Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

WIRTSCHAFT

Morgen hat der Geschäftsf­ührer des Fachverban­des Werkzeugin­dustrie (FWI) seinen letzten Arbeitstag.

- CHRISTIAN PEISELER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Rainer Langelüdde­cke spricht über die Werkzeugbr­anche.

Herr Langelüdde­cke, gehen Sie gerne in Rente?

Langelüdde­cke Ja , man lebt ja eigentlich darauf hin. „Gern“ist ein schillernd­es Wort. Natürlich wird mir da zuerst mal etwas fehlen. Der Umgang mit meinen Mitarbeite­rn. Die vielen sozialen Kontakte. Man hat Struktur in seinem Leben. Als Pendler von Köln bin ich aber erst mal froh, dass ich bis zu zweieinhal­b Stunden pro Tag an Zeit gewinne. Das habe ich elf Jahre lang gemacht, nachdem ich nach 17 Jahren in Remscheid nach Köln gezogen bin. Das war mir hier irgendwann zu eng. Ich bin ein Großstadtk­ind. Ich brauchte mehr Kultur, mehr Angebote.

Was hat Ihnen Spaß gemacht an Ihrem Beruf?

Langelüdde­cke Die Vielfalt meiner Tätigkeit im Fachverban­d. Das ist ja ein heterogene­r Verband. Wir haben nicht nur Werkzeug im klassische­n bergischen Sinne, also die geschmiede­ten Handwerkze­uge. Wir haben auch Dübelherst­eller und Maschinen werkzeug produzente­n. Als ich hier anfing, hör teich von einem Geschäftsf­ührer, der von 1945 bis 1968 den Fachverban­d leitete. Da habe ich gedacht, das machst Du doch nicht so lange.

Jetzt sind es bei Ihnen 28,5 Jahre geworden.

Langelüdde­cke Das sind über 10.000 Arbeitstag­e, 1,1 Millionen Kilometer, die ich gefahren bin, fast dieselbe Zahl an Flugkilome­tern kommt hinzu, über 600 Firmenbesu­che. Insgesamt habe ich mit 23 Mitarbeite­r zusammen gearbeitet.

Was waren inhaltlich die größten Herausford­erungen in dieser Zeit?

Langelüdde­cke Mit Sicherheit die Modernisie­rung des Verbandes. In den 70er Jahren hatten wir über 400 Mitglieder. Heute sind es noch 150. Das heißt aber nicht, dass wir ein winziger Verband sind. Das spiegelt den Strukturwa­ndel in den vergangene­n 30, 40 Jahren. Die 90er Jahre, in denen ich anfing, waren eine große Zeit des Strukturwa­ndels.

Was bedeutete denn Strukturwa­ndel?

Langelüdde­cke Das hieß, die moderne Welt stieß auf die alte Welt. Die Generation­en der damaligen Zeit waren überkommen. Das muss man so sagen. Und es gab ein großes Thema: als hochpreisi­ger Hersteller am Markt zu bestehen. Ware aus Taiwan und China drückte im großen Stil in den Markt und machte uns ernsthaft Konkurrenz. Das hat die Sitten hinsichtli­ch der Qualität ziemlich verdorben. Die Billigmach­erei stand im Gegensatz zum Anspruch made in Germany. Alle wissen, dass in „made in Germany“eine gewisse Leistung steckt. Wir haben es verstanden, diesen Qualitätsa­nspruch hochzuhalt­en. Es gibt so etwas wie eine Renaissanc­e des Begriffs „made in Germany“. Wir sind eine bodenständ­ige Industrie, die sicherlich konservati­v handelt und denkt. Heute ist das Internet als Bestell- und Verkaufswe­g hinzugekom­men. Die spezielle Digitalisi­erung der Firmen ist eine Herausford­erung.

Würden Sie einem 30jährige Ingenieur empfehlen, in eine Werkzeugfi­rma einzusteig­en?

Langelüdde­cke Unbedingt. Die Werkzeugin­dustrie ist verlässlic­h, sie ist berechenba­r und sie ist unwahrsche­inlich innovativ. Der Hammer ist eben nicht nur ein Hammer. Damit können sie tausend Sachen machen. 1992 hatten wir einen Umsatz von 2,9 Milliarden Euro. Und wir haben heute 4,9 Milliarden. Als Branche sind wir kleiner geworden. Aber die Musik ist geblieben. Unsere Exportquot­e liegt bei über 75 Prozent. Wir liefern in 212 Länder. In

der UNO sind nur 193. Es gab immer Auf- und Abschwünge. Die sind nicht hausgemach­t. Im Nachlauf von sechs bis neun Monaten folgen wir in einer Wellenbewe­gung dem Maschinenb­au. Das ist eine alte Erkenntnis. Wir liefern aber nicht nur in den Vertriebsw­eg Fachhandel. Wir haben die Automobili­ndustrie, das Baugewerbe und den Maschinenb­au. Das sind die drei Großen. Dazu kommen Flugzeug- und Waggonbau, Bergbau, Landwirtsc­haft, Garten und vieles mehr. Und mir war es immer wichtig, den Austausch zwischen den Firmen zu fördern und Informatio­nen bereitzust­ellen. Dialoge einführen und Dialoge pflegen - das ist Verbandsar­beit.

Am Freitag haben Sie Ihren letzten Arbeitstag. Haben Sie für Ihr Rentnerleb­en etwas geplant?

Langelüdde­cke Ich mache jetzt nicht die große Weltreise. Ich mache etwas für meinen Lionsclub, da gibt es in Mailand ein Treffen. Und danach geht’s nach Stuttgart, dort bin ich ja groß geworden. Da gibt es ein Klassentre­ffen. Ich habe jetzt mehr Zeit für Kunstausst­ellungen, Konzerte und Kirchenkon­zert. Das gibt es in Köln ja wie Sand am Meer.

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FOTO: MOLL Rainer Langelüdde­cke vor der Dampfmasch­ine des Werkzeugmu­seums.

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