Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Eine Steuer, die alle trifft
Die Reform der Grundsteuer steht. Bayern setzt Öffnungsklauseln für die Länder durch. NRW will die Steuer aufkommensneutral gestalten.
BERLIN Ein echtes Lebenszeichen sendet die große Koalition spät in der Nacht. Bei seiner sechsstündigen Sitzung erzielte der Koalitionsausschuss eine Einigung bei der Grundsteuer. Möglich wurde dies dank großer Zugeständnisse an Bayern. Die Regierung von Markus Söder (CSU) hatte darauf bestanden, dass es für die Länder Öffnungsklauseln gibt. Die wichtigsten Fragen.
Wen betrifft die Grundsteuer? Es handelt sich um eine Steuer auf den Besitz von Grundstücken und Gebäuden. Anders als die Grunderwerbssteuer zahlt man sie jedes Jahr – Eigentümer wie Mieter, denn Vermieter können sie über die Nebenkosten umlegen. Bei den meisten Wohnungseigentümern geht es um einige Hundert Euro im Jahr, Besitzer von Mietshäusern müssen dagegen oft vierstellige Beträge berappen.
Wie wurde sie bislang berechnet? Wie viel man zahlt, ist abhängig vom Wohnort, dem Grundstück und dem Gebäude darauf. Das letzte Wort haben die Kommunen – sie legen eigene Hebesätze fest, die enorm viel ausmachen. Im Prinzip werden durch diese Faktoren quer durch Deutschland Tausende unterschiedliche Grundsteuersätze gezahlt. Denn die Hebesätze sind sehr unterschiedlich: 2017 lagen sie in den rund 11.000 deutschen Gemeinden zwischen 0 und 960 Prozent. Für gleich bewertete Häuser können so in der einen Kommune 100, in der anderen fast 1000 Euro Grundsteuer im Jahr fällig werden.
Warum muss die Grundsteuer reformiert werden? Den Wert der Immobilie berechnen die Finanzämter bisher auf Grundlage völlig veralteter Zahlen – von 1935 in Ostdeutschland und von 1964 in Westdeutschland. Das Bundesverfassungsgericht hat deswegen eine Neuregelung bis Ende des Jahres verlangt.
Was ändert sich nun? Das wird vom Bundesland abhängen, in dem man wohnt. Denn einerseits soll gesetzlich geregelt werden, dass der Wert des Bodens und die durchschnittliche Miete bei der Berechnung eine Rolle spielen. Andererseits soll es eine Öffnungsklausel geben, mit der die Länder eigene Regelungen einführen können. Bayern zum Beispiel will allein die Größe des Grundstücks zur Berechnung heranziehen. Egal, für welches Modell sich ein Bundesland entscheidet: Das letzte Wort haben weiter die Kommunen mit ihren Hebesätzen.
Was passiert, wenn die Kommunen an ihren Hebesätzen festhalten?
Würden die Kommunen ihre Hebesätze
beim Modell von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nicht senken, rechnet der Bund der Steuerzahler mit deutlichen Aufschlägen für Immobilieneigentümer und Mieter in Metropolen. „Letztlich darf die notwendige Neuberechnung der Grundstückswerte nicht dazu führen, dass sich die Gemeinden auf dem Rücken der Mieter und Eigentümer die Steuerkassen auffüllen“, sagte Verbandschef Reiner Holznagel. Die Städte drücken aufs Tempo: „Der Zeitdruck bleibt“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy. Nur wenn das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft trete, seien die Einnahmen der Kommunen für 2020 gesichert.
Wie geht es nun weiter? Bei Union und SPD begrüßte man, dass nun ein Kompromiss gefunden wurde. Zwar gab es vereinzelt Widerstand in der SPD-Fraktion gegen die Öffnungsklausel für die Länder, weil man dadurch mehr Bürokratie fürchtet. Insgesamt aber zeigten sich die Koalitionspartner
zufrieden, dass der Gesetzgebungsprozess jetzt angestoßen werden kann. Der kommissarische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel sagte, die SPD habe dennoch ihr „wichtigstes Anliegen“erreicht, dass es „nicht zu einem Steuerwettbewerb zwischen den Ländern kommt“. Dies werde dadurch sichergestellt, dass es für die Grundstückswerte einen „bundeseinheitlichen Bewertungsmaßstab“gebe und dass länderspezifische Regelungen bei der Grundsteuer „keinerlei Einfluss“auf den Länderfinanzausgleich haben würden.
Was sagen die Länder? Die meisten Länder übten sich derweil in Zurückhaltung. „Die abschließende Entscheidung der Bundesregierung über die notwendigen Gesetzentwürfe zur Reform der Grundsteuer und das nachfolgende Gesetzgebungsverfahren in Bundestag und Bundesrat bleiben abzuwarten“, sagte NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU). Die Länderöffnungsklausel werde man hinsichtlich ihres genauen Inhalts und Umfangs sorgfältig analysieren, bevor man Entscheidungen treffe. „Ziel bleibt weiterhin, die Grundsteuer rechtssicher, administrierbar, fair und aufkommensneutral auszugestalten“, sagte Lienenkämper.
Wie reagiert die Wirtschaft? Joachim Lang, Chef des Bundesverbands der Industrie, warnte: „Keinesfalls darf es für Industriegrundstücke zu realitätsfernen und bürokratischen Bewertungsregeln kommen.“Auf jeden Fall müsse der Gesetzgeber die Berechnung der Grundsteuer auf Basis von Bodenrichtwerten korrigieren. „Sonst würde es für Industriegrundstücke oft völlig überhöhte Wertansätze geben - zum Beispiel in der Stadt oder bei großen Produktionsflächen. Hier muss eine unbürokratische Wertkorrektur möglich sein.“