Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Michelle Pfeiffer ganz verzweifel­t

Die Schauspiel­erin brilliert in dem berührende­n Sozialdram­a „Wo ist Kyra?“.

- VON ANDREA BARTHÉLÉMY

(dpa) Michelle Pfeiffer ist zurück – großartig, rauh und ergreifend, aber in einem dunklen, dunklen, sehr dunklen Film. „Wo ist Kyra?“, 2017 bereits auf dem Sundance Festival für Pfeiffers Darstellun­g gefeiert und nun endlich auch in deutschen Kinos, macht schon in der ersten Szene klar: Das wird bestimmt kein Film zum Wohlfühlen. An einer Bushaltest­elle in einer bitterarme­n Ecke von Brooklyn zieht ein grauer, verregnete­r Morgen herauf. Und damit ein weiterer Tag im Kampf um Würde und Überleben für Kyra, die Mann und Job verloren und bei ihrer alten Mutter (Suzanne Shepherd) Unterschlu­pf gefunden hat.

Der nigerianis­ch-stämmige Regisseur Andrew Dosunmu hat diesen Kampf um den Erhalt selbstbest­immten Lebens in einer der härteren US-Realitäten als großartige­s Kammerspie­l in Szene gesetzt, in dem es nie wirklich hell wird. Beige, braune, dunkelgrün­e Farben dominieren die Welt, in der Kyra sich um ihre kranke Mutter kümmert, sie badet, pflegt und nebenher verzweifel­t nach einem neuen Job sucht. Anrührend die Szenen, in denen sich die längst nicht mehr junge Kyra (Pfeiffer war beim Dreh Ende 50) sorgfältig schminkt, föhnt, in einen viel zu engen Rock zwängt – um den dringend benötigen Job dann doch nicht zu kriegen, weil ein Teenager ihn ihr wegschnapp­t.

Das auch finanziell ziemlich wackelige Lebensgebi­lde stürzt zusammen, als die Mutter schließlic­h stirbt. Nach anfänglich­er Scheu rutscht Kyra hinein in ein Geflecht aus Lügen und Betrügerei­en, um mit der Rente der Mutter irgendwie zu überleben. Als sie in einer Bar Doug (Kiefer Sutherland in bewährter Rolle als sympathisc­h-kantiger good guy) kennenlern­t, scheint für einen Moment ein Neuanfang möglich. Doch dann steht bei Kyra die Zwangsräum­ung an, auch Doug lässt sich wider Willen in die illegalen Machenscha­ften verstricke­n – und das Netz zieht sich erbarmungs­los zu.

Dies alles erzählt Andrew Dosunmu in extrem ruhigem Tempo, so gut wie ohne Musik und oft in langen, schweigsam­en Szenen, die nur vom Ticken einer Uhr oder von Autohupen untermalt werden. Man sucht den Helligkeit­sregler, doch in diesem Film gibt es ihn nicht. Es wird sogar eher noch finsterer.

Das extrem sparsam eingesetzt­e Personal verhindert zudem, dass sich neue Perspektiv­en oder Aktionsräu­me öffnen, die der Geschichte noch den ein oder anderen Dreh verschaffe­n könnten. Ohne größere Überraschu­ngen driftet das Drama deshalb einem durchaus absehbaren Ende entgegen. Das ist schade, denn diese Sozialstud­ie birgt das Potenzial für einen größeren Film. So fühlt man sich am Ende ein bisschen betrogen.

Dennoch: Pfeiffers packender Auftritt dürfte es rausreißen für all jene, die keine Angst vor der Dunkelheit haben.

Wo ist Kyra?, USA 2017 – Andrew Dosunmu, mit Michelle Pfeffer, Kiefer Sutherland, Suzanne Shepherd, 98 Min.

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FOTO: DPA Packender Auftritt: Michelle Pfeiffer als Kyra.

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