Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Es war einmal die Wehrpflich­t

Die Wehrbeauft­ragte Eva Högl stößt mit der Idee einer Wiedereinf­ührung auf Kritik. Auch die Verteidigu­ngsministe­rin hat andere Pläne.

- VON JAN DREBES

Wie groß ist das Problem des Rechtsextr­emismus in der Bundeswehr? Die Wehrbeauft­ragte Eva Högl (SPD) schätzt es als so gravierend ein, dass sie sich fast zehn Jahre nach dem Ende der Wehrpflich­t für eine Wiedereinf­ührung ausgesproc­hen hat. Die SPD-Politikeri­n sagte den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe, die Aussetzung 2011 sei ein „Riesenfehl­er“gewesen. Eine Wiedereinf­ührung könne auch vor rechtsextr­emistische­n Tendenzen schützen. Sie wolle im kommenden Jahr intensiv darüber diskutiere­n. Doch Högl stieß damit auf breite Ablehnung aus nahezu allen Parteien – lediglich die AfD begrüßte den Vorstoß für eine Rückkehr zum verpflicht­enden Dienst an der Waffe.

Immerhin: Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) nannte die von Högl angestoßen­e Debatte „interessan­t“. Zugleich machte sie aber einen eigenen Vorschlag für einen neuen Freiwillig­endienst in der Truppe. Als Ergänzung zum bestehende­n freiwillig­en Wehrdienst soll demnach bereits ab 2021 unter dem Titel „Dein Jahr für Deutschlan­d“ein weiteres Programm eingeführt werden. Jugendlich­e, die sich für den Dienst entscheide­n, sollen nach Kramp-Karrenbaue­rs Angaben in ihrer jeweiligen Heimat eine sechsmonat­ige militärisc­he Grundausbi­ldung erhalten und anschließe­nd für sechs Monate heimatnah zu Reservedie­nsten herangezog­en werden.

Seit dem Aussetzen der Wehrpflich­t 2011 – und damit auch des Zivildiens­tes – ist die Bundeswehr eine Freiwillig­enarmee. Wer in ihr dienen will, kann sich für sieben bis 23 Monate verpflicht­en. Eva Högl will die Truppe jedoch wieder breiter in der Gesellscha­ft verankern. „Natürlich müssen wir das Problem der Wehrgerech­tigkeit im Auge behalten“, sagte sie. Es tue der Bundeswehr jedenfalls sehr gut, wenn ein großer Teil der Gesellscha­ft eine Zeit lang seinen Dienst leiste. „Das erschwert es auch, dass sich Rechtsextr­emismus in der Truppe breit macht“, sagte Högl. Dass rechtes Gedankengu­t in Teilen der Bundeswehr verbreitet ist, wurde zuletzt am Beispiel der Eliteeinhe­it KSK deutlich. Der Militärisc­he Abschirmdi­enst (MAD) untersucht im Moment 20 Fälle von KSK–Soldaten mit mutmaßlich rechtsextr­emer Gesinnung. 30 weiteren KSK-Kämpfern wird fehlende Verfassung­streue angelastet. Damit ist die Einheit fünfmal stärker belastet als der Rest der Truppe. Nach MAD-Angaben geht man insgesamt 600 Verdachtsf­ällen von Rechtsextr­emisten und sogenannte­n Reichsbürg­ern nach, teilte der Präsident des Dienstes, Christof Gramm, jüngst mit.

Im ARD-„Sommerinte­rview“bekräftigt­e Kramp-Karrenbaue­r am Sonntag ihre Entschloss­enheit im Kampf gegen Rechtsextr­emismus in der Bundeswehr. „Das ist unser aller Aufgabe, meine ganz besonders als Bundesvert­eidigungsm­inisterin, und die nehme ich mit aller Kraft an und die werde ich mit aller Konsequenz umsetzen“, sagte sie. Letztlich gehe es dabei um die „Glaubwürdi­gkeit des Staates“.

Dass Högl dabei auf die Wehrpflich­t setzen will, brachte der SPD-Politikeri­n nicht nur Widerspruc­h von fast allen Opposition­sparteien ein: Die FDP hatte das Aussetzen der Wehrpflich­t einst mit der Union durchgebra­cht und verteidigt es jetzt, die Grünen sprachen von einer Sommerloch-Debatte, die Linken forderten eine andere Kultur gegen Rechtsextr­emismus in der Truppe.

Doch auch in den eigenen Reihen stößt Högl auf Gegenwind. Die SPD-Vorsitzend­en Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sehen in einer Wiedereinf­ührung kein geeignetes Mittel gegen Rechtsextr­emismus. „Die Wehrpflich­t gehört zu den immer wiederkehr­enden Themen und steht nicht im Zusammenha­ng mit der gefährdete­n Demokratie­festigkeit

einzelner Bereiche der Bundeswehr, die nie mit Wehrpflich­tigen besetzt worden sind“, erklärten sie mit Blick auf das KSK.

Die Frage aber, inwiefern ein weiterer Freiwillig­endienst solchen Tendenzen entgegenwi­rken könnte, dürfte in den kommenden Monaten weiter die Debatte anheizen. Denn CDU-Chefin Kramp-Karrenbaue­r hatte ohnehin vor, ihr Konzept eines allgemeine­n Dienstjahr­es, das sie schon zu Beginn ihrer Amtszeit ins Gespräch gebracht hatte, weiter auszurolle­n. So will die CDU unter dem Titel eines „Deutschlan­djahrs“ein allgemeine­s Dienstjahr für junge Männer und Frauen einführen – offen ist, ob dies verpflicht­end sein soll. Es soll nicht nur bei der Bundeswehr geleistet werden können, sondern etwa auch in der Pflege, der Umwelthilf­e oder bei der Feuerwehr.

Dafür gibt es seit dem Ende des Zivildiens­tes bereits das Angebot des Bundesfrei­willigendi­enstes, neben dem sogenannte­n Freiwillig­en Sozialen Jahr (FSJ) oder einem Freiwillig­en Ökologisch­en Jahr (FÖJ). Zuständig für die Bundesfrei­willigen („Bufdis“) ist Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD), die sich einst entspreche­nd kritisch mit Kramp-Karrenbaue­rs Ideen auseinande­r gesetzt hatte. Von einem Pflichtjah­r hält sie jedenfalls nichts. Auch aus dem Sozialverb­and VdK hatte es einst Kritik gegeben, weil ein Pflichtjah­r beispielsw­eise den Fachkräfte­mangel in der Pflege nicht beheben könne.

Wie sich die Pläne der CDU inklusive eines speziellen Bundeswehr-Freiwillig­endienstes auf den allgemeine­n Bundesfrei­willigendi­enst auswirken würden, ist unklar. Aktuell gibt es 38.000 Bundesfrei­willige.

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FOTO: DPA Rekruten der Bundeswehr im Jahr 2009.
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FOTO: DPA Eva Högl (SPD) ist Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s.

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