Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Raus aus meiner Partei!
Annegret Kramp-Karrenbauer lässt Justiziare prüfen, wie die Christdemokraten AfD-nahe Mitglieder loswerden können. Ein heikles, aber konsequentes Unterfangen. Erst recht vor den Landtagswahlen im Osten.
Dass die CDU-Spitze einmal so machtlos erscheint wie die Kollegen von der SPD, will Annegret Kramp-Karrenbauer unbedingt verhindern. Dabei geht es jetzt nicht um die Führung der Partei an sich, die inzwischen auch bei den Christdemokraten durch interne Querschläge destabilisiert wird. Es dreht sich um die Frage, wie ein Mitglied wegen parteischädigenden Verhaltens ausgeschlossen werden kann.
Die SPD-Spitze versucht an diesem Mittwoch zum dritten Mal, ihr Mitglied Thilo Sarrazin wegen umstrittener Äußerungen in seinen Büchern aus der Partei auszuschließen. Kurz gefasst will sie nicht, dass die SPD mit jemandem in Verbindung gebracht wird, der gegen Muslime und Migranten wettert. Die gesetzlichen Hürden sind aber hoch. Es muss ein schwerer Schaden für die Partei nachgewiesen werden etwa aufgrund eines vorsätzlichen oder erheblichen Verstoßes gegen parteiinterne Normen. Das gibt Raum für Interpretationen. Wer die Energie hat, den Rechtsweg auszureizen, könnte womöglich bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Sarrazin, ehemaliger Berliner Finanzsenator und Bestseller-Autor, ist keiner, der einlenken will.
Die CDU würde auch gern ein paar Mitglieder loswerden. Und zwar erst einmal jene, die nach dem Mord an dem christdemokratischen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke – mutmaßlich durch einen Rechtsextremisten – weiterhin die Nähe zur AfD suchen und den Parteitagsbeschluss vom Dezember missachten, wonach die CDU jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ablehnt. Kramp-Karrenbauer macht die AfD für geistige Brandstiftung verantwortlich. Weil sie aber gerade von der SPD Anschauungsunterricht im Fall Sarrazin bekommt, will sie sicher gehen, sich nicht zu blamieren, wenn sie
zur großen Keule greift. Deshalb lässt sie Justiziare der Partei die Satzung und das Parteiengesetz prüfen, wo eingegriffen werden kann, wenn gegen den Parteitagsbeschluss verstoßen wird. „Denn ich will sicher sein, dass das, was ich ankündige als Maßnahme, auch umgesetzt werden kann“, betonte sie am Montagabend beim „Ständehaustreff“der RP. Es sei sehr schwer, jemanden aus einer Partei auszuschließen. Es sei aber nicht hinnehmbar, „ernsthaft davon zu reden, die CDU könne mit der AfD zusammenarbeiten oder koalieren oder kooperieren“. Die CDU-Chefin holte sich dafür die ausdrückliche Unterstützung von Bundesvorstand und Präsidium, damit sie hinterher nicht wieder allein im Regen steht, wenn etwas schiefgeht. Allerdings gab sie wohl mehr preis, als anderen lieb war: Die Bundes-CDU ist nach ihren Angaben mit dem NRW-Landesverband im Fall des Parteimitglieds Max Otte „im Gespräch“. Die NRW-CDU erklärte am Dienstag aber auf Nachfrage: „Wir kommentieren keine Parteiausschlussüberlegungen.“
Die Vorstufe zu einem Parteiausschlussverfahren ist jetzt, Druck auf Mitglieder auszuüben und ihnen vielleicht ein bisschen Angst zu machen, dass sie die CDU als politische Heimat verlieren könnten, auch wenn sie ihr, wie Otte, seit Jahrzehnten angehören. Er hatte getwittert, dass der „Mainstream“und „die Medien“den Mord an Lübcke zur Hetze gegen die „rechte Szene“nutzten. Später distanzierte er sich davon und entschuldigte sich. Von dem Vorgehen der Parteispitze zeigt er sich aber unbeeindruckt. Auf Anfrage teilt er mit, er rechne weder mit einem Parteiausschlussverfahren noch mit einer juristischen Prüfung. Den Abgrenzungsversuch der CDU-Spitze nennt er eine „Verzweiflungstat einer einstmals großen Volkspartei, die anscheinend teilweise ihren Kompass verloren hat“. Es sollte klar sein, dass demokratische Parteien und deren Mitglieder miteinander sprechen könnten. „Wenn ich
„Jeder muss mit einer klaren Antwort der
Partei rechnen“Annegret Kramp-Karrenbauer
CDU-Vorsitzende
als einfaches CDU-Mitglied die Meinung äußern würde, dass eine Koalition mit der AfD sinnvoll wäre, vielleicht sogar das einzig Richtige, dann ist das genau dies: eine Meinungsäußerung.“Kramp-Karrenbauer meint es aber ernst. Sie mahnt, jeder könne äußern, was er wolle. „Aber er muss damit rechnen, dass es eine ganz klare Antwort der Partei gibt.“Sie befürchtet, dass die CDU ohne glasklare Abgrenzung zur AfD viele Mitglieder verlieren wird. Die bevorstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland, wo die AfD in den Umfragen zum Teil stärkste Kraft ist, dürften eine Zerreißprobe werden. In Sachsen-Anhalt wünschen sich CDU-Mitglieder eine Versöhnung des „Sozialen mit dem Nationalen“. Das löst Übelkeit im Konrad-Adenauer-Haus aus.
Nicht zu vergessen ist aber auch der zweite Passus in jenem Parteitagsbeschluss vom Dezember: Auch mit der Linken soll es keine Zusammenarbeit geben. Dann könnte eine Regierungsbildung im Osten schwer werden.
Mit Otte will übrigens auch die erzkonservative Werte-Union in der CDU nichts zu tun haben, mit der wiederum Parteispitzen nichts zu tun haben wollen. Der Vorsitzende Alexander Mitsch verweist darauf, dass seine Gruppe selbst zu einem Parteiausschlussverfahren gegen Otte geraten habe, der Mitglied der Werte-Union ist. Es zeuge von „roher Denkweise“, wenn jemand versuche, einen Mord „politisch auszuschlachten“. Der womöglich erfolgversprechendere Fakt sei aber, dass Otte Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung sei. Mitsch sagt: „Grundsätzlich ist es richtig, dass sich die CDU von Extremisten und Radikalen von rechts und von links abgrenzt. Es ist aber auch wichtig, Mitglieder und Wähler der AfD nicht pauschal zu verurteilen.“Sonst sei ein Dialog unmöglich. Auch ihm sei Gewalt angedroht worden, weil die „roten Schweine“von der Werte-Union die „echten letzten Patrioten“rauswerfen wollten. Der letzte Satz der E-Mail an Mitsch lautet: „Wir werden euch vernichten.“