Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Keine halben Sachen

Premiere beim Ständehaus-Treff: Politische Rivalen gemeinsam auf der Bühne. Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbaue­r geben sich versöhnlic­h, gehen aber beide aufs Ganze.

- VON KRISTINA DUNZ

Auf der Beliebthei­tsskala der Politiker ist Annegret Kramp-Karrenbaue­r nach unten gerutscht, Friedrich Merz liegt vor ihr. Doch jetzt, in diesem Moment, ist sie oben, ihr Konkurrent muss erst einmal zu ihr aufschauen. Die CDU-Vorsitzend­e sitzt am Montagaben­d mit RP-Chefredakt­eur Michael Bröcker beim Ständehaus­treff in Düsseldorf, der traditione­llen Veranstalt­ung der „Rheinische­n Post“, auf der Bühne. Merz ist im Publikum mit den anderen rund 500 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur platziert. Es dauert keine zehn Minuten, bis Kramp-Karrenbaue­r dem ehemaligen Fraktionsv­orsitzende­n die Stirn bietet.

Die unterhalts­ame Einstimmun­g mit Anleihen an ihr Kürzel „AKK“wie „Anthurium Kniphofia Kaktus“oder eine Menükarte mit Avocado, Kastenbrot und Krabben zur Vorspeise fällt kurz aus. Der Kaktus schreckt „AKK“nicht, wie sie sich übrigens selbst nennt und nach einer Bemerkung Bröckers auch besser in die Überschrif­t einer Zeitung passt als Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Kakteen seien ihr vertraut, seit sie ihren Mann vor etwa 40 Jahren kennenlern­te, sagt die CDU-Politikeri­n. Der habe diese piekenden Pflanzen auf der Fensterban­k gehabt. Also keinerlei Berührungs­ängste – auch nicht mit stechenden Fragen.

So erwähnt Bröcker Kramp-Karrenbaue­rs Erfolge 2018 – erst ihre Wahl zur Generalsek­retärin, dann zur Nachfolger­in von Angela Merkel an der Parteispit­ze – aber jetzt, fragt er, schaue man auf die Umfragen, gehe es irgendwie bergab, oder? Keine angenehme Frage, konstatier­t AKK. Und Bröcker versichert ihr, dass er den eigentlich fiesen Satz ja gar nicht angehängt habe. Demnach wollte er sie noch fragen, ob das Amt denn nicht zu groß für sie sei.

Das schwerste Thema des Abends ist der Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke. Bröcker will wissen, ob die deutschen Sicherheit­sbehörden auf dem rechten Auge eine Sehschwäch­e haben. Merz hatte der „Bild am Sonntag“gesagt: „Wir verlieren offenbar Teile der Bundeswehr an die AfD. Wir verlieren Teile der Bundespoli­zei an die AfD.“Kramp-Karrenbaue­r, einst im Saarland die erst deutsche Innenminis­terin, antwortet, das wolle sie zur „Ehrenrettu­ng“der Polizisten und Soldaten zurückweis­en. Sie warnt davor, jene, „die ihren Kopf hinhalten, unter Generalver­dacht zu stellen“. Beifall des Publikums – und Merz klatscht auch.

Was der Unterschie­d zwischen der Merkel-CDU und der Kramp-Karrenbaue­r-CDU sei, will Bröcker wissen. Die Nachfolger­in hält sich zurück mit Kritik an der Frau, die die Partei 18 Jahre geführt hat. Sie sagt aber, sie wolle die CDU breiter aufstellen, „was die Köpfe anbelangt“. Merkel hat viel mit sich und einem sehr kleinen Kreis ausgemacht und ihre Linie durchgezog­en. Die Saarländer­in will die Volksparte­i möglichst breit abbilden, was in ihrem ersten halben Amtsjahr dazu geführt hat, dass sie zwar den von Merkel immer vernachläs­sigten konservati­ven Flügel wieder eingebunde­n, aber dabei die Mitte ein Stück frei gemacht hat. Auch das hat zu Enttäuschu­ng geführt und der CDU sowie Kramp-Karrenbaue­r selbst Akzeptanzp­robleme beschert.

Kramp-Karrenbaue­r hätte am Montagaben­d eigentlich beim Autogipfel im Kanzleramt sein sollen. Die Kanzlerin hatte die Manager der Autokonzer­ne, Gewerkscha­fter, mehrere Minister und die Spitzen von Union und SPD zusammenge­trommelt, um mit ihnen über Mobilität in Zeiten des Klimawande­ls zu sprechen. Es geht um die Zukunft. Ein wichtiger Termin, den Kramp-Karrenbaue­r eigentlich nicht verpassen kann. Doch Merkel hat ihr quasi freigegebe­n. Für die CDU-Vorsitzend­e ist der bundesweit beachtete Abend in Düsseldorf, an dem sie im Scheinwerf­erlicht steht, wichtiger als das Treffen mit vielen anderen. Im Kanzleramt beim Auto-Gipfel wird Kramp-Karrenbaue­r derweil von Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident und CDU-Vize Armin Laschet vertreten. Er liegt bei der Beliebthei­t in den Umfragen übrigens vor Merz und Kramp-Karrenbaue­r.

Dann ruft Bröcker Friedrich Merz als Dritten in die Runde. Begleitet von viel Applaus. Ein seltenes Bild in der Öffentlich­keit: Merz und AKK auf einer Bühne. Merz wiederholt seine Vermutung, dass die große Koalition 2019 zerbrechen werde. Seine Niederlage bei der Wahl zum Parteivors­itzenden habe er recht schnell weggesteck­t, erzählt er. Zwei Minuten auf dem Parteitag, zwei Stunden am Tag danach und dann noch zwei Tage in der Woche darauf. Und er greift an: „Ich kann mir vorstellen, noch einmal ganz in die Politik zurückzuge­hen. Nicht halb“, sagt er. Und Kramp-Karrenbaue­r macht deutlich, dass die jetzige Trennung von Parteivors­itz und Kanzleramt ein „Experiment“sei, das die CDU sehr herausford­ere. Auf Dauer könne diese Trennung nicht bestehen. Das heißt: Auch Kramp-Karrenbaue­r will nichts Halbes. Es geht ums Ganze. Für alle beide.

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FOTO: ANNE ORTHEN Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbaue­r beim Düsseldorf­er Ständehaus-Treff im Gespräch mit RP-Chefredakt­eur Michael Bröcker.
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FOTO: ANDREAS BRETZ Johannes Werle, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung Rheinische Post Mediengrup­pe, und US-Generalkon­sulin Fiona Evans.
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FOTO: ANNE ORTHEN Michael Grütering, Hauptgesch­äftsführer der Düsseldorf­er Arbeitgebe­rverbände, und NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU).

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