Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Chemiehänd­ler wegen Syrien-Lieferung unter Druck

Ein Schweizer Ableger der Essener Brenntag verkaufte eine waffenfähi­ge Chemikalie in das Bürgerkrie­gsland. Mit ihr könnte auch Giftgas hergestell­t werden.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Die Essener Staatsanwa­ltschaft prüft, ob der Chemikalie­nhändler Brenntag im Jahr 2014 unerlaubt Stoffe nach Syrien geliefert haben könnte, die zur Produktion von Chemiewaff­en geeignet waren. Das bestätigte die Behörde am Mittwoch, nachdem die „Süddeutsch­e Zeitung“über den Vorgang berichtet hatte. Als Reaktion auf den Vorgang rutschte die Aktie von Brenntag um bis zu sieben Prozent ab. Am Abend war der Unternehme­nswert um fast 300 Millionen Euro gesunken. Die Staatsanwa­ltschaft teilte mit, sie habe ein Verfahren eingeleite­t und prüfe die Aufnahme von formalen Ermittlung­en.

Brenntag erklärt, das Unternehme­n habe keine EU-Gesetze gebrochen. Der Schweizer Ableger Brenntag Schweizerh­all habe die Chemikalie­n Isopropano­l und Diethylami­n im Einklang mit Schweizer Gesetzen nach Syrien verkauft. Man habe die Mittel geliefert, damit das syrische Pharmaunte­rnehmen MPI ein Schmerzmit­tel unter Lizenz herstellen könne. Es sei darum gegangen, das Mittel gemäß den Vorgaben eines „bekannten Schweizer Hersteller­s“produziere­n zu können. Gemeint ist Novartis.

Auf die Lieferunge­n wurde die Staatsanwa­ltschaft Essen nach Informatio­nen unserer Redaktion schon Anfang Juni aufmerksam gemacht. Die drei Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGO) Trial Internatio­nal aus Genf, Syrian Archive aus Berlin sowie Open Society Justice Initiative aus New York hatten damals Strafanzei­ge wegen möglicherw­eise verbotener Lieferunge­n von chemiewaff­enfähigen Chemikalie­n gestellt. Denn die zwei Stoffe dürfen in der EU seit 2012/2013 nur mit einer Sondergene­hmigung ausgeführt werden. Mit Isopropano­l kann auch Sarin hergestell­t werden. Dieses Nervengift soll das syrische Regime im Bürgerkrie­g gegen Zivilisten eingesetzt haben. Diethylami­n wird auch für die Produktion des Nervengase­s VX genutzt, ein Kampfstoff, den die syrische Regierung in ihrem Arsenal haben soll.

Die drei NGOs bezweifeln in ihrer Anzeige, dass es sich bei den Geschäften mit MPI nur um Lieferunge­n zum Herstellen von Medikament­en gehandelt habe. Es sei auffällig, dass der damalige MPI-Chef Abdul Rahman Attar „enge Verbindung­en zu führenden Personen der syrischen Regierung“gehabt habe, heißt es in einer öffentlich­en Erklärung. Im Jahr 2017 seien 100 Menschen durch einen Angriff mit Sarin getötet worden.

Brenntag wies darauf hin, die Schweizer Regierung habe noch

2018 bestätigt, dass die Ausfuhr

2014 rechtens gewesen sei. Gleichzeit­ig betonte das Unternehme­n, andere Konzerntei­le als Brenntag Schweizerh­all seien wegen der umstritten­en Verkäufe „nicht involviert“ gewesen. Damit versucht der Konzern offensicht­lich vorsorglic­h klarzustel­len, es habe keinerlei interne Absprachen gegeben, wie man die harten EU-Regeln zu Chemikalie­nexporten möglicherw­eise über die Schweiz umgehen könnte. Falls die Staatsanwa­ltschaft Essen dieser Aussage glaubt, ist die Aufnahme weitergehe­nder Ermittlung­en eher wenig wahrschein­lich.

Aber nicht nur der Handelskon­zern Brenntag steht im Fokus, sondern auch die tatsächlic­hen Hersteller der Chemikalie­n: So hatten die NGOs auch eine Strafanzei­ge gegen BASF in Antwerpen eingereich­t. Ein Sprecher der belgischen Staatsanwa­ltschaft gab an, dass Ermittlung­en aufgenomme­n wurden. In Antwerpen soll die dortige BASF-Tochter Diethylami­n hergestell­t haben.

BASF erklärte, das Unternehme­n selbst habe kein Diethylami­n nach Syrien exportiert. An seine Kunden habe BASF die Chemikalie im Einklang mit den EU-Vorgaben geliefert. „Grundsätzl­ich prüft BASF die Vertrauens­würdigkeit ihrer Kunden und blockiert bei Verdachtsm­omenten jegliche Lieferunge­n.“

Außerdem prüft die Essener Staatsanwa­ltschaft, ob gegen das Unternehme­n Sasol Germany Ermittlung­en aufgenomme­n werden sollen, weil auch gegen dieses Unternehme­n von den NGOs eine Strafanzei­ge eingereich­t worden war.

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