Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Geständnis im Mordfall Lübcke

Der Verdächtig­e Stephan E. hat zugegeben, den Kasseler Regierungs­präsidente­n getötet zu haben. Der Verfassung­sschutzprä­sident räumt „Analysesch­wäche“beim Rechtsextr­emismus ein.

- VON BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK

Der aus der rechtsextr­emen Szene stammende Stephan E. hat gestanden, Anfang Juni den Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke ermordet zu haben. Er habe ausgesagt, die Tat allein vorbereite­t und durchgefüh­rt zu haben, sagte Generalbun­desanwalt Peter Frank am Mittwoch nach einer Sondersitz­ung des Innenaussc­husses des Bundestags. Ob es wirklich keine Helfer oder Mittäter gegeben habe, könnten nur die weiteren Ermittlung­en ergeben. Es liege ein politische­s Motiv vor, sagte Frank.

Der CDU-Politiker Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni mit einer Schussverl­etzung im Kopf auf der Terrasse seines Hauses in Wolfhagen bei Kassel gefunden worden. Er starb kurze Zeit später im Krankenhau­s. Lübcke war wegen seiner offenen Haltung zu Flüchtling­en bedroht worden. Er hatte 2015 auf einer Veranstalt­ung gesagt, wer gewisse Werte des Zusammenle­bens nicht teile, könne Deutschlan­d verlassen.

Der 45-jährige Stephan E. war mehrfach vorbestraf­t und in früheren Jahren durch Kontakte in die rechtsextr­eme Szene aufgefalle­n. Seit einigen Jahren hatte ihn der Verfassung­sschutz jedoch nicht mehr auf dem Radar. In den Sicherheit­sbehörden waren bis 2012 viele Akten vernichtet worden. Innenpolit­iker fragen sich, ob ein Zusammenha­ng besteht zwischen Stephan E. und der rechten Terrorzell­e NSU, die zwischen 2000 und 2007 aus rassistisc­hen Motiven zehn Morde verübte.

„Der Kampf gegen Rechtsextr­emismus erfordert eine klare Absetzung vom Rechtsextr­emismus“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). In der Debatte dürften keine Lücken eröffnet werden, die Gedanken ermöglicht­en, die solchen Taten irgendeine Legitimitä­t verschafft­en, sagte sie im Bundestag. In ihrer Partei gibt es eine intensive Debatte über die Abgrenzung von der AfD, der viele Politiker vorwerfen, den Nährboden für rechtsextr­emistische Gewalttate­n zu schaffen.

Während der Sitzung des Innenaussc­husses räumte Verfassung­sschutzprä­sident Thomas Haldenwang nach Informatio­nen unserer Redaktion ein, dass es beim Rechtsextr­emismus eine „Analysesch­wäche“der Nachrichte­ndienste gebe. Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) lässt jetzt ein Verbot gegen rechtsextr­emistische Gruppierun­gen wie „Combat 18“prüfen.

„Es ist erforderli­ch, dass Innenminis­ter Seehofer im Fall Lübcke eine Task Force in seinem Ministeriu­m einrichtet, die auch mit Expertise von außen untersucht, ob die Tat Bezüge zu rechtsextr­emen Strukturen und zum NSU aufweist“, sagte die innenpolit­ische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic. „Wir können nicht warten, bis der Verfassung­sschutz umgebaut ist und seine Defizite bei der Beobachtun­g und Analyse der rechtsextr­emistische­n Szene behoben hat.“

CDU-Innenexper­te Armin Schuster forderte eine bessere Strafverfo­lgung und mehr staatliche Maßnahmen gegen Hass und Hetze. Die Gerichte forderte er auf, Anzeigen aufgrund entspreche­nder Postings ernster zu nehmen. „Die Einstellun­gspraxis mancher Gerichte bei Anzeigen auch aufgrund des Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetzes sollte sich dringend ändern. Das würde auch das Anzeigever­halten deutlich verbessern“, sagte er.

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