Kommunen unterschiedlich bewertet wird. Die Mehrheit aber spricht sich gegen eine pauschale Einführung von Schulstraßen aus und hält die Maßnahme nur in Einzelfällen für angebracht. Ohne Einschränkungen unterstützt eigentlich nur die Stadt Köln die Forderung. „Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre begrüßt die Straßenverkehrsbehörde grundsätzlich den Wunsch des Deutschen Kinderhilfswerks, hier aktiv tätig zu werden“, sagt ein Sprecher der Stadt Köln. Die Problematik werde in Köln bereits durchaus mit den betroffenen Dienststellen der Polizei und der Ordnungsbehörde diskutiert.
In Düsseldorf würde man solche autofreien Zonen grundsätzlich nicht ablehnen. Ein Stadtsprecher gibt aber zu bedenken: „Schulstraßen machen nur Sinn, wenn man den beabsichtigten Gebrauch auch kontrollieren würde.“Und das wäre Aufgabe der Polizei, meint er. In Duisburg, Krefeld und Mettmann würde man im Einzelfall prüfen, ob und wo eine „Schulstraße“sinnvoll wäre. So ähnlich sieht man es auch in Mettmann. „Eine Regelung mit zeitlich limitierten Durchfahrtsund Zufahrtsverboten ist für einige Schulen im Stadtgebiet räumlich gar nicht umsetzbar und darüber hinaus von der Polizei nicht hinreichend kontrollierbar“, sagt Stefan Tetzner, Leiter der Straßenverkehrsbehörde in Mettmann.
In Münster ist man der Meinung, dass „Schulstraßen“das Problem mit den Elterntaxis nur auf den Bereich vor den Sperren verlagern würde. Auch in Remscheid hält man die Durchfahrtsbeschränkungen für überzogen. Denn dadurch wären auch die Anwohner betroffen. „Soweit Schulen an Durchgangsstraßen liegen, wäre außerdem eine aufwändige Umleitungsbeschilderung erforderlich“, erklärt Remscheids Fachdienstleiter für Sicherheit und Ordnung, Jürgen Beckmann.
Die Zahl der tödlich verunglückten Kinder ist im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen. Nach Angaben der Unfallkasse NRW kamen landesweit drei Kinder auf dem Schulweg ums Leben. Im Jahr davor hatte es demnach noch 13 Tote gegeben. Verkehrsexperten führen das unter anderem auch auf verbesserte Verkehrskonzepte in den Kommunen zurück.
So gibt es bereits in vielen Städten sogenannte Hol- und Bringzonen an Schulen wie zum Beispiel in Bonn. „Die Kinder, die schon zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Bus zur Schule kommen, sollen durch solche Zonen geschützt werden“, erklärt ein Sprecher der Stadt Bonn. „Und die Kinder, die mit dem Auto gebracht werden, sollen einen kurzen Schulweg haben, der viele bekannte Vorteile hat.“In Moers hat man für einzelne Grundschulen ein maßgeschneidertes Konzept entwickelt, mit dem man gute Erfahrungen gemacht habe. „Das beinhaltet jeweils auch verkehrsberuhigende Maßnahmen wie Zebrastreifen, Holund Bringzonen und Straßeneinbauten“, so ein Sprecher der Stadt.
In Deutschland gibt es Schulstraßen bisher nur vereinzelt im Rahmen von Testphasen. Sie sind aus Sicht der Verbände vor allem für Nebenstraßen geeignet. In Österreich hat man laut VDC bereits gute Erfahrungen damit gemacht. „In Südtirol, Wien und Salzburg haben sich diese temporären Zufahrtsbeschränkungen für Pkw an Schulen bewährt“, sagt VCD-Projektleiterin Stephanie Päßler, die sich wünscht, dass man diese positiven Erfahrungen bald auch in Nordrhein-Westfalen macht.