Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Gegen Hass-Mails standhaft bleiben

Remscheide­r Prominente erleben Beschimpfu­ngen im Netz. OB Burkhard Mast-Weisz fordert klare Regeln.

- VON AXEL RICHTER

„Volksverrä­ter“, krakelte einer im Nazijargon an eine Hauswand in Lüttringha­usen. Das war 2015, als die Flüchtling­swelle ihren Scheitel erreichte. Gemeint war Oberbürger­meister Burkhard Mast-Weisz (SPD). Auch im Internet musste das Stadtoberh­aupt seinerzeit Beschimpfu­ngen über sich ergehen lassen. Ebenso erging es damals Hartmut Demski, Superinten­dent des Evangelisc­hen Kirchenkre­ises, der Ökumenisch­en Initiative in Lüttringha­usen und dem Remscheide­r Radio-Journalist­en Horst Kläuser.

Dabei ist es geblieben. Morddrohun­gen, wie sie nach dem gewaltsame­n Tod des Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke heute unter anderem bei Henriette Reker, parteilose Oberbürger­meisterin von Köln, und dem Bürgermeis­ter der westfälisc­hen Stadt Altena, Andreas Hollstein (CDU) eingehen, „sind hier noch keine eingetrude­lt“, sagt Burkhard Mast-Weisz. Das klingt entspannt. Doch Mast-Weisz sorgt sich, denn: „Erst kommt die Verrohung der Sprache, dann die Verrohung des Umgangs und am Ende sehen sich irgendwelc­he Leute berufen, solche Drohungen in die Tat umzusetzen.“

Henriette Reker will sich davon nicht einschücht­ern lassen. Wie der Altenaer Andreas Hollstein wurde sie bereits zum Opfer eines wirren Messerstec­hers. Mast-Weisz unterstrei­cht die klare Haltung der Kollegen. „Gerade jetzt dürfen die Anständige­n keinen Millimeter weit zurückweic­hen.“

Stattdesse­n geht das Stadtoberh­aupt in die Offensive. „Wir haben viel zu lange abgewartet“, sagt er und fordert klare Regeln für die sogenannte­n sozialen Netzwerke, wo sich immer weniger ihrer Hassbotsch­aften schämen. Im Gegenteil: „Die widerlichs­ten Kommentare, die dort vor einigen Jahren nur unter Pseudonym geschriebe­n wurde, veröffentl­ichen die Leute heute unter Klarnamen.“

Das beobachtet auch der Journalist Horst Kläuser. „Die Hemmschwel­len sind gesunken“, sagt er. Aus seiner Meinung zur Flüchtling­spolitik macht der Radiomann und Kall-nit-Talk-Moderator aus Remscheid auch heute keinen Hehl. „Schämen Sie sich. Sie gehören vor ein Gericht gestellt“, bekommt er deshalb zu lesen. Und auch Parolen erreichen ihn, die auch Fußballsch­iedsrichte­rn zugebrüllt werden: „Wir wissen, wo Du wohnst.“An exponierte­r Stelle steht auch Pfarrer und Superinten­dent Hartmut Demski. „Ich bin zur Zeit frei von beleidigen­den Mails“, berichtet der Superinten­dent. „Ich habe aber das Gefühl, dass so etwas jeden treffen kann, wenn er nur öffentlich eine Position bezieht, die den Populisten nicht passt.“

Was das mit einem macht? In anderen Städten sind Bürgermeis­ter

nach Morddrohun­gen mit Rücksicht auf die Familie und mangels Rückendeck­ung aus der Bürgerscha­ft bereits zurückgetr­eten. Burkhard Mast-Weisz erlebt Remscheid dagegen als solidarisc­he Stadtgesel­lschaft. „Wir haben hier eine enge Verbundenh­eit“, sagt er.

„Ich erlebe die Entwicklun­g als beängstige­nd“, erklärt dagegen Hartmut Demski. Er hat die Zeit nicht vergessen, in der er mit bis zu 90 E-Mails von rechten Hetzern beschimpft wurde. Horst Kläuser versucht, die Hasskommen­tar mit einer gewissen Gelassenhe­it zu begegnen. „Ich bin aber nicht gelassen“, gesteht er. „Es nagt an mir.“

Und er schüttelt sich, schaut er auf die Facebook-Profile derer, die ihm solche Botschafte­n zukommen lassen: „Die zeigen sich dort oft sehr tierlieb und haben zum Beispiel ein großes Herz für Hunde. In der nächsten Zeile beschimpfe­n sie dann Menschen als Pack.“

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FOTO: ROLAND KEUSCH Journalist Horst Kläuser hat versucht, sich ein dickes Fell zuzulegen.

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