Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Das teure Erbe von Dieter Zetsche
Der Nachfolger des langjährigen Daimler-Chefs ist erst knapp einen Monat im Amt und muss schon die erste Gewinnwarnung verkünden. Der Diesel-Skandal wirkt nach. Für die Mitarbeiter gibt es immerhin eine gute Nachricht.
(dpa) Die ersten Wochen an der Daimler-Spitze stehen für den neuen Vorstandschef Ola Källenius unter keinem guten Stern. Mit einer Absatzflaute ohnehin schwach ins Jahr gestartet, wird der Autobauer erneut von der Affäre um mutmaßlich manipulierte Diesel-Motoren eingeholt. Eine kurze Pflichtmitteilung an die Börse begrub am Sonntagabend erst einmal die Hoffnung auf Besserung. Daimler kassiert darin die Prognose für das laufende Jahr und korrigiert sie nach unten. Im operativen Geschäft soll das Ergebnis nun nicht mehr leicht zulegen, sondern lediglich die Größenordnung von 2018 erreichen – und die war, gemessen an den Daimler-Maßstäben, nicht allzu gut.
Eine gute Nachricht gab es am Montag hingegen für die Beschäftigten: Der geplante und schon vor einigen Monaten angekündigte Sparkurs soll ohne den Abbau von Arbeitsplätzen umgesetzt werden. Unternehmen und Betriebsrat haben eine entsprechende Vereinbarung ausgehandelt, wie Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht sagte: Vor betriebsbedingten Kündigungen sind die Beschäftigten zwar ohnehin geschützt, ein Abfindungsprogramm oder ähnliches werde es nun aber auch nicht geben. „Es wird kein Geld in die Hand genommen, um Menschen zu suchen, die das Unternehmen verlassen.“
Källenius‘ Vorgänger Dieter Zetsche hatte schon bei der Vorstellung der Bilanz für 2018, die deutlich schwächer ausgefallen war als im Jahr davor, Gegenmaßnahmen angekündigt, um Daimler wieder profitabler zu machen. Källenius, zuvor Entwicklungsvorstand, und der ebenfalls neue Finanzchef Harald Wilhelm sind erst seit gut einem Monat im Amt und mussten nun prompt eine Gewinnwarnung verkünden.
Diese sei bereits die dritte innerhalb von zwölf Monaten und als Erbe des vorherigen Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche zu sehen, sagt Analyst Frank Schwope von der Nord LB: „Ola Källenius stehen noch einige Aufräumarbeiten bevor.“Denn: Aus vermeintlichen Verwicklungen in Diesel-Manipulationen in den USA und dem potenziellen Kartell-Skandal könnten theoretisch weitere Milliarden-Belastungen resultieren.
Am Freitag erst hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen Pflicht-Rückruf für rund 60.000 weitere Diesel-Fahrzeuge von Mercedes-Benz verhängt, weil es darin eine aus seiner Sicht illegale Abgastechnik entdeckt hat. Daimler selbst ist der Auffassung, dass die Funktion in Ordnung ist, und betont, sie den Behörden selbst offengelegt zu haben. Es ist nicht der erste amtlich verordnete Rückruf für den Konzern: Für 690.000 andere Autos hatte das KBA schon 2018 einen verhängt.
Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, rief Daimler dazu auf, den Kunden jetzt entgegenzukommen und Betroffene zügig zu entschädigen. „Statt einen langwierigen Rechtsstreit mit dem Kraftfahrt-Bundesamt zu führen, sollte der Daimler-Konzern schnell für Klarheit sorgen. Die Betroffenen haben mehr als ein Software-Update verdient“, forderte er. Ein Zwangsrückruf sei nicht nur ärgerlich, es drohe auch ein Wertverlust des Fahrzeugs.
Daimler kündigte an, für „verschiedene laufende behördliche Verfahren und Maßnahmen bei Mercedes-Benz Dieselfahrzeugen“zusätzlich einen hohen dreistelligen Millionenbetrag zurückzustellen. Das wird zunächst das operative Ergebnis im laufenden zweiten Quartal beeinflussen, letztlich aber auch das Ergebnis für das komplette Jahr 2019. Für die Van-Sparte rechnet Daimler nun sogar mit einem Verlust.