Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Bauchlandung im Westen
Der Pokalsieg gegen Leverkusen ist für München der 50. nationale Titel. Herausforderungen gibt es nur noch in Europa.
Bayer Leverkusen bleibt im Pokalfinale chancenlos – das Team um Kai Havertz (Foto) setzt damit den Schlusspunkt unter eine für viele NRW-Vereine verkorkste Saison. Warum die meisten West-Klubs hinter den eigenen Ansprüchen zurückblieben.
Als 1992 die Vereinshymne „Forever Number One“veröffentlicht wurde, war der FC Bayern zweifellos bereits ein sehr erfolgreicher Fußballverein, doch er hatte immerhin auch ein paar ernstzunehmende Konkurrenten. Knapp 30 Jahre später ist jedoch klar, dass die Zeilen des Refrains geradezu prophetisch anmuten. Einen weiteren Beleg für die Übermacht ist der 20. DFB Pokalsieg, der gleichzeitig das 13. Double bringt und der 50. Titel auf nationaler Ebene ist. Die „spanischen Verhältnisse“, vor denen Uli Hoeneß einst warnte, wären inzwischen eher ein wünschenswertes Szenario, denn in der Primera División gibt es in Real Madrid und dem FC Barcelona immerhin zwei Leuchttürme – und in Atlético Madrid zumindest ein Türmchen.
„Wir haben in der Europa League noch richtig was vor“Simon Rolfes Sportdirektor Bayer 04
In Deutschland spielt München längst in seiner eigenen Liga und zieht einsam seine Kreise. Das wurde auch im Pokalfinale überdeutlich. Nach rund 25 Minuten hatten David Alaba und Serge Gnabry für die Vorentscheidung gesorgt, nach einer knappen Stunde stand es 3:0, weil sich Bayer Leverkusens Schlussmann Lukas Hradecky einen keineswegs unhaltbaren Volley von Robert Lewandowski ins eigene Tor legte. Kurz vor dem Abpfiff machte der von Rekord zu Rekord eilende polnische Torjäger mit dem 4:1 alles klar. Der anschließend von Kai Havertz verwandelte Handelfmeter zum Endstand war nur noch Makulatur.
Leon Goretzka sagte nach der Partie, dass die Unersättlichkeit, die Gier nach Titeln das sei, was die Mannschaft auszeichne. „Wenn du merkst, dass alle hungrig sind und gewinnen wollen, macht es Spaß auf dem Platz. Alle wollen ans Limit gehen – und deswegen sehe ich aktuell auch kein Limit“, erklärte der Nationalspieler im ARD-Interview. Sein Fokus richtete sich schnell auf die Champions League, die im August
fortgesetzt werden soll: „Bayern München hat immer das Selbstverständnis, in dem Wettbewerb weit zu kommen, bis zum Titel.“Die Königsklasse ist die letzte verbliebene Herausforderung für den FC Bayern. Nach dem 3:0-Hinspielsieg gegen den FC Chelsea steht die in diesem Jahr noch ungeschlagene Mannschaft von Trainer Hansi Flick mit einem Bein im Viertelfinale.
Jetzt ist aber zunächst Urlaub angesagt, auf den sich auch Karl-Heinz Rummenigge freut. „Wenn man das Double holt, und im dritten Wettbewerb auch noch vertreten ist, kann man der Mannschaft nur ein großes Kompliment machen“, sagte der Bayern-Boss und kündigte an: „Wir haben auch in der Champions League noch große Ziele.“Das Triple scheint in der derzeitigen Verfassung der Mannschaft, der Flick nach seinem Amtsantritt Anfang November Rummenigge zufolge wieder eine „FC Bayern-like“Spielweise verordnet hat, zumindest denkbar.
In Leverkusen herrschte nach dem Finale indes Katerstimmung. Bayer hat sich vor allem durch individuelle Patzer um den ersten Titel seit 27 Jahren gebracht, aber das Team hat immerhin nie aufgegeben. In einer anhaltenden Druckphase der Werkself schien auch eine Wende möglich, doch es fehlte in einigen Szenen die Effektivität im Angriff, die den FC Bayern derzeit auszeichnet. „Wir haben zu viel liegen gelassen“, resümierte Sportdirektor Simon Rolfes, dem anzumerken war, wie sehr ihn die verpasste Titelchance wurmte.
„Jetzt müssen wir unsere Wunden lecken und in den nächsten Tagen unsere Enttäuschung verarbeiten.“Eine Sache sei jedoch klar: „Wir haben in der Europa League noch richtig was vor.“Bundestrainer Joachim Löw sah bei Bayer am Samstag jedenfalls „schon Waffen“. Und ARD-Experte Bastian Schweinsteiger sagte mit Blick auf die Europa League: „Ich traue ihnen da viel zu.“
Die Finalniederlage stachele die Mannschaft nun nur noch mehr an, fand und hoffte Rolfes. Der 36-Jährige würdigte insbesondere die Offensivstärke des Rekordmeisters. „Da hatten die Bayern uns etwas voraus.“
Das ist ein Satz, der ohne weiteres auf die Bundesliga insgesamt übertragbar ist.