Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Gericht kippt Gütersloh-Lockdown
Die Richter in Münster erklären es für unverhältnismäßig, dass die Beschränkungen für den gesamten Kreis gelten. Maßnahmen für einzelne Kommunen soll es nun aber nicht geben.
Das Oberverwaltungsgericht NRW hat die Corona-Einschränkungen im Kreis Gütersloh im Eilverfahren außer Kraft gesetzt. Die Richter des 13. Senats gaben einem Spielhallen-Betreiber aus Oelde im Kreis Warendorf recht, der Filialen in den Städten Versmold und Schloß Holte-Stukenbrock betreibt. Das ist derjenige Teil des Kreises Gütersloh, in dem die Corona-Infektionszahlen nach dem Ausbruch in einem Schlachtbetrieb der Firma Tönnies nicht nachweislich in die Höhe geschnellt waren.
Rund 1500 Menschen hatten sich angesteckt; das Land hatte per Verordnung für die Kreise Warendorf und Gütersloh weitreichende Kontaktbeschränkungen verhängt und den Kultur- und Freizeitbereich damit quasi zum Erliegen gebracht. Im Kreis Warendorf war der Lockdown bereits am 30. Juni ausgelaufen, in Gütersloh galt er weiter.
Allerdings war auch dort die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfizierten pro
100.000 Einwohner innerhalb einer Woche, deutlich gefallen – am Montag auf 50,5. Bund und Länder hatten sich darauf verständigt, dass ab
50 Neuinfizierten ein Lockdown auf Kreisebene erfolgen solle. Diesen Wert hätte der Kreis Gütersloh voraussichtlich an diesem Dienstag wieder unterschritten.
Die Münsteraner Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Corona-Regionalverordnung wohl rechtswidrig sei. Es sei nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nicht mehr mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung zu vereinbaren, dass die Verordnung für den ganzen Kreis gelte. Insbesondere in den im Norden und Osten gelegenen Kommunen (dazu gehören Versmold und Schloß Holte-Stukenbrock) seien nur wenige Neuinfektionen festgestellt worden. Die Entscheidung ist unanfechtbar (Az.: 13 B 940/20.NE).
Sie dürfte auch Folgen für den künftigen Umgang mit Corona-Hotspots haben. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte in den vergangenen Tagen verstärkt dafür geworben, dass ein Lockdown nicht gleich einen ganzen Landkreis treffen dürfe. Dafür holte er sich am Montag Rückendeckung im CDU-Präsidium. Nach Informationen unserer Redaktion könnte noch im Laufe dieser Woche im Bund-Länder-Kreis eine Entscheidung über eine Anpassung der Regelung
getroffen werden, wonach dann stärker nach einzelnen Hotspots differenziert würde.
SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty sagte unserer Redaktion: „Die Landesregierung hat das Heft des Handelns im Kreis Gütersloh von Anfang an nicht in der Hand gehabt. Sie war zu keiner Zeit vor der Welle und hat nicht vorausschauend agiert.“Dafür habe sie vom Gericht die Quittung bekommen. SchwarzGelb müsse erneut reagieren, während andere entschieden, sagte der Oppositionsführer.
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärte am Abend, die jetzt verworfenen Einschränkungen seien Vorsichtsmaßnahmen gewesen, „die gelten sollten, bis ein flächendeckender Eintrag in die Gesamtbevölkerung ausgeschlossen werden kann“. Das sei „durch konsequente und schnelle Maßnahmen“gelungen. Man könne sich deshalb jetzt auf die betroffenen Personen und deren Familien konzentrieren; neue Einschränkungen für einzelne Kommunen werde es nicht geben. Leitartikel, Politik, Wirtschaft