Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Marta und Klose sind jeder für sich WM-Rekordhalter
Natürlich ist es verführerisch, alles, das mit dem gleichen Namen vermarktet wird, auch miteinander vergleichen zu wollen. Was irgendwann mal als sportlicher Wettstreit gedacht war, ist mittlerweile aber vor allem eines: ein gigantisches Geschäft. Der Weltverband Fifa ist besonders darum bedacht, Gewinne zu maximieren. Der Männerfußball ist in der Hinsicht weitestgehend ausgereizt. Sofern die Rechte nicht für Milliarden an Scheichs verkauft werden können, sind die allermeisten Einnahmequellen längst erschlossen. Die Fifa hat sich deshalb auf andere Expansionsfelder konzentriert. Der Frauenfußball verspricht ein gigantisches Wachstumspotential
und wird deshalb intensiv begleitet.
Das ist auch völlig in Ordnung. Der Markt wird schlußendlich regulieren, ob es für ein weiteres Format auf der großen Bühne auch Bedarf gibt. Was allerdings in großem Maße Töricht ist: die ständigen Vergleiche zwischen Frauen- und Herrenturnieren. Unlängst hat die Brasilianerin Marta in der Vorrunde in Frankreich einen Rekord aufgestellt. 17 Tore hat die 33 Jahre alte Offensivkraft nun bei Weltmeisterschaften erzielt. Eine mehr als respektable Leistung. Doch das reicht offenbar nicht mehr, um es angemessen zu würdigen. Nun, so wird allenthalben kundgetan, ist es besonders wichtig zu betonen, Marta sei Rekordtorschützin bei allen Weltmeisterschaften. Sie würde damit also noch vor Miroslav Klose rangieren, der 16 Tore bei seinen Turnierteilnahmen erzielen konnte.
Eine solche Zählweise schadet – besonders dem Frauenfußball. Denn es drängt dieses großartige Format in einen komplett unsinnigen Wettbewerb. Frauenfußball ist eine für sich eigenständige Disziplin. Und das ist auch gut so. Frauenfußball muss sich nicht ständig erklären und rechtfertigen, warum das Spiel möglicherweise etwas langsamer ist. Langsamer im Vergleich zu was? Und der Maßstab soll der Männerfußball sein? Warum? In vielen anderen Sportarten ist der Reifeprozess schon deutlich weiter. Da wird nicht ständig verglichen, die Unterschiede werden akzeptiert. Genau diese Gelassenheit fehlt im Fußball noch komplett. Frauen müssen grundsätzlich alle Möglichkeiten offen stehen, die auch den Männern offen stehen. Kann eine Frau einen Männer-Bundesligisten trainieren? Natürlich kann sie das.
Alles andere muss sich entwickeln. Hierzulande sind indes viele Fördermaßnahmen verschlafen worden. Der Zuschauerschnitt der Bundesliga ist auf unter 900 Zuschauer gefallen. Nur an wenigen Standorten (Potsdam, Wolfsburg, Frankfurt und Essen) kommen Fans in vierstelliger Zahl. Die Vertretung des FC Bayern München, immerhin Meister 2016, spielt zumeist vor fast leeren Rängen im Grünwalder Stadion. Warum ist das so? Der DFB hat zu wenig in das Produkt Frauenfußball investiert. Nach der Heim-WM 2011 war die Luft ziemlich schnell wieder raus. In anderen Ländern sind das Engagement und damit die Entwicklungsmöglichkeiten deutlich größer. Alleine in den europäischen Verbänden gibt es mittlerweile 1,4 Millionen Spielerinnen. In Deutschland stagniert dagegen alles ein wenig. Wer den Frauenfußball wirklich fördern will, der beachtet ihn auch abseits eines Großereignisses wie WM, EM oder den Olympischen Spielen. Eine Sportart, die sich nicht vergleichen lassen muss, weil sie ihre ganz eigenen Stärken hat.