Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
EuGH stärkt Bürgerrechte bei dreckiger Luft
Die Einhaltung von Luftschadstoff-Grenzwerten ist in Deutschland ein Streitthema. Europas höchste Richter haben nun Klarheit geschaffen.
(dpa) Dicke Luft in der Innenstadt, Kritik aus Brüssel, Fahrverbote: Deutschland und andere Staaten stehen unter Druck, weil in Dutzenden Städten der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid überschritten wird. Aber wird überhaupt richtig gemessen? Und wie schlimm ist es, wenn an einem einzigen Punkt ein Grenzwert gerissen wird? Der Europäische Gerichtshof hat nun ein klares Urteil gefällt.
Worum ging es bei dem Fall?
Umweltorganisation ClientEarth haben geklagt, weil die belgische Hauptstadt aus ihrer Sicht zu wenig gegen schmutzige Luft tut. So sollen Messstationen an zwei Brüsseler Hauptverkehrsstraßen zwischen 2008 und 2014 abgeschaltet gewesen sein. Formal geht es darum, ob der Brüsseler Luftreinhalteplan EURecht genügt. Das zuständige belgische Gericht bat den EuGH bei zwei Fragen um Auslegung der EU-Richtlinie über Luftqualität: Können Bürger gerichtlich überprüfen lassen, ob an der richtigen Stelle gemessen wird? Und ist ein zu hohes Ergebnis für Stickstoffdioxid, Feinstaub oder andere Schadstoffe an einem einzigen Messpunkt schon eine Verletzung des EU-Grenzwerts?
Was haben die Richter nun genau geurteilt?
Die obersten EU-Richter haben beide Fragen mit „Ja“beantwortet. Es soll immer der Wert einer einzelnen Messstation ausschlaggebend sein – nicht der Mittelwert mehrerer Punkte. Denn dort, wo Grenzwerte überschritten werden, seien Gesundheitsschäden zu befürchten.
Welche Bedeutung hat das Urteil?
Die Auslegung des EU-Rechts durch den EuGH gilt für alle Mitgliedsstaaten, auch Deutschland. Der Gerichtshof hat mit der Entscheidung die Rechte von Menschen gestärkt, die unter zu hoher Schadstoffbelastung leiden, etwa Anwohner vielbefahrener Straßen. Sie können nun leichter klagen und Abhilfe einfordern, wenn Messwerte an einzelnen Punkten zu hoch ausfallen. Für Dieselfahrer hingegen ist das Urteil keine gute Nachricht. Die Fahrzeuge werden unter anderem für hohe Stickoxid-Belastungen verantwortlich gemacht. Den Behörden ist nun eine strikte Auslegung des EU-Rechts bei Grenzwertüberschreitungen vorgegeben. Und wenn nichts anderes hilft, werden oft Fahrverbote verhängt.