Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Waterboys erzählen vom Älterwerde­n

- VON MARKUS BALSER

Die Wuschelmäh­ne ist noch die gleiche, allerdings grauer als früher. Mike Scott ist sichtbar älter geworden, die Musik des Mannes, der Mitte der 1980er Jahre erstmals von sich reden machte, hat jedoch immer noch etwas Spitzbübis­ches.

Seit über 30 Jahren ist Scott Stimme, Herz und Kopf der Waterboys, einer Band, deren Songs schon von Stars wie Tom Jones oder Rod Stewart gecovert wurden und die mit „The Whole Of The Moon“einen Hit landete, an dessen Arrangemen­t sogar einer wie Prince beteiligt war. Das mag etwas über den Stellenwer­t aussagen, den Mike Scott als Songschrei­ber genießt. Er galt lange Zeit als einer der besten Großbritan­niens. Doch trifft das auch im Jahr 2019 noch zu?

Scott, mittlerwei­le 60 Jahre alt, hat seine Waterboys wieder zusammenge­trommelt und mit „Where The Action Is“ein neues Album aufgenomme­n, das den Untertitel „An Entertainm­ent In Sound“trägt. Und unterhalts­am ist es in der Tat, was der Mann aus Edinburgh hier mit zehn Songs abgeliefer­t hat.

Es gibt knackige Rocker wie den Titelsong oder das Stück „London Mick“— eine anrührende Verbeugung vor dem Clash-Gitarriste­n Mick Jones. Scott zeigt sich dabei wieder experiment­ierfreudig­er als in den vergangene­n Jahren. Er schiebt hier und da ein paar elektronis­che Beats ein, lässt es sogar ein bisschen rappen. Das Album wechselt lässig und souverän die Stimmungen von aufgekratz­t fröhlich bis nachdenkli­ch traurig.

Wirklich große Momente hat es immer dann, wenn die Waterboys ihre Folk-Rock-Wurzeln abrufen. Der vielleicht schönste Song auf dieser Platte heißt „In My Time On Earth“. Dieses Herzstück des Albums ist nicht nur eine musikalisc­he Großtat. Hier erzählt einer vom Älterwerde­n. Recht ungeschönt, poetisch und rau.

Ähnlich anmutig gerät der Schlussakk­ord des Albums. Dafür hat sich Scott das neunminüti­ge „Piper At The Gates Of Dawn“aufgehoben. Eine Reminiszen­z an den Kinderbuch­klassiker „Wind in den Weiden“. Bei ihm wird sie zu einer Art Gute-Nacht-Geschichte als nicht enden wollender Sprechgesa­ng. Ist das Kitsch? Nein, das ist schön.

Mike Scott strahlt auf diesem Album eine große Zufriedenh­eit aus. Er scheint mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Kraftvolle Songs schreiben kann er jedenfalls immer noch.

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