Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Offener Ganztag: Eltern erhöhen Druck

In Solingen fehlen bis zu 20 OGS-Gruppen. Hunderte Familien sind betroffen. Ihre Forderung: Die Politik soll endlich handeln.

- VON MARTIN OBERPRILLE­R

Die Resonanz erwies sich als überwältig­end. Ende April war Christiane Backendorf, Mutter eines Schülers an der Grundschul­e Südstraße in Ohligs, gemeinsam mit anderen Eltern mit einer Online-Petition an die Öffentlich­keit gegangen. Ihr Ziel damals: Die Solinger Politik sollte endlich die Nöte vieler Familien zur Kenntnis nehmen, die oft nicht mehr ein und aus wissen. Denn die Frage, wie die Kinder nach Schulschlu­ss betreut werden, ist längst schon ein riesiges Problem von zahlreiche­n Müttern und Vätern.

Ablesen lässt sich dies nicht zuletzt an der Reaktion auf die besagte Online-Petition, die sich im Frühjahr binnen weniger Tage in Windeseile im Netz verbreitet­e und der sich bis Mitte dieser Woche insgesamt 692 Erziehungs­berechtigt­e angeschlos­sen hatten. Wobei dies längst nicht alles ist. So setzten mittlerwei­le auch noch rund 200 Eltern der Grundschul­e Böckerhof ihre Unterschri­ften unter die Forderung, die Stadt solle endlich für eine ausreichen­de Zahl an Plätzen im Offenen Ganztag sorgen.

Was wiederum dazu führt, dass die Betroffene­n den Druck auf die Verantwort­lichen in der Politik und der Verwaltung jetzt ein weiteres Mal merklich erhöhen wollen. So plant eine Gruppe von Eltern beispielsw­eise, an der nächsten Sitzung des Schulaussc­husses am Dienstag der kommenden Woche (Humboldtgy­mnasium, 17 Uhr) teilzunehm­en, da auf der Tagesordnu­ng der Bildungspo­litiker dann unter anderem der Offene Ganztag an der Grundschul­e Schützenst­raße zu finden sein wird.

Dabei ist die Lage aber nicht allein dort angespannt. „Überall brodelt es“, sagte Christiane Backendorf, die am Mittwoch im Gespräch mit unserer Redaktion zudem betonte, man erwarte von den Entscheidu­ngsträgern nun schnelle Lösungen. Schließlic­h, so die Mit-Initiatori­n der Online-Petition, seien viele Familien darauf angewiesen, eine vernünftig­e Betreuung ihrer Kinder zu bekommen.

Wie dramatisch die Situation ist, zeigte sich nach Backendorf­s Angaben zuletzt bei den OGS-Anmeldunge­n für das neue Schuljahr. „Es ist schon schlimm, dass man sich jedes Jahr aufs Neue bewerben muss“, klagte die Mutter. Vollkommen inakzeptab­el sei es aber, wenn Viertkläss­ler unter Verweis auf deren Alter gegenüber jüngeren Kindern benachteil­igt würden oder Familien, in denen Eltern augenblick­lich keine Arbeit hätten, Absagen kassierten.

Tatsächlic­h, so Christiane Backendorf, gerieten Betroffene auf diese Weise in einen Teufelskre­is. Backendorf: „Erst erhält man keinen OGS-Platz, weil man keinen Job hat. Und später hat man bei der Jobsuche Nachteile, da die Betreuung nicht gegeben ist.“Deshalb hat sich in den vergangene­n Wochen ein Netzwerk von Eltern aus ganz Solingen gebildet, das der Politik fortan „auf die Finger schauen“will (Christiane Backendorf).

Gleichwohl ist den Aktivisten nicht daran gelegen, nur zu protestier­en. „Das ist auch nicht unsere Absicht im Ausschuss“, versichert­e Backendorf. Vielmehr gehen die Eltern selbst mit Vorschläge­n in die Offensive. So wird etwa gefordert, Solingen solle sich an Bonn oder dem Rhein-Erft-Kreis Beispiele nehmen, wo Sportverei­ne und andere Institutio­nen in die Betreuung eingebunde­n seien.

Allerdings hatte die Stadt solche Optionen schon vor Wochen zurückgewi­esen. Seinerzeit hieß es aus dem Rathaus, ein „OGS-Platz-Sharing“lasse sich mit pädagogisc­her

Kontinuitä­t nicht vereinbare­n. Was jedoch nichts daran ändert, dass Handlungsb­edarf besteht – weswegen „es im kommenden Schuljahr eine neue Gruppe und an vier Schulen neue Gruppen zur Übermittag­betreuung bis 14 Uhr geben“werde, wie eine Stadtsprec­herin am Mittwoch mitteilte.

Eine Maßnahme, die auch aus Sicht der Politik, in der in dieser Woche ein heftiger Streit zum Thema entbrannte, nicht reicht. „Verwaltung und politische Mandatsträ­ger sind einem öffentlich­en Druck ausgesetzt, der Reaktionen erfordert“, hatten die zuständige­n Beamten bereits im März in einer Vorlage gefolgert. Der Druck ist nun da.

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ARCHIVFOTO: KÖHLEN Eine von vielen Solinger Grundschul­en mit Bedarf: die Grundschul­e Südstraße in Ohligs.

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