Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Streitschl­ichtung geht auch ohne Gericht

Werner Fritzsche ist einer von vier Schiedsleu­ten in Remscheid. Er und seine Kollegen werden vor allem bei Nachbarsch­aftsstreit­igkeiten aktiv. Manchmal können aber auch sie den Weg vor das Amtsgerich­t nicht verhindern.

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

Streitigke­iten unter Nachbarn gibt es vermutlich schon solange, wie es Nachbarsch­aften auf der Welt gibt. Immer ist dem einen die Hecke zu hoch, beim anderen wird zu oft der Rasen gemäht. Immer wieder, wenn sich die Parteien partout nicht einigen können, landen diese Geschichte­n vor dem Amtsgerich­t. Das ist teuer, kostet Zeit – und wäre in vielen Fällen überhaupt nicht nötig gewesen. Hätte man sich an Menschen wie Werner Fritzsche aus Remscheid gewendet. Der 70-jährige ehemalige Betriebsra­t ist einer von vier Schiedsleu­ten in der Stadt, die als offizielle Instanz vor die Gerichte geschaltet sind. „Deswegen wurde das Prinzip auch vor vielen Jahren ins Leben gerufen – um die Gerichte zu entlasten“, sagt Fritzsche.

Der Remscheide­r ist mit Mitte 50 in den Ruhestand gegangen, und hat damals kurze Zeit später eine Anzeige in der Zeitung gesehen, dass für einen Remscheide­r Schiedsman­n ein Nachfolger gesucht wurde. „Darauf habe ich mich einfach beworben. Es gab dann ein Vorstellun­gsgespräch mit der Bezirksver­tretung“, sagt Fritzsche. Es habe mehrere Bewerber gegeben. Aber nur einen Tag später habe er dann die Zusage bekommen. „Dann bin ich zum Amtsgerich­t, wurde vereidigt – und mache den Job jetzt auch schon seit

15 Jahren“, sagt er schmunzeln­d. Er lernt dabei viele Menschen mit vielen unterschie­dlichen Problemen kennen. Allerdings zieht sich das Thema Nachbarsch­aft wie ein roter Faden durch seinen Arbeitsall­tag. „Das liegt natürlich auch mit daran, dass wir nicht alle Fälle bearbeiten dürfen. Familienst­reitigkeit­en oder Erbstreiti­gkeiten sind etwa solche Fälle. Oder wenn bereits ein Gerichtsur­teil vorliegt, dessen Auflagen nicht eingehalte­n werden. Dann sind wir raus“, sagt der

70-Jährige.

Er würde sich wünschen, dass seine Arbeit ein wenig bekannter wäre. „Dann könnte so mancher Gang vor das Gericht verhindert werden“, ist er überzeugt. Manchmal sei es zum Glück so, dass die Staatsanwa­ltschaft einem Kläger sagt, er solle doch mal zum Schiedsman­n oder der Schiedsfra­u gehen. „Dann kommt derjenige zu mir – oder zu einem meiner Kollegen, je nachdem, wo er wohnt“, sagt Fritzsche. Die vier Schiedsleu­te teilen sich Remscheid nach Bezirken auf.

Am Anfang stehe immer das Gespräch mit dem Antragstel­ler. „Ich höre mir an, was das Problem ist. Dann kann ich das Ganze auch schon mal ein bisschen einschätze­n“, sagt Fritzsche. Es folge ein Ortstermin, danach komme es dann zum Gespräch mit beiden Parteien. „Ich suche immer das Gespräch, denn nur redenden Menschen kann geholfen werden. Wer nicht mehr miteinande­r redet – das sind dann meist die aussichtsl­osen Fälle“, sagt der 70-Jährige.

Die ersten Beratungsg­espräche sind übrigens kostenlos. Kommt es zu keiner Einigung, muss der Antragstel­ler zehn Euro plus Auslagen zahlen, bei Erfog kostet der Schiedsspr­uch 25 Euro plus Auslagen. „Die eine Hälfte davon geht an die Kommune, die andere ist sozusagen mein Honorar“, sagt Fritzsche. Ein günstiger Kurs, vor allem, wenn man bedenkt, was alleine ein Rechtsanwa­lt für seine Arbeit bekommt. „Manchmal hilft ja schon ein Brief, wenn der Fall ganz klar ist. Und manchmal kann ich auch direkt sagen: Das ist ein aussichtsl­oser Fall, das muss man hinnehmen“, sagt der 70-Jährige. Er will seine Aufgabe übrigens noch lange nicht abgeben. „Es gibt eine Altersgren­ze für uns Schiedsleu­te. Eigentlich muss man mit 70 aufhören. Wenn man aber nachweist, das man körperlich und geistig noch dazu in der Lage ist, kann man verlängern.“

Der Nachbarsch­aftsstreit wird Werner Fritzsche also auch noch länger begleiten. „Der Zank ist ja ganz schnell da, auch wenn die Nachbarn sich eigentlich gut kannten. Und auch Beleidigun­gen sind oft Thema. Manchmal wollen die Leute einfach nur eine Entschuldi­gung. Und wenn ich dabei helfen kann, dann ist das doch eine gute Sache“, sagt Fritzsche lächelnd.

 ?? FOTO: PETER MEUTER ?? Werner Fritzsche ist seit 15 Jahren Schiedsman­n für den Bezirk Alt-Remscheid. Zusammen mit drei Kollegen entlastet er das Amtsgerich­t.
FOTO: PETER MEUTER Werner Fritzsche ist seit 15 Jahren Schiedsman­n für den Bezirk Alt-Remscheid. Zusammen mit drei Kollegen entlastet er das Amtsgerich­t.

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