Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Der Krieg der Sterne rückt näher

Zum ersten Mal befasst sich die Nato mit einer Weltraumst­rategie. Sie will Informatio­nen über das Ausmaß der Bedrohung sammeln und könnte in einem zweiten Schritt das Nato-Einsatzgeb­iet auf das All ausweiten.

- VON GREGOR MAYNTZ

Wir schrieben das Jahr 1971, als der Filmbösewi­cht Ernst Stavro Blofeld im James-Bond-Streifen „Diamantenf­ieber“mit einem Killer-Satelliten aus dem All eine amerikanis­che Atomwaffe, ein russisches U-Boot und chinesisch­e Raketen zerstörte. Und natürlich gingen die Zuschauer damals davon aus, dass das entweder pure Fantasie bleiben oder aber erst in Jahrhunder­ten Wirklichke­it werden könnte. Keine fünf Jahrzehnte später hat die Nato begonnen, sich auf genau diese Szenarien vorzuberei­ten. Bei ihrem Treffen in Brüssel beraten die Verteidigu­ngsministe­r des nordatlant­ischen Verteidigu­ngsbündnis an diesem Donnerstag, wie sie mit dem Weltraum als Nato-Einsatzgeb­iet umgehen wollen.

Wie bei der Nato üblich geben auch auf diesem Feld die USA den Takt vor. Bereits im Dezember wies Präsident Donald Trump die Streitkräf­te an, ein „United States Space Command“zu bilden, also ein US-Weltraumko­mmando. Es soll die Keimzelle bilden für eine eigene Teilstreit­kraft. Bis Ende nächsten Jahres soll die US-Weltraumtr­uppe stehen. Dabei geht es jedoch, anders als in manchen Bond-Filmen, nicht darum, Militärast­ronauten auszubilde­n, um diese jederzeit ins All schießen und Außerirdis­che oder Spezialkrä­fte anderer Staaten bekämpfen zu können. Vielmehr haben die Militärs erkannt, wie verletzlic­h auch ihre eigene Infrastruk­tur ist, wenn wichtige Satelliten ausgeschal­tet werden.

Ganz gleich, ob US-Präsident Barack Obama den Zugriff eines Spezialkom­mandos auf das Versteck des 9/11-Drahtziehe­rs Osama bin Laden in Pakistan live vom Weißen Haus in Washington aus verfolgt oder ob das US-Militär mit Alliierten einen Angriff auf versprengt­e IS-Terroriste­n in Syrien startet – stets kommen Satelliten zum Einsatz. Die sind auf Umlaufbahn­en

rund um die Erde stationier­t. Und sie sind ungeschütz­t.

Jüngst brachte Pakistan den Nachweis, jederzeit Satelliten zerstören zu können. Das Land feuerte eine Rakete auf einen eigenen Satelliten. Die Weltraumge­meinde versetzte das in helle Aufregung. Denn mit diesem demonstrat­iven Militärsch­lag vergrößert­e Pakistan die Zahl der ohnehin schon als Weltraumsc­hrott um die Erde kreisenden Metallteil­e. Die Schätzung belaufen sich auf eine halbe Million Trümmertei­le, von denen einige Zehntausen­d den etwa 2000 derzeit genutzten Satelliten gefährlich werden könnten.

Der Ausfall wichtiger Kommunikat­ionssatell­iten kann zu massiven wirtschaft­lichen Folgen führen. Börsen können abstürzen. Und in einem heißen Krieg müssen die Militärs befürchten, plötzlich blind zu sein, wenn ihre Kommunikat­ionssatell­iten ausgeschal­tet werden. Die Aufklärung der gegnerisch­en Truppenbew­egung ist nicht mehr möglich, wenn die Spionagesa­telliten unbrauchba­r werden, und die Befehle erreichen die Truppentei­le nicht mehr, wenn die Kommunikat­ionssatell­iten fehlen.

Zwar wollen die Verteidigu­ngsministe­r jetzt noch keine Entscheidu­ng darüber treffen, ob der Weltraum zum Nato-Einsatzgeb­iet erklärt wird. Doch sie beraten nach Auskunft von Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g eine allererste militärisc­he Weltraumst­rategie, einen Rahmen, wie das Bündnis künftig mit möglichen Bedrohunge­n aus dem All umgehen sollte. „Es ist wichtig, dass wir auch im Weltraum wachsam und widerstand­sfähig sind“, sagte Stoltenber­g. Die Nato müsse sich darauf vorbereite­n, dass Satelliten blockiert, geknackt und in Waffen verwandelt werden könnten. In einem ersten Schritt will die Nato deshalb für die Mitgliedst­aaten zum Forum werden, auf dem sie Informatio­nen und Fähigkeite­n austausche­n. In einem zweiten Schritt könnten die Staats- und Regierungs­chefs im Dezember

Jens Stoltenber­g Nato-Generalsek­retär

den Weltraum zum Nato-Operations­gebiet erklären und damit zusätzlich­e Mittel freigeben.

Westliche Geheimdien­ste verweisen darauf, dass Russland und China längst an aggressive­n Weltraumsy­stemen arbeiten. Frankreich war vor anderthalb Jahren alarmiert, als ein russischer Satellit einem französisc­h-italienisc­hen Militärsat­elliten verdächtig nahe kam. Bislang weiß das Bündnis noch nicht, wie es auf solche Vorfälle reagieren soll.

Die Befürchtun­gen sind groß, dass es zu einem neuen Wettrüsten im All kommen kann, obwohl die Weltgemein­schaft sich bereits auf eine friedliche Nutzung des Weltraums verpflicht­et hat. Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch warnt: „Der Weltraum darf kein Einsatzgeb­iet der Nato werden, genauso wenig wie für Russland, China oder wen auch immer – alles andere ist unverantwo­rtlich.“

Unions-Außenexper­te Jürgen Hardt unterstrei­cht, dass die Nato ihre Bürger nur wirksam schützen können, wenn sie in der Lage sei, auf Bedrohunge­n „aus jeder Richtung“angemessen zu reagieren. Deshalb sei es richtig, dass nun Szenarien geprüft und durchdacht würden. „Nur wenn wir um mögliche Gefahren wissen, können wir auf wirksame internatio­nale Abkommen hinarbeite­n, die Rüstung im Weltraum vermeiden“, unterstrei­cht der CDU-Politiker. Er hat jedoch zugleich schon einen Plan B im Kopf, falls es unvermeidb­ar sein sollte, Abwehrwaff­en zu entwickeln: Es wäre dann klug, als Europäer einen eigenen Beitrag zu leisten.

Die weltweit wachsenden Konfliktpo­tenziale sprechen nicht dafür, dass der Weltgemein­schaft im All gelingt, was sie schon auf der Erde nicht schafft: den friedliche­n Umgang zum Zeichen des Planeten zu machen. Früher galt Krieg als Fortsetzun­g der Politik unter Einmischun­g anderer Mittel, wie es der preußische General Carl von Clausewitz formuliert­e. Die künftigen Kriege werden zur Fortsetzun­g eingeübter Militärstr­ategien unter Einmischun­g ganz neuer Dimensione­n. Das macht sie noch unberechen­barer und gefährlich­er für die ganze Welt.

„Es ist wichtig, dass wir auch im Weltraum wachsam und widerstand­sfähig sind“

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