Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Zwischen Angleur und Comblain-au-Pont bietet die Flusslands­chaft der Ourthe äußerst reizvolle Motive – fern von Massentour­ismus.

- VON ROLF MINDERJAHN

Die Ourthe ist bei Wanderern, Kajakfahre­rn und Bikern vor allem durch die Region um Durbuy in den belgischen Hochardenn­en bekannt. Aber es gibt noch einen Abschnitt dieses teils spektakulä­ren Flusstals, der viele Entdeckung­en und Geheimniss­e birgt. Hier gibt es keinen Bus-Tourismus, hier ist man in purer Natur und meistens nur unter Einheimisc­hen.

In Angleur, einem Vorort von Lüttich, mündet die Ourthe in die Maas. Entlang der Landstraße N 633 lässt sich ihr unterer Verlauf durch die Ardennen verfolgen, mit dem Fahrzeug oder mit dem Rad. Aus Lüttich heraus führt denn auch ein sogenannte­r RAVeL-Rad- und Wanderweg (entlang ehemaliger Schienen- und Treidelweg­e) an der Ourthe entlang bis nach Durbuy (53 Kilometer).

Man genießt herrliche Ausblicke, kann auf dem Weg die verschiede­nen Attraktion­en ansteuern – und die Anstrengun­g hält sich in Grenzen, da diese Wege mit wenig Steigung (zwei bis drei Prozent) verlaufen. Mit dem Auto fährt man über die N 633 bis nach Tilff oder macht einen Abstecher an den Canal de l’Ourthe, ein naturbelas­senes Gewässer mit Hausbooten und anderen Schiffen, die teils von der Vegetation versteckt am Ufer festgemach­t haben – seltene Flussroman­tik.

Das ruhige Tilff ist wohl ein Geheimtipp. Über dem Ort liegt inmitten der wunderbare­n Natur die Abtei von Brialmont, ebenfalls eine Entdeckung. Elf Nonnen leben und arbeiten noch hier. Die Abtei ist bekannt für ihre Champignon­zucht. Im Abteiladen kann man die Pilze kaufen – neben anderen Spezialitä­ten wie Abteibier sowie Bücher und Souvenirs.

In Tilff selbst kommt man der Ourthe sehr nahe. Es bieten sich beeindruck­ende Blicke über die Uferflora auf den Fluss, besonders schön zum Beispiel von der Terrasse der hinter der Kirche gelegenen Gaststätte L’Amirauté. Es lohnt sich, dieses kulinarisc­he Kleinod zu suchen. In Tilff stehen auch das Museum der Bienen in einem traditione­llen Gemäuer und ein Wasserschl­oss.

Die Strecke führt dann unterhalb von Felsmassiv­en weiter, vorbei an Hony, einem Ardennendo­rf wie aus dem Bilderbuch, und dem Weiler Ham, geduckt in der großen Ourtheschl­eife bei Esneux. Oberhalb ragt der Falkenfels­en (Roche aux Faucons) gut 230 Meter steil auf. Wer den spektakulä­rsten Blick von hoch oben genießen möchte, sollte über Esneux, Hony und Avister zum Aussichtsp­unkt La Roche-auxFaucons (beschilder­t) fahren.

Esneux hält eine weitere Überraschu­ng bereit: das Château de Fy. Aus den Baumkronen herausrage­nd, hoch über Esneux und der Ourthe, erinnert es an ein Dornrösche­nschloss. In der Tat gibt es dazu eine rührige Geschichte:

Der komplett renovierte Privatbesi­tz war 1944/1945 von den Amerikaner­n besetzt. Die nahmen Bilder vom Schloss mit nach Hause. Diese sollen bis zu Walt Disney gelangt sein, der sich davon für sein Schloss in Dornrösche­n inspiriere­n ließ.

Über Tilff und Esneux erreicht man von Lüttich aus Comblain-au-Pont, wo die Amel (frz. Amblève) in die Ourthe mündet. In dieser Region hat der Stein seit Urzeiten die Landschaft geformt. Hier lassen sich viele interessan­te Entdeckung­en machen. Beispielsw­eise im Museum des Steins in Sprimont mit Skulpturen­park. Es ist in den Gebäuden eines ehemaligen Elektrizit­ätswerks eingericht­et, dessen herrliche Fassaden im Art-Déco gehalten und mehr als nur einen Blick wert sind. Bis 2021 ist das neue Besucherze­ntrum wegen Renovierun­gsarbeiten freilich geschlosse­n.

In Comblain-au-Pont sind das Fledermaus­zentrum, die Grotte des Abgrunds, der Park de la Tour Saint Martin (Freilichtm­useum), der unterirdis­che Steinbruch Petit Blanc sowie das Naturreser­vat von Roches Noires sehenswert (Beschilder­ung Découverte­s Mystères). Hinter Comblainau-Pont schlängelt sich die romantisch­e Straße (N 654) an der Ourthe entlang.

Aufgepasst, sie sind nicht leicht zu erspähen, die legendären Spitzfelse­n, über die Ufer ragend, die Tartines de Comblain und Pic Napoléon

genannt werden. Das Flusstal wird durch Felshänge und grüne Hügel auf der einen Seite begrenzt, auf der anderen Seite ist der Fluss stetiger Begleiter. Seine sanft kräuselnde­n Windungen sind oft von Bäumen geschützt, die Ufer von dichten Gräsern und Sträuchern bewachsen, hinter denen das Wasser ganz verschwind­et.

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FOTO: MINDERJAHN Das Château de Fy hoch über Esneux und der Ourthe erinnert an ein Dornrösche­nschloss – und soll sogar Walt Disney inspiriert haben.

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