Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Auf zwei Rädern um den Bodensee touren
Die Umrundung des Bodensees ist nicht nur etwas für Sportfreaks. Der größte See Deutschlands bietet tolle Landschaften und sehenswerte Städte.
Sportgerät abstellen. Schuhe aus, Socken weg und die müden Füße im kühlen Nass ein wenig baumeln lassen. Oder noch besser: rein in die Fluten und ein paar Runden schwimmen. Ein Moment, den man auf dieser Tour immer wieder genießen kann. Sogar länderübergreifend. Zum Beispiel morgens in Deutschland, mittags in Österreich und am späten Nachmittag in der Schweiz.
Mit dem Fahrrad den ganzen Bodensee umrunden. Insgesamt 260 Kilometer. Nicht an einem Tag, aber vielleicht in vier, fünf oder sechs Etappen. Für manche ein Kindheitstraum und eine Sache, die man wenigstens einmal im Leben gemacht haben muss. Andere haben daran vielleicht vor kurzen noch keinen Gedanken verschwendet – und sich erst aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen im Corona-Jahr für eine etwas andere Art von Urlaub entschieden. Wie auch immer: Man muss kein Sportfreak sein, um auf dem Bodenseeradweg Spaß zu haben und so richtig auf Touren zu kommen.
Der heutige Abschnitt führt am nördlichen Bodenseeufer von Überlingen bis Kressbronn, also vom Badischen ins Schwäbische. Satte 50 Kilometer. Hört sich nach viel an, ist aber – wie sich am Ende des Tages herausstellen wird – dank nur weniger zu überwindender Höhenmeter mit oder ohne elektrischen Rückenwind machbar.
In naturnaher Landschaft zu radeln, den Blick über den See bis zu den Schweizer Alpen zu werfen, ist aber nur die eine Seite der Medaille. Ein Stopp an der Basilika in Birnau, einem barocken Meisterwerk, muss einfach sein. Oder ein
Besuch im Pfahlbaumuseum in Uhldingen-Mühlhofen mit seinen beeindruckenden Rekonstruktionen von Pfahlbauten aus der Stein- und Bronzezeit. In der Mittagspause in einem Straßencafé zu sitzen, sich einen großen Eisbecher schmecken zu lassen und das mediterrane Flair der Altstadt von Meersburg zu genießen – auch das hat was.
Obstanbau und vor allem Äpfel sind rund um den Bodensee ein großes Thema. Aber auch Wein. Von rund 165 Hektar Reben umgeben, die sich von den sanften Hügeln bis ans Seeufer erstrecken, ist der kleine Weinort Hagnau. Der örtliche Winzerverein wurde bereits 1881 vom Pfarrer und Volksschriftsteller Heinrich Hansjakob gegründet und ist die älteste Winzergenossenschaft in Baden. Hier sind nicht nur der Müller-Thurgau und der Blaue Spätburgunder zuhause. „Klasse statt Masse ist bei uns die Devise“, sagt Karl Megerle vom Hagnauer Winzerverein. „Das drückt sich bei uns in ertragsreduzierten Flächen aus, aber auch in der selektiven Weinlese von Hand.“
Es ist Nachmittag geworden. Ein Luftschiff zieht am Himmel seine Kreise. Friedrichshafen kann also nicht mehr weit sein. Dort gelang Ferdinand Graf von Zeppelin am 2. Juli 1900 der erste Aufstieg des legendären LZ1. 120 Jahre später sind die Zeppeline neuer Technologie längst wieder zu einem Markenzeichen der Bodenseestadt geworden. Das touristische Flugangebot reicht von 30 Minuten bis zu zwei Stunden. Der Zeppelin ist auch zum Standesamt geworden. Brautpaare können sich in der Gondel des Ja-Wort geben und anschließend mit bis zu zehn Hochzeitsgästen abheben.
Geschafft: Das Ziel des Tages ist erreicht. In „Claudis Radl Stadl“im Herzen von Kressbronn ist man als Radfahrer immer willkommen – auch für nur eine Nacht. „Bei uns geht’s unkompliziert, locker und leger zu“, sagt Inhaberin Claudia Sommer-Günthör. Rund um ihren ehemaligen Bauernhof gibt’s reichlich Auslauf, auch für Hühner, Katzen, Hunde und sogar Schildkröten. Und man kann mit Gleichgesinnten so richtig fachsimpeln und über die bereits erlittenen oder noch zu erwartenden körperlichen Strapazen ordentlich ablästern. Praktisch: Waschmaschine und Trockner sorgen dafür, dass verschwitzte Klamotten am nächsten Tag wieder ihren Dienst erfüllen können. Ebenso praktisch: Direkt nebenan gibt’s ein Fahrradfachgeschäft, falls das Zweirad reparaturbedürftig sein sollte.
Die Nacht ist kurz, der Morgen kommt früh. Selten scheint
man so gut geschlafen zu haben. Der Rücken schmerzt ein wenig. Und auch die Oberschenkel haben sich schon mal lockerer angefühlt. Aber nach einem kräftigen Frühstück geht es weiter. Nein, das morgendliche Bad im Bodensee wird natürlich nicht vergessen. Nächster Halt im Hafen von Lindau, Auge in Augen mit dem Bayerischen Löwen und dem Neuen Leuchtturm.
Jetzt ist bald die österreichische Grenze und in die vorarlbergische Landeshauptstadt Bregenz in Sicht. Abends hat man wieder mehr als 50 Kilometer in den Beinen – und freut sich das eine oder andere Gläschen Bier zur Erfrischung. Inzwischen befindet man sich auf schweizerischem Boden. Im Strohhotel in Arbon kann auf einem Bauernhof im ganz normalen Doppelzimmer übernachtet werden. Oder in der urigen Variante im Heu. Das kann ja heiter werden.