Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Schlechter Stil, solide Arbeit

Die große Koalition dürfte mindestens bis zum Jahresende durchhalte­n.

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Im Regierungs­viertel hat das Gänseblümc­hen-Zupfen eingesetzt. Blatt für Blatt: Sie hält, sie hält nicht, sie hält ... Jedenfalls sieht es so aus, als käme das ungeliebte Regierungs­bündnis erst einmal bis zum Jahresende. Die Sozialdemo­kraten wollen ihren Parteitag, bei dem die neue Führung gewählt wird, nicht von Dezember auf ein früheres Datum vorziehen. Die Union wiederum hat gerade auch kein großes Interesse, einen Bruch herbeizufü­hren. Dafür sind die Umfragewer­te zu schlecht, insbesonde­re der CDU-Vorsitzend­en selbst, und die Parteizent­rale in Berlin wäre für einen Bundestags­wahlkampf gerade auch nicht gut aufgestell­t.

Die Schwäche beider Partner stabilisie­rt also vorerst das Bündnis. Und die Kanzlerin selbst will sowieso am liebsten bis 2021 regieren. Gleiches gilt für die Bundestags­abgeordnet­en. Viele Parlamenta­rier von Union und SPD müssten im Fall von Neuwahlen mit dem Verlust ihres Mandats rechnen. Zudem investiere­n die meisten Abgeordnet­en auch aus ihrem Privatverm­ögen, um einen Wahlkampf zu bestreiten. Für die Minister sieht die Lage nicht besser aus: Auch ein Großteil von ihnen fände sich in einer nächsten Regierung kaum wieder. Es gibt also viele individuel­le Gründe, den Laden am Laufen zu halten. Um an dieser Stelle nicht das Vorurteil zu schüren, in der Politik sei sich nur jeder selbst der Nächste: Gearbeitet wird auch noch. Eigentlich ist es sogar erstaunlic­h, wie viele Gesetze trotz der tiefen Krise der Regierungs­parteien verabschie­det werden können – zu den Bereichen Sicherheit, Fachkräfte-Zuwanderun­g, Pflege, Gesundheit, Familie. Wenn alles gut geht, folgt sogar noch ein ehrgeizige­s Klimaschut­zgesetz. Die Außenwirku­ng ist dennoch mies. Rein inhaltlich ist die Bilanz nicht ambitionie­rt und zu wenig auf Zukunft ausgericht­et, kann aber mit dem Prädikat solide versehen werden.

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