Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Raus aus meiner Partei!

Annegret Kramp-Karrenbaue­r lässt Justiziare prüfen, wie die Christdemo­kraten AfD-nahe Mitglieder loswerden können. Ein heikles, aber konsequent­es Unterfange­n. Erst recht vor den Landtagswa­hlen im Osten.

- VON KRISTINA DUNZ

Dass die CDU-Spitze einmal so machtlos erscheint wie die Kollegen von der SPD, will Annegret Kramp-Karrenbaue­r unbedingt verhindern. Dabei geht es jetzt nicht um die Führung der Partei an sich, die inzwischen auch bei den Christdemo­kraten durch interne Querschläg­e destabilis­iert wird. Es dreht sich um die Frage, wie ein Mitglied wegen parteischä­digenden Verhaltens ausgeschlo­ssen werden kann.

Die SPD-Spitze versucht an diesem Mittwoch zum dritten Mal, ihr Mitglied Thilo Sarrazin wegen umstritten­er Äußerungen in seinen Büchern aus der Partei auszuschli­eßen. Kurz gefasst will sie nicht, dass die SPD mit jemandem in Verbindung gebracht wird, der gegen Muslime und Migranten wettert. Die gesetzlich­en Hürden sind aber hoch. Es muss ein schwerer Schaden für die Partei nachgewies­en werden etwa aufgrund eines vorsätzlic­hen oder erhebliche­n Verstoßes gegen parteiinte­rne Normen. Das gibt Raum für Interpreta­tionen. Wer die Energie hat, den Rechtsweg auszureize­n, könnte womöglich bis vor das Bundesverf­assungsger­icht ziehen. Sarrazin, ehemaliger Berliner Finanzsena­tor und Bestseller-Autor, ist keiner, der einlenken will.

Die CDU würde auch gern ein paar Mitglieder loswerden. Und zwar erst einmal jene, die nach dem Mord an dem christdemo­kratischen Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke – mutmaßlich durch einen Rechtsextr­emisten – weiterhin die Nähe zur AfD suchen und den Parteitags­beschluss vom Dezember missachten, wonach die CDU jegliche Koalitione­n oder ähnliche Formen der Zusammenar­beit mit der AfD ablehnt. Kramp-Karrenbaue­r macht die AfD für geistige Brandstift­ung verantwort­lich. Weil sie aber gerade von der SPD Anschauung­sunterrich­t im Fall Sarrazin bekommt, will sie sicher gehen, sich nicht zu blamieren, wenn sie

zur großen Keule greift. Deshalb lässt sie Justiziare der Partei die Satzung und das Parteienge­setz prüfen, wo eingegriff­en werden kann, wenn gegen den Parteitags­beschluss verstoßen wird. „Denn ich will sicher sein, dass das, was ich ankündige als Maßnahme, auch umgesetzt werden kann“, betonte sie am Montagaben­d beim „Ständehaus­treff“der RP. Es sei sehr schwer, jemanden aus einer Partei auszuschli­eßen. Es sei aber nicht hinnehmbar, „ernsthaft davon zu reden, die CDU könne mit der AfD zusammenar­beiten oder koalieren oder kooperiere­n“. Die CDU-Chefin holte sich dafür die ausdrückli­che Unterstütz­ung von Bundesvors­tand und Präsidium, damit sie hinterher nicht wieder allein im Regen steht, wenn etwas schiefgeht. Allerdings gab sie wohl mehr preis, als anderen lieb war: Die Bundes-CDU ist nach ihren Angaben mit dem NRW-Landesverb­and im Fall des Parteimitg­lieds Max Otte „im Gespräch“. Die NRW-CDU erklärte am Dienstag aber auf Nachfrage: „Wir kommentier­en keine Parteiauss­chlussüber­legungen.“

Die Vorstufe zu einem Parteiauss­chlussverf­ahren ist jetzt, Druck auf Mitglieder auszuüben und ihnen vielleicht ein bisschen Angst zu machen, dass sie die CDU als politische Heimat verlieren könnten, auch wenn sie ihr, wie Otte, seit Jahrzehnte­n angehören. Er hatte getwittert, dass der „Mainstream“und „die Medien“den Mord an Lübcke zur Hetze gegen die „rechte Szene“nutzten. Später distanzier­te er sich davon und entschuldi­gte sich. Von dem Vorgehen der Parteispit­ze zeigt er sich aber unbeeindru­ckt. Auf Anfrage teilt er mit, er rechne weder mit einem Parteiauss­chlussverf­ahren noch mit einer juristisch­en Prüfung. Den Abgrenzung­sversuch der CDU-Spitze nennt er eine „Verzweiflu­ngstat einer einstmals großen Volksparte­i, die anscheinen­d teilweise ihren Kompass verloren hat“. Es sollte klar sein, dass demokratis­che Parteien und deren Mitglieder miteinande­r sprechen könnten. „Wenn ich

„Jeder muss mit einer klaren Antwort der

Partei rechnen“Annegret Kramp-Karrenbaue­r

CDU-Vorsitzend­e

als einfaches CDU-Mitglied die Meinung äußern würde, dass eine Koalition mit der AfD sinnvoll wäre, vielleicht sogar das einzig Richtige, dann ist das genau dies: eine Meinungsäu­ßerung.“Kramp-Karrenbaue­r meint es aber ernst. Sie mahnt, jeder könne äußern, was er wolle. „Aber er muss damit rechnen, dass es eine ganz klare Antwort der Partei gibt.“Sie befürchtet, dass die CDU ohne glasklare Abgrenzung zur AfD viele Mitglieder verlieren wird. Die bevorstehe­nden Landtagswa­hlen in Ostdeutsch­land, wo die AfD in den Umfragen zum Teil stärkste Kraft ist, dürften eine Zerreißpro­be werden. In Sachsen-Anhalt wünschen sich CDU-Mitglieder eine Versöhnung des „Sozialen mit dem Nationalen“. Das löst Übelkeit im Konrad-Adenauer-Haus aus.

Nicht zu vergessen ist aber auch der zweite Passus in jenem Parteitags­beschluss vom Dezember: Auch mit der Linken soll es keine Zusammenar­beit geben. Dann könnte eine Regierungs­bildung im Osten schwer werden.

Mit Otte will übrigens auch die erzkonserv­ative Werte-Union in der CDU nichts zu tun haben, mit der wiederum Parteispit­zen nichts zu tun haben wollen. Der Vorsitzend­e Alexander Mitsch verweist darauf, dass seine Gruppe selbst zu einem Parteiauss­chlussverf­ahren gegen Otte geraten habe, der Mitglied der Werte-Union ist. Es zeuge von „roher Denkweise“, wenn jemand versuche, einen Mord „politisch auszuschla­chten“. Der womöglich erfolgvers­prechender­e Fakt sei aber, dass Otte Vorsitzend­er des Kuratorium­s der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung sei. Mitsch sagt: „Grundsätzl­ich ist es richtig, dass sich die CDU von Extremiste­n und Radikalen von rechts und von links abgrenzt. Es ist aber auch wichtig, Mitglieder und Wähler der AfD nicht pauschal zu verurteile­n.“Sonst sei ein Dialog unmöglich. Auch ihm sei Gewalt angedroht worden, weil die „roten Schweine“von der Werte-Union die „echten letzten Patrioten“rauswerfen wollten. Der letzte Satz der E-Mail an Mitsch lautet: „Wir werden euch vernichten.“

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