Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Es ist ein traumhaftes Angebot“
Der Solinger nahm als erster Mitarbeiter der Stadt an einem Auslandsprogramm für Ausbilder in Blyth teil.
Wie kam es zu Ihrer Teilnahme?
Hülsmann Im internen Mitteilungsblatt der Stadtverwaltung wurde im letzten Herbst auf das mit EU-Fördermitteln unterstützte Programm für Ausbilder und Menschen, die sich mit Auszubildenden beschäftigen, hingewiesen. Das hat mich interessiert: Ich bin Ausbildungsbeauftragter beim Jugendamt, wo ich derzeit 23 Auszubildende betreue, davon 16 in den Kindertagesstätten und sieben für den Bereich der allgemeinen Verwaltung.
Gab es weitere Gründe?
Hülsmann Ich liebe das selbstorganisierte Reisen, wie es das Programm vorsieht. Ich habe die große Chance gehabt und genutzt, zwei Wochen meiner Zeit im europäischen Ausland komplett selbst zu gestalten.
Warum zwei Wochen? Und warum in Blyth?
Hülsmann Die Stadt Solingen stellt teilnehmende Mitarbeiter bis zu zwei Wochen lang von der Arbeit frei und zahlt ihnen in dieser Zeit weiter das Gehalt. Für Blyth habe ich mich entschieden, weil ich die englische Sprache und das Land mag, aber noch nie in der Partnerstadt war. Ich wollte wissen, wie dort die Ausbildung abläuft und welche Jugendprojekte es gibt.
Wie haben Sie die Kontakte nach Northumberland geknüpft?
Hülsmann Die ersten Informationen habe ich mit Hilfe von Manu Shareghi bekommen, dem Vorsitzenden des Fördervereins der Städtepartnerschaft mit Blyth. Durch ihn kam die Verbindung mit Brian Dawson von der Twinning Society zustande. So ergaben sich die weiteren Kontakte.
Blyth ist viel kleiner als Solingen. Hat sich das bemerkbar gemacht?
Hülsmann Die Stadtverwaltung in Blyth, das Town Council, ist organisatorisch mit viel weniger Aufgaben betreut als die Stadt Solingen. Ich musste ganz schnell feststellen, dass die allermeisten Verwaltungsaufgaben über das County Council in Morpeth laufen. Blyth und Morpeth: Das ist etwa so, als wenn man das Rathaus in Unterburg mit der Bezirksregierung in Düsseldorf vergleicht. Die Stadtverwaltung in Blyth besteht neben dem Stadtdirektor und seinem Stellvertreter nur noch aus fünf weiteren Personen. Dafür ist die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat sehr eng; jeden Donnerstag erfolgen regelmäßige Treffen im Ratssaal.
Trotzdem konnten Sie auch in Blyth selbst interessante Erfahrungen machen?
Hülsmann Besonders fasziniert hat mich das Tall Ship Project im Hafen der Stadt. Hier wurde mit vielen Spenden, auch von der Stadt Blyth, bereits vor Jahren eine traditionelle Werkstatt aufgebaut und betrieben. Hier arbeiten ehrenamtlich pensionierte Ingenieure und Handwerker aus dem Bereich des traditionellen Bootsbaus. Ihre technischen Fähigkeiten geben sie weiter an Jugendliche, welche oftmals arbeitslos und ohne berufliche Perspektive sind. Über dieses Projekt können die Jugendlichen dann Fähigkeiten erlangen, die ihre Chance bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder einer Arbeitsstelle deutlich erhöhen. In dem Projekt wird seit Jahren an der Restaurierung eines über 100 Jahre alten Segelschiffes gearbeitet, das eine Antarktis-Expedition von vor 200 Jahren nachvollziehen soll.
Haben Sie auch Kindertagesstätten in Blyth besucht?
Hülsmann Ich war in zwei Kindergärten. Auffällig für mich war, dass beide deutlich schlichter ausgestattet sind als unsere Kitas; für Ausstattung und Unterhaltung stehen weniger Mittel zur Verfügung. Gleichwohl merkt man den Kolleginnen und Kollegen in Blyth an, dass sie sich genau so herzlich und engagiert um die Kinder kümmern wie wir in Solingen. Der Betreuungsschlüssel ist ähnlich wie bei uns, aber die Altersstruktur ist eine andere. In der Regel werden Zwei- bis Fünfjährige betreut – in einem Umfang von 15 oder 30 Wochenstunden. Für alle anderen Altersklassen oder auch mehr Betreuungsumfang muss eine private Betreuung gefunden werden, die natürlich auch separat bezahlt werden muss. Was haben Sie von Ihrem Besuch bei der „Bezirksregierung“in Morpeth mitgebracht?
Hülsmann Dort hat man dieselben Probleme wie hier: Wie kann man junge Menschen für die Verwaltung gewinnen? Auch in Morpeth wurde das Rad nicht neu erfunden. Man nutzt ähnliche Instrumente wie bei uns, von Plakataktionen über den Besuch in Schulen bis zur Werbung in sozialen Netzwerken. Geworben wird mit Übernahmegarantien und der Möglichkeit eines dualen Studiums.
Würden Sie anderen Mitarbeitern der Stadt das Programm empfehlen? Bisher soll es ein gutes Dutzend Beratungsgespräche gegeben haben.
Hülsmann Unbedingt. Es ist ein traumhaftes Angebot. Ich kann es nur jedem empfehlen und diene gerne als Multiplikator. In Blyth habe ich viele freundliche und hilfsbereite Menschen kennengelernt.
Dass Sie zum Vorreiter wurden, hat auch mit Ihrem Reiseziel zu tun.
Hülsmann Ja, mit dem Brexit. Ich wollte meinen Besuch vor dem ursprünglich vorgesehenen Austrittstermin abgeschlossen haben. Es ging ja um EU-Fördermittel.
Blieb auch noch Zeit für private Interessen?
Hülsmann Der Auslandsaufenthalt ist kein Urlaub. Aber ich habe beispielsweise das Premier-League-Fußballspiel von Newcastle gegen Everton besucht. Newcastle hat 3:2 gewonnen. Die Stimmung war gigantisch.