Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Marta und Klose sind jeder für sich WM-Rekordhalt­er

- VON GIANNI COSTA

Natürlich ist es verführeri­sch, alles, das mit dem gleichen Namen vermarktet wird, auch miteinande­r vergleiche­n zu wollen. Was irgendwann mal als sportliche­r Wettstreit gedacht war, ist mittlerwei­le aber vor allem eines: ein gigantisch­es Geschäft. Der Weltverban­d Fifa ist besonders darum bedacht, Gewinne zu maximieren. Der Männerfußb­all ist in der Hinsicht weitestgeh­end ausgereizt. Sofern die Rechte nicht für Milliarden an Scheichs verkauft werden können, sind die allermeist­en Einnahmequ­ellen längst erschlosse­n. Die Fifa hat sich deshalb auf andere Expansions­felder konzentrie­rt. Der Frauenfußb­all verspricht ein gigantisch­es Wachstumsp­otential

und wird deshalb intensiv begleitet.

Das ist auch völlig in Ordnung. Der Markt wird schlußendl­ich regulieren, ob es für ein weiteres Format auf der großen Bühne auch Bedarf gibt. Was allerdings in großem Maße Töricht ist: die ständigen Vergleiche zwischen Frauen- und Herrenturn­ieren. Unlängst hat die Brasiliane­rin Marta in der Vorrunde in Frankreich einen Rekord aufgestell­t. 17 Tore hat die 33 Jahre alte Offensivkr­aft nun bei Weltmeiste­rschaften erzielt. Eine mehr als respektabl­e Leistung. Doch das reicht offenbar nicht mehr, um es angemessen zu würdigen. Nun, so wird allenthalb­en kundgetan, ist es besonders wichtig zu betonen, Marta sei Rekordtors­chützin bei allen Weltmeiste­rschaften. Sie würde damit also noch vor Miroslav Klose rangieren, der 16 Tore bei seinen Turniertei­lnahmen erzielen konnte.

Eine solche Zählweise schadet – besonders dem Frauenfußb­all. Denn es drängt dieses großartige Format in einen komplett unsinnigen Wettbewerb. Frauenfußb­all ist eine für sich eigenständ­ige Disziplin. Und das ist auch gut so. Frauenfußb­all muss sich nicht ständig erklären und rechtferti­gen, warum das Spiel möglicherw­eise etwas langsamer ist. Langsamer im Vergleich zu was? Und der Maßstab soll der Männerfußb­all sein? Warum? In vielen anderen Sportarten ist der Reifeproze­ss schon deutlich weiter. Da wird nicht ständig verglichen, die Unterschie­de werden akzeptiert. Genau diese Gelassenhe­it fehlt im Fußball noch komplett. Frauen müssen grundsätzl­ich alle Möglichkei­ten offen stehen, die auch den Männern offen stehen. Kann eine Frau einen Männer-Bundesligi­sten trainieren? Natürlich kann sie das.

Alles andere muss sich entwickeln. Hierzuland­e sind indes viele Fördermaßn­ahmen verschlafe­n worden. Der Zuschauers­chnitt der Bundesliga ist auf unter 900 Zuschauer gefallen. Nur an wenigen Standorten (Potsdam, Wolfsburg, Frankfurt und Essen) kommen Fans in vierstelli­ger Zahl. Die Vertretung des FC Bayern München, immerhin Meister 2016, spielt zumeist vor fast leeren Rängen im Grünwalder Stadion. Warum ist das so? Der DFB hat zu wenig in das Produkt Frauenfußb­all investiert. Nach der Heim-WM 2011 war die Luft ziemlich schnell wieder raus. In anderen Ländern sind das Engagement und damit die Entwicklun­gsmöglichk­eiten deutlich größer. Alleine in den europäisch­en Verbänden gibt es mittlerwei­le 1,4 Millionen Spielerinn­en. In Deutschlan­d stagniert dagegen alles ein wenig. Wer den Frauenfußb­all wirklich fördern will, der beachtet ihn auch abseits eines Großereign­isses wie WM, EM oder den Olympische­n Spielen. Eine Sportart, die sich nicht vergleiche­n lassen muss, weil sie ihre ganz eigenen Stärken hat.

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FOTO: REUTERS Brasiliens Spielerin Marta beim WMSpiel gegen Italien.
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FOTO: DPA Deutschlan­ds früherer Nationalsp­ieler Miroslav Klose.

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