Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Wie Söder Merkel beerben könnte
Die Machtfrage in der Union ist offen, es ist also die Zeit für Hinterzimmer-Geschacher. Wenn CSU-Chef Markus Söder Kanzler werden will, muss er Jens Spahn als Kandidat für den CDU-Vorsitz unterstützen.
Seit Wochen beobachten wir einen öffentlichen Machtkampf der offiziellen und der inoffiziellen Kanzlerkandidaten der CDU und CSU, doch am Ende werden die Entscheidungen über den CDU-Vorsitz und die damit verbundene K-Frage intern durch die Parteispitzen entschieden. Es ist übrigens in den Parteistatuten nicht geregelt, wie ein Kandidat bestimmt wird. Zudem sind die Kriterien, die ein Kandidat mitbringen muss, nicht klar definiert – nach wie vor geht es ums Strippenziehen, Taktieren, Aushandeln.
Und es geht um Umfragewerte und Führungsstil. Hinterzimmer-Geschacher, der intransparenteste und vielleicht spannendste Aspekt der Politik!
Die letzten Monate haben die Dynamik zwischen den Konkurrenten verändert und ein „Window of Opportunity“geöffnet, welches CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder für sich nutzen könnte. In Krisenzeiten wollen Bürger unmissverständliche Botschaften. Harte Kante als Führungsstil, führen von vorne. Und diese Rolle ist einem Markus Söder quasi auf den Leib geschrieben. Nahezu präsidentiell trat er in den letzten Corona-Wochen vor die Kamera, sprach sich klar gegen das vermeintlich frühzeitige Öffnungsbegehren seines Kollegen aus NRW und Kandidaten für den CDU-Vorsitz, Armin Laschet, aus und verteidigte den eigenen, strengeren Umgang mit der Krise sowie seine Ansprüche an die Bundespolitik.
In den Umfragen konnte Söder dieses Duell mit Laschet klar für sich entscheiden. Während in der „NRW-Trend“-Umfrage des Westdeutschen Rundfunks noch im April 65 Prozent der Befragten angaben, mit der Arbeit Laschets zufrieden zu sein, sank dieser Zufriedenheitswert auf 46 Prozent im Juni, mit einem gleichzeitigen Anstieg des Unzufriedenheitswerts von 30 Prozent im April auf 45 Prozent im Juni.
Im Gegensatz zu Laschet konnte Söder laut „Bayern-Trend“des BR seine Umfragewerte im April auf einen neuen Rekordwert von 94 Prozent Zustimmung von Befragten in Bayern steigern. Und auch im Mai gaben im „Deutschlandtrend“der ARD 53 Prozent der deutschlandweit Befragten an, in Söder den besten Kanzlerkandidaten der Union zu sehen – gegenüber dem mit 27 Prozent weit abgeschlagenen Laschet.
Zwar hat Markus Söder offiziell noch kein Interesse an einer Kanzlerschaftskandidatur bekundet, doch sein Widerspruch wirkt zunehmend weniger vehement. Zudem haben die bisherigen offiziellen Mitbewerber Laschets um den CDU-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur – Friedrich Merz und Norbert Röttgen – in der Corona-Krise stark an Profil verloren, da sie ohne exekutive Ämter fast vollständig von der Bildfläche verschwunden sind.
Dabei sah es noch vor einigen Monaten so aus, als würde Armin Laschet als allseits respektierter Ministerpräsident den CDU-Vorsitz und die damit verbundene Kanzlerschaftskandidatur schon sicher haben. Als Spahn und Laschet Ende Februar gemeinsam ankündigten, als Duo um den Vorsitz der CDU mit den Kontrahenten zu ringen, schien dies ein genialer Coup. Spahn leitete die gemeinsame Pressekonferenz mit einer Konstatierung der tiefsten Krise der CDU ein und betonte, Laschet aus diesem Grunde zu unterstützen und sich trotz seines Willens zur Verantwortung zunächst einmal selbst zurückzunehmen.
Doch in den letzten Monaten ist es durch Laschets Schlingerkurs in der Corona-Krise und die freundschaftliche Nähe zum Fleischproduzenten Tönnies nicht gut um das vor Kurzem noch so strahlende Duo bestellt. Laut Medienberichten meidet Spahn gemeinsame öffentliche Auftritte mit Laschet und muss als Bundesgesundheitsminister in Zukunft vielleicht sogar gegen dessen laxen Umgang mit neuen Krankheitsfällen vorgehen – oder diesen zumindest im Namen der Bundesregierung schärfer kritisieren.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Spahn sich von der Fußfessel Laschet befreit. Denn ihm ist in den vergangenen Monaten ein gutes Krisenmanagement gelungen, und er konnte sich als Gesundheitsminister für höhere Aufgaben innerhalb der Partei und der Regierung empfehlen.
Aus Markus Söders Sicht wäre es ideal, wenn Jens Spahn sich von Armin Laschet abkoppeln würde. Für Söder bietet der denkbare CDU-Vorsitz des jungen Jens Spahn, der zudem selbst über eine relativ breite Zustimmung in der Partei verfügt, dann die Möglichkeit, die Kanzlerkandidatur vom Führungsamt der Schwesterpartei ebenfalls zu entkoppeln. Diese Option räumen jetzt zwar auch Friedrich Merz und Norbert Röttgen ein – um ihre Option auf den Parteivorsitz weiter so offen wie möglich zu halten. Doch ein Parteivorsitzender Merz, der einem Markus Söder die Kanzlerkandidatur überlässt, ist schwer vorstellbar.
Nach Ansicht vieler hat Markus Söder in den vergangenen Monaten seine Qualifikationen für die Kandidatur und eine mögliche Kanzlerschaft eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Zudem ist er ein moderner und ein konservativer Politiker, der den Umgang mit traditionellen sowie sozialen Medien beherrscht und in der jüngeren Vergangenheit auch seine Rhetorik einer staatstragenden Rolle angenähert hat. Momentan ist Markus Söder damit auf dem Papier vielleicht sogar der vielversprechendste Kanzlerschaftskandidat. Doch nun hängt es vor allem davon ab, ob und wie ihm das Taktieren und Pläneschmieden in den Hinterzimmern der Macht gelingt.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Jens Spahn sich von der Fußfessel Armin Laschet befreit