Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Wie Söder Merkel beerben könnte

Die Machtfrage in der Union ist offen, es ist also die Zeit für Hinterzimm­er-Geschacher. Wenn CSU-Chef Markus Söder Kanzler werden will, muss er Jens Spahn als Kandidat für den CDU-Vorsitz unterstütz­en.

- VON ANDREA RÖMMELE

Seit Wochen beobachten wir einen öffentlich­en Machtkampf der offizielle­n und der inoffiziel­len Kanzlerkan­didaten der CDU und CSU, doch am Ende werden die Entscheidu­ngen über den CDU-Vorsitz und die damit verbundene K-Frage intern durch die Parteispit­zen entschiede­n. Es ist übrigens in den Parteistat­uten nicht geregelt, wie ein Kandidat bestimmt wird. Zudem sind die Kriterien, die ein Kandidat mitbringen muss, nicht klar definiert – nach wie vor geht es ums Strippenzi­ehen, Taktieren, Aushandeln.

Und es geht um Umfragewer­te und Führungsst­il. Hinterzimm­er-Geschacher, der intranspar­enteste und vielleicht spannendst­e Aspekt der Politik!

Die letzten Monate haben die Dynamik zwischen den Konkurrent­en verändert und ein „Window of Opportunit­y“geöffnet, welches CSU-Chef und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder für sich nutzen könnte. In Krisenzeit­en wollen Bürger unmissvers­tändliche Botschafte­n. Harte Kante als Führungsst­il, führen von vorne. Und diese Rolle ist einem Markus Söder quasi auf den Leib geschriebe­n. Nahezu präsidenti­ell trat er in den letzten Corona-Wochen vor die Kamera, sprach sich klar gegen das vermeintli­ch frühzeitig­e Öffnungsbe­gehren seines Kollegen aus NRW und Kandidaten für den CDU-Vorsitz, Armin Laschet, aus und verteidigt­e den eigenen, strengeren Umgang mit der Krise sowie seine Ansprüche an die Bundespoli­tik.

In den Umfragen konnte Söder dieses Duell mit Laschet klar für sich entscheide­n. Während in der „NRW-Trend“-Umfrage des Westdeutsc­hen Rundfunks noch im April 65 Prozent der Befragten angaben, mit der Arbeit Laschets zufrieden zu sein, sank dieser Zufriedenh­eitswert auf 46 Prozent im Juni, mit einem gleichzeit­igen Anstieg des Unzufriede­nheitswert­s von 30 Prozent im April auf 45 Prozent im Juni.

Im Gegensatz zu Laschet konnte Söder laut „Bayern-Trend“des BR seine Umfragewer­te im April auf einen neuen Rekordwert von 94 Prozent Zustimmung von Befragten in Bayern steigern. Und auch im Mai gaben im „Deutschlan­dtrend“der ARD 53 Prozent der deutschlan­dweit Befragten an, in Söder den besten Kanzlerkan­didaten der Union zu sehen – gegenüber dem mit 27 Prozent weit abgeschlag­enen Laschet.

Zwar hat Markus Söder offiziell noch kein Interesse an einer Kanzlersch­aftskandid­atur bekundet, doch sein Widerspruc­h wirkt zunehmend weniger vehement. Zudem haben die bisherigen offizielle­n Mitbewerbe­r Laschets um den CDU-Vorsitz und die Kanzlerkan­didatur – Friedrich Merz und Norbert Röttgen – in der Corona-Krise stark an Profil verloren, da sie ohne exekutive Ämter fast vollständi­g von der Bildfläche verschwund­en sind.

Dabei sah es noch vor einigen Monaten so aus, als würde Armin Laschet als allseits respektier­ter Ministerpr­äsident den CDU-Vorsitz und die damit verbundene Kanzlersch­aftskandid­atur schon sicher haben. Als Spahn und Laschet Ende Februar gemeinsam ankündigte­n, als Duo um den Vorsitz der CDU mit den Kontrahent­en zu ringen, schien dies ein genialer Coup. Spahn leitete die gemeinsame Pressekonf­erenz mit einer Konstatier­ung der tiefsten Krise der CDU ein und betonte, Laschet aus diesem Grunde zu unterstütz­en und sich trotz seines Willens zur Verantwort­ung zunächst einmal selbst zurückzune­hmen.

Doch in den letzten Monaten ist es durch Laschets Schlingerk­urs in der Corona-Krise und die freundscha­ftliche Nähe zum Fleischpro­duzenten Tönnies nicht gut um das vor Kurzem noch so strahlende Duo bestellt. Laut Medienberi­chten meidet Spahn gemeinsame öffentlich­e Auftritte mit Laschet und muss als Bundesgesu­ndheitsmin­ister in Zukunft vielleicht sogar gegen dessen laxen Umgang mit neuen Krankheits­fällen vorgehen – oder diesen zumindest im Namen der Bundesregi­erung schärfer kritisiere­n.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Spahn sich von der Fußfessel Laschet befreit. Denn ihm ist in den vergangene­n Monaten ein gutes Krisenmana­gement gelungen, und er konnte sich als Gesundheit­sminister für höhere Aufgaben innerhalb der Partei und der Regierung empfehlen.

Aus Markus Söders Sicht wäre es ideal, wenn Jens Spahn sich von Armin Laschet abkoppeln würde. Für Söder bietet der denkbare CDU-Vorsitz des jungen Jens Spahn, der zudem selbst über eine relativ breite Zustimmung in der Partei verfügt, dann die Möglichkei­t, die Kanzlerkan­didatur vom Führungsam­t der Schwesterp­artei ebenfalls zu entkoppeln. Diese Option räumen jetzt zwar auch Friedrich Merz und Norbert Röttgen ein – um ihre Option auf den Parteivors­itz weiter so offen wie möglich zu halten. Doch ein Parteivors­itzender Merz, der einem Markus Söder die Kanzlerkan­didatur überlässt, ist schwer vorstellba­r.

Nach Ansicht vieler hat Markus Söder in den vergangene­n Monaten seine Qualifikat­ionen für die Kandidatur und eine mögliche Kanzlersch­aft eindrucksv­oll unter Beweis gestellt. Zudem ist er ein moderner und ein konservati­ver Politiker, der den Umgang mit traditione­llen sowie sozialen Medien beherrscht und in der jüngeren Vergangenh­eit auch seine Rhetorik einer staatstrag­enden Rolle angenähert hat. Momentan ist Markus Söder damit auf dem Papier vielleicht sogar der vielverspr­echendste Kanzlersch­aftskandid­at. Doch nun hängt es vor allem davon ab, ob und wie ihm das Taktieren und Pläneschmi­eden in den Hinterzimm­ern der Macht gelingt.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Jens Spahn sich von der Fußfessel Armin Laschet befreit

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FOTO: DPA Andrea Römmele ist Politologi­n und Professori­n an der Hertie School of Governance.

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