„Okay, Boomer!“

Das Internet schafft eine globale Protestkultur der Jugend.

Neulich telefonierte ich mit einem alten Kumpel. Er erzählte von seiner Tochter, gerade 16, die sich weigere, neue Klamotten zu kaufen. Auch sonst sei das Mädchen anspruchslos. Dafür sei sie gegen Rassismus auf die Straße gegangen, verehre Greta Thunberg und sage oft „Okay, Boomer!“zu ihren Eltern. Dieses Verhalten kommt mir bekannt vor. Die jungen Menschen sind offenbar nicht mehr in alte Kategorien zu pressen: Nation, Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft haben für unsere Kinder weit weniger Bedeutung. Mit Hilfe digitaler Systeme wächst offenbar die erste globale Jugend heran, die Länder-, Sprach- und Kulturgrenzen für Konstrukte ihrer Vorfahren hält. Ob Black Lives Matter oder Fridays for Future – Proteste junger Leute sind nicht auf Regionen zu begrenzen. International, von Moria bis Halle, von Minneapolis bis Hanau wird gegen das Konzept der Grenzen oder Polaritäten demonstriert: Wirtschaft gegen Klima, Mann gegen Frau, Weiße gegen den Rest, Mensch gegen Natur. Die jungen Leute kritisieren nicht nur Trump und Tönnies, sondern auch uns, die eigenen Eltern, die immer dachten, dass sie die ewige Jugend für sich gepachtet haben, weil sie artig Müll trennten und ein Smartphone zu bedienen wissen. „Boomer“, das sind Menschen wie ich, die glaubten, Ökologie, Menschenrechte und globale Gerechtigkeit mit Spenden und Produkten aus der Region verwirklichen zu können. Klimawandel, Ausbeutung, Rassismus – was genau ist besser geworden, seit wir Boomer das Sagen haben? Ist unser System alternativlos, zukunftsfest, das Optimum? Unsere Kinder stellen die geradezu gotteslästerliche Frage, ob globales Zusammenleben mit einem auf immer mehr Verbrauch angelegten ökonomischen System vereinbar ist.

Der Journalist Hajo Schumacher schreibt hier über seine Entdeckungsreise in der digitalen Welt. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de