Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die Tumorkonferenz
Bei vielen Krebskranken entscheidet eine Tumorkonferenz über individuelle Therapien. Dadurch steigen die Überlebensraten deutlich.
Unsere Leserin Heide F. (63) aus Linnich fragt: „Der Knoten in meiner Brust ist ein Krebs. Die Ärzte wollen aber nicht gleich operieren, sondern erst in einer Tumorkonferenz darüber diskutieren. Ein schlechtes Zeichen?“
Mechthild Schulze-Hagen
Im Gegenteil, es ist ein gutes Zeichen. Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms haben sich in den letzten Jahren radikal verändert. Brustkrebs ist zu einer heilbaren Erkrankung geworden. Die Überlebensrate nach fünf Jahren übersteigt gerade die 90-Prozent-Marke. Das ist sensationell und ein Erfolg der modernen Forschung auf dem Feld der Onkologie. Noch vor zehn Jahren war das Vorgehen klar, einfach und einheitlich: Operation, Chemotherapie, Bestrahlung. In vielen Fällen half das, aber oft um den hohen Preis beträchtlicher Nebenwirkungen. So gehören alle Medikamente, die als Chemotherapie benötigt werden, zu den Zellgiften. Diese sollen den Tumor treffen, haben aber selbstverständlich auch Auswirkungen auf gesunde Zellen. Deshalb werden ständig neue, zielgerichtete Substanzen entwickelt, die ausschließlich auf Tumorzellen wirken sollen.
Dabei haben die Ärzte gelernt, dass jeder Tumor seine eigenen biologischen Merkmale besitzt, ähnlich wie jeder einzelne Mensch ein Individuum ist. Darum ist es für die Prognose des Krankheitsverlaufes so wichtig, möglichst noch vor Beginn der Behandlung genaue Informationen über den Tumor und seine Biologie zu erhalten. Mit einer Biopsie werden Gewebsproben entnommen und den Pathologen zur Analyse übersandt. Die untersuchen im Labor bis zu 60 verschiedene Tumorgene und andere Marker. Welche Faktoren in welcher Menge nachweisbar sind, diese Informationen entscheiden über die Festlegung eines beinahe passgenauen Behandlungsplanes. An Bedeutung haben dabei die neuen Wirkstoffe gewonnen, deren Palette für Nichtspezialisten unübersichtlich groß geworden ist.
Oft kann auf OP oder Bestrahlung verzichtet werden
Anhand der diagnostischen Informationen und therapeutischen Möglichkeiten muss ausgewählt werden, welches Behandlungskonzept für die jeweilige Patientin das beste ist. Denn eine Strategie, die im einem Fall Heilung bringt, spricht vielleicht beim nächsten nur gering oder gar nicht an. Dann muss ein anderes Schema her. Immer öfter kann auf Chemotherapie, Operation oder Bestrahlung verzichtet und damit eine Übertherapie vermieden werden. All das zeigt, dass die Behandlung des Brustkrebses viel differenzierter und viel komplizierter geworden ist. Deshalb ist die Tumorkonferenz, in der Spezialisten der verschiedenen Fachrichtungen die individuell zugeschnittene Behandlung eines Krebskranken festlegen, heute unentbehrlich.