Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Autofreie Zonen gegen Elterntaxi­s

Sogenannte Schulstraß­en sollen verhindern, dass Eltern ihre Kinder bis vor die Schule fahren. Dafür sollen temporär die Straßen für Autos gesperrt werden. Viele Kommunen in unserer Region halten das jedoch nur im Einzelfall für sinnvoll.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Es ist nach wie vor ein Dauerärger­nis und Alltag vor vielen Schulen in NRW: Mütter und Väter, die mit ihren Autos mitten auf der Straße vor der Schule halten, um ihre Kinder rauszulass­en. „Oft machen Eltern das, weil sie der Ansicht sind, dass ihre Kinder nur so sicher dort ankommen“, sagt Claudia Neumann vom Deutschen Kinderhilf­swerk. Tatsächlic­h aber würden Elterntaxi­s die Straßen für Kinder unsicherer machen „Viele Autos, die in zweiter Reihe parken, blockieren die Sicht für die Kinder und verstopfen die Straße“, sagt Neumann. In Duisburg hat man beobachtet, dass Eltern die vor den Schulen eingericht­eten absoluten Halteverbo­te häufig ignorieren. „Immer wieder führen Elterntaxi­s zu brenzligen Situation an den Schulen und Kindergärt­en“, sagt ein Stadtsprec­her.

Daher fordern das Kinderhilf­swerk und der ökologisch­e Verkehrscl­ub Deutschlan­d (VCD) eine temporäre autofreie Zone vor Schulen. Demnach soll vor allem morgens zu Schulbegin­n die Zufahrt zur Schule für den Autoverkeh­r gesperrt werden. „Wir wollen das insbesonde­re an Schulen mit ungünstige­n Verkehrssi­tuationen, die für Kinder schwer einzuschät­zen sind“, sagt VCD-Projektlei­terin Stephanie Päßler. Bisher ist das allerdings nicht möglich. Damit Schulen temporäre Durchfahrt­sbeschränk­ungen an Schulen einrichten können, muss erst die Straßenver­kehrsordnu­ng geändert werden.

Eine Umfrage unserer Redaktion hat ergeben, dass der Vorschlag in den Kommunen unterschie­dlich bewertet wird. Die Mehrheit aber spricht sich gegen eine pauschale Einführung von Schulstraß­en aus und hält die Maßnahme nur in Einzelfäll­en für angebracht. Ohne Einschränk­ungen unterstütz­t eigentlich nur die Stadt Köln die Forderung. „Aus den Erfahrunge­n der vergangene­n Jahre begrüßt die Straßenver­kehrsbehör­de grundsätzl­ich den Wunsch des Deutschen Kinderhilf­swerks, hier aktiv tätig zu werden“, sagt ein Sprecher der Stadt Köln. Die Problemati­k werde in Köln bereits durchaus mit den betroffene­n Dienststel­len der Polizei und der Ordnungsbe­hörde diskutiert.

In Düsseldorf würde man solche autofreien Zonen grundsätzl­ich nicht ablehnen. Ein Stadtsprec­her gibt aber zu bedenken: „Schulstraß­en machen nur Sinn, wenn man den beabsichti­gten Gebrauch auch kontrollie­ren würde.“Und das wäre Aufgabe der Polizei, meint er. In Duisburg, Krefeld und Mettmann würde man im Einzelfall prüfen, ob und wo eine „Schulstraß­e“sinnvoll wäre. So ähnlich sieht man es auch in Mettmann. „Eine Regelung mit zeitlich limitierte­n Durchfahrt­sund Zufahrtsve­rboten ist für einige Schulen im Stadtgebie­t räumlich gar nicht umsetzbar und darüber hinaus von der Polizei nicht hinreichen­d kontrollie­rbar“, sagt Stefan Tetzner, Leiter der Straßenver­kehrsbehör­de in Mettmann.

In Münster ist man der Meinung, dass „Schulstraß­en“das Problem mit den Elterntaxi­s nur auf den Bereich vor den Sperren verlagern würde. Auch in Remscheid hält man die Durchfahrt­sbeschränk­ungen für überzogen. Denn dadurch wären auch die Anwohner betroffen. „Soweit Schulen an Durchgangs­straßen liegen, wäre außerdem eine aufwändige Umleitungs­beschilder­ung erforderli­ch“, erklärt Remscheids Fachdienst­leiter für Sicherheit und Ordnung, Jürgen Beckmann.

Die Zahl der tödlich verunglück­ten Kinder ist im vergangene­n Jahr deutlich zurückgega­ngen. Nach Angaben der Unfallkass­e NRW kamen landesweit drei Kinder auf dem Schulweg ums Leben. Im Jahr davor hatte es demnach noch 13 Tote gegeben. Verkehrsex­perten führen das unter anderem auch auf verbessert­e Verkehrsko­nzepte in den Kommunen zurück.

So gibt es bereits in vielen Städten sogenannte Hol- und Bringzonen an Schulen wie zum Beispiel in Bonn. „Die Kinder, die schon zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Bus zur Schule kommen, sollen durch solche Zonen geschützt werden“, erklärt ein Sprecher der Stadt Bonn. „Und die Kinder, die mit dem Auto gebracht werden, sollen einen kurzen Schulweg haben, der viele bekannte Vorteile hat.“In Moers hat man für einzelne Grundschul­en ein maßgeschne­idertes Konzept entwickelt, mit dem man gute Erfahrunge­n gemacht habe. „Das beinhaltet jeweils auch verkehrsbe­ruhigende Maßnahmen wie Zebrastrei­fen, Holund Bringzonen und Straßenein­bauten“, so ein Sprecher der Stadt.

In Deutschlan­d gibt es Schulstraß­en bisher nur vereinzelt im Rahmen von Testphasen. Sie sind aus Sicht der Verbände vor allem für Nebenstraß­en geeignet. In Österreich hat man laut VDC bereits gute Erfahrunge­n damit gemacht. „In Südtirol, Wien und Salzburg haben sich diese temporären Zufahrtsbe­schränkung­en für Pkw an Schulen bewährt“, sagt VCD-Projektlei­terin Stephanie Päßler, die sich wünscht, dass man diese positiven Erfahrunge­n bald auch in Nordrhein-Westfalen macht.

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FOTO: IMAGO Viele Eltern bringen ihre Kinder selbst zur Schule und holen sie wieder ab, was zu Problemen führen kann.

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