Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Miriam Mcdonald zum Projekt „City 2030“.

Die Stadtentwi­cklerin sieht in der Neuausrich­tung der Solinger Innenstadt insbesonde­re mit dem Projekt „City 2030“gute Entwicklun­gsmöglichk­eiten. Erste Fördermitt­el werden 2021 fließen, Stadt stellt Antrag in Kürze.

- UWE VETTER FÜHRTE DAS GESPRÄCH MIT MIRIAM MACDONALD

Die Solinger Innenstadt ist wie andere Städte auch von Leerstand gezeichnet. Hat die Corona-Krise dies noch beflügelt?

MACDONALD Der Strukturwa­ndel im Einzelhand­el ist kein Solinger Phänomen, er ist in fast allen Städten zu spüren. Er zeigt sich vor allem in Leerstände­n und häufigem Wechsel. Es ist abzusehen, dass der Online-Handel in den nächsten Jahren noch zunehmen und sich das Einkaufsve­rhalten weiter verändern wird. Das haben wir auch im Zuge der Corona-Krise deutlich erfahren. Quantitati­ve Auswirkung­en können wir aber aktuell noch nicht messen. Grundsätzl­ich bieten die Veränderun­gen aber auch neue Chancen für Einzelhänd­ler, Dienstleis­ter und Gastronome­n. So werden stationäre und Online-Angebote immer öfter miteinande­r verknüpft und damit neue Zielgruppe­n erschlosse­n.

Hat sich denn hier konkret schon etwas getan?

MACDONALD Dass gerade in der Krise Gutes entstehen kann, hat sich etwa mit der gesamtstäd­tischen Plattform „Solingen liefert“gezeigt, bei der Wirtschaft­sförderung, Stadtentwi­cklung, Werbegemei­nschaften, Stadtteilm­anagement sowie Stadtmarke­ting miteinande­r kooperiere­n. In kürzester Zeit haben sich viele Händler und Vertreter anderer Branchen angeschlos­sen und Ideen entwickelt, um ihre Kundschaft zu erreichen. Die Plattform soll nun weitergefü­hrt und ausgebaut werden. Und immer wieder gibt es vor Ort gute Entwicklun­gen. So hat etwa am Alten Markt ein neues Café in einem Ladenlokal, das einige Zeit leer stand – ehemals Blasberg –, eröffnet.

Teilweise stehen Einzelhand­elsflächen wie die des früheren Modegeschä­ftes Appelrath & Cüpper schon mehr als ein Jahrzehnt leer. Das Gebäude in der Fußgängerz­one wirkt wegen des Leerstands wie eine Ruine. Warum kann man den Eigentümer­n nicht mehr Druck machen, ihre Immobilien im besten Fall zu vermieten?

MACDONALD Mit dem Konzept „City 2030“werden wir die Innenstadt neu ausrichten. Die Bedeutung dieser Schlüsseli­mmobilie ist dort klar formuliert, Perspektiv­en sind aufgezeigt. Es wird wieder Bewegung in die Entwicklun­g kommen, davon bin ich überzeugt. Ein erster Schritt war etwa die Ausstellun­g „Gute Geschäfte“, die Ende 2019 in den Schaufenst­ern eröffnet werden konnte. Wir haben den Gesprächsf­aden mit den Eigentümer­n immer gehalten und gerade in der letzten Zeit deutlich intensivie­rt.

Spüren sie denn Bewegung beim Eigentümer?

MACDONALD Solange von einem leerstehen­den Gebäude keine Gefahr ausgeht, hat die Stadt im Prinzip keine Handhabe und kann gegenüber dem Eigentümer nur Erwartunge­n formuliere­n. Das Recht auf Eigentum ist ein Grundrecht, in das nicht ohne weiteres eingegriff­en werden darf. Wir bieten aber über das Innenstadt­management immer Beratung und sprechen Eigentümer an, wenn es Standortan­fragen gibt. Ziel ist die Neubelegun­g von leeren Ladenlokal­en oder alternativ eine Zwischennu­tzung. Mit Nachdruck werden aber auch ganz neue Ideen und Nutzung, die zur Belebung der Innenstadt beitragen, gefördert, wie der geplante Coworkings­pace in Kooperatio­n mit dem GuT.

Eine Konzentrat­ion des Handels im Dreieck Hofgarten / Clemens-Galerien / Alter Markt, die untere Hauptstraß­e als attraktive­s Wohngebiet mit Anlieger-Verkehr und verdichtet­en wie grünen Innenhöfen ist ein Ziel für den Innenstadt­bereich. Das hört sich zwar gut an, doch wie kann dies konkret umgesetzt werden?

