Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Vogelsang-Schüler erinnern an die Solinger Opfer der Nazis
Zahnpasta und Spülmittel zum Scheuern, Wasser zum Abspülen – und dann glänzte der Stolperstein vor dem Haus Erbenhäuschen 88 wieder. Lena und Pia, beide aus der Klasse 9a des Gymnasiums Vogelsang, hatten die eigentliche Schrubberei übernommen.
Die gesamte Klasse unter der Leitung von Lehrer Tim Lattmann ist neuer Pate dieses Gedenksteins für Josef Becker. Der Familienvater einer kleinen Tochter und im Beruf Eisenbahner hatte sich an Flugblatt-Aktionen gegen das Hitler-Regime beteiligt und politisch Verfolgte unterstützt. Dafür wurde er 1937 von der Gestapo verhaftet und im Verhör zu Tode gequält.
Dieser und andere Stolpersteine im Bereich Gräfrath bis zur Hasseldelle sind nun „Patenkinder“der neunten Klassen des Gymnasiums Vogelsang. Zuvor waren sie von der nun nicht mehr existenten Hauptschule Central gepflegt worden. Die 121 im Solinger Stadtgebiet verlegten Stolpersteine aus Messing zum Gedenken an Opfer des NS-Gewalt-Regimes werden einmal im Jahr gesäubert, damit sie im Bürgersteigpflaster neben den verschiedenen Hydranten überhaupt auffallen und ihren Zweck des „Innehaltens und Bewusstwerdens“erfüllen können, erklärte Daniela Tobias, Koordinatorin der Putzaktionen mit den Schulen.
Im vergangenen Jahr hatte sie diese Patenschaften für Stolpersteine angeregt und initiiert. Als eine gute Möglichkeit, Geschichtsunterricht vor Ort zu halten. Ein Aspekt, den Tim Lattmann genauso sieht: „Für die Schüler und Schülerinnen ist es noch einmal intensiver, eine konkrete Person zu beleuchten und anhand ihres Schicksals das Ausmaß der ungerechten und grausamen Geschehnisse der damaligen Zeit zu verinnerlichen, als nur allgemeine Informationen zu bekommen.“
In seinem Geschichtsunterricht bat er folglich die Jugendlichen, selbstständig eine Form und einen Ablauf der Putzaktion für Josef Becker zu entwickeln. Schnell
Tim Lattmann
Lehrer
sei klar gewesen, dass mehr passieren müsse, als nur zu wissen. Eine zartrosa, kaum erblühte Hortensiendolde war der Schlusspunkt ihrer ernsten Feierlichkeit. Ein Symbol für das nicht zu Ende gelebte Leben des Mittdreißigers, der für seine politische Wachsamkeit und sein konsequentes Stehen zur Demokratie von NS-Handlangern getötet wurde.
Viele Schülerinnen und Schüler hatten persönliche Worte verfasst und trugen sie vor. „Josef Becker, ich gedenke Deiner wegen Deines Muts, zu Deiner Gesinnung zu stehen“, war beispielsweise einer der berührenden Sätze, die in den sonnigen Morgen hinein gesprochen wurden.
Andere handelten von Respekt für die Aufrichtigkeit, die Becker mit einem Tod ohne Begräbnis bezahlen musste. Außerdem wurde Bestürzen über die unwürdige Behandlung geäußert, die Josef Becker ertragen musste. „Denkt daran, dass das damals nicht irgendwo geschehen ist, sondern hier, in unserer Stadt“, mahnte Tim Lattmann am Ende.
Nach einer Schweigeminute wurde zusammengeräumt: Ein weiterer Stolperstein stand auf der Putzliste – der von Emil Heyer an der Hasseldeller Straße.
„Denkt daran, dass das damals nicht irgendwo geschehen ist, sondern hier, in unserer Stadt“