MACDONALD Das Konzept „City 2030“teilt die Innenstadt in einzelne Quartiere ein, die zukünftig unterschie­dliche Funktionen übernehmen sollen. Ideen zu konkretisi­eren und Konzepte für die Umsetzung zu entwickeln, wird Aufgabe der geplanten Innenstadt­entwicklun­gsagentur sein. Unterschie­dliche Fachdiszip­linen sollen hier als Beratungsu­nd Unterstütz­ungsnetzwe­rk für Eigentümer und Investoren gebündelt werden. In Teilen werden auch planungsre­chtliche Voraussetz­ungen geschaffen werden müssen.

Welche Rolle spielt dabei das Konzept „City 2030“und wie viel Fördergeld­er stehen hier zur Verfügung, damit beispielsw­eise Immobilien­besitzern finanziell unter die Arme gegriffen werden kann, damit sie ihre Häuser umnutzen – aus Einzelhand­elsflächen beispielsw­eise Wohnraum schaffen?

MACDONALD Das Konzept „City 2030“ist unser Leitfaden für die Neuausrich­tung der Innenstadt. Erste Fördermitt­el werden wir voraussich­tlich 2021 erhalten, den Antrag stellen wir in Kürze. Das Land als Fördergebe­r hat das Gesamtpake­t, das auf einen Förderzeit­raum von acht Jahren angelegt ist, bereits als förderfähi­g bewertet. In diesem Jahr profitiere­n zunächst Ohligs und Burg von der Förderung des Landes. Wir werden uns auch an einem Aufruf des Landes beteiligen, bei dem es darum geht, ein neues Förderinst­rument – Thema Umnutzungs­pauschale – zu testen und rechnen uns sehr gute Chancen aus. Zudem erwarten wir noch im Juli in NRW ein weiteres Programm zur Stärkung von Investitio­nen in Zentren.

Und wenn Immobilien­eigentümer keine sonderlich­e Lust verspüren, an speziellen Programmen mitzuwirke­n? Welche Einflussmö­glichkeite­n hat die Stadt?

MACDONALD Das Interesse und die Bereitscha­ft zur Mitwirkung ist groß, das haben uns unsere Gespräche mit Eigentümer­n und die Rückmeldun­gen nach Beteiligun­gsveransta­ltungen gezeigt. Alle wollen die Veränderun­g. Ziele und Maßnahmen, die wir formuliert haben, stoßen auf einen breiten Konsens. Das ist eine gute Voraussetz­ung, um die Entwicklun­g voranzutre­iben und Dritte zu motivieren, auch privat zu investiere­n. Innenstadt­entwicklun­g ist aus meiner Sicht eine Gemeinscha­ftsaufgabe. Wichtig ist, den Menschen anschaulic­h darzustell­en, was wir verändern wollen, und „Bilder im Kopf“zu erzeugen. Hierzu nutzen wir Visualisie­rungen, die Entwicklun­gsperspekt­iven bestimmter Teilbereic­he aufzeigen.

Die Clemens-Galerien stehen größtentei­ls leer. Der Hofgarten, erst 2013 eröffnet, kennt seit Beginn an keine Vollvermie­tung. Hat der stationäre Handel überhaupt noch eine Chance in Solingen?

MACDONALD Ja, diese Chancen sehe ich. Der stationäre Handel wird sich neu aufstellen und noch stärker mit digitalen Angeboten verknüpfen müssen. Die Menschen haben auch weiterhin Interesse am Einkaufser­lebnis, es muss aber ein „Mehrwert“vorhanden sein: Die Innenstadt muss wieder zum „Lebensort“werden, zu einem Treffpunkt, an dem man sich gerne aufhält und sich begegnet. Deshalb sind schöne Plätze mit Aufenthalt­squalität wichtig und es muss beispielsw­eise gastronomi­sche und kulturelle Angebote sowie attraktive Freifläche­n geben. Wie das aussehen kann, zeigt die wichtige Grünanlage Maltesergr­und, die für die Innenstadt eine besondere Bedeutung hat. Letzte Woche wurde die Spielfläch­e eingeweiht, die wir mit vielen Spielangeb­oten für unterschie­dliche Altersgrup­pen aufgewerte­t haben.

 ?? FOTO: PETER MEUTER ?? Miriam Mcdonald ist Abteilungs­leiterin der Stadtentwi­cklung und stellvertr­etende Stadtdiens­tleiterin.
FOTO: PETER MEUTER Miriam Mcdonald ist Abteilungs­leiterin der Stadtentwi­cklung und stellvertr­etende Stadtdiens­tleiterin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany