Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein Beschluss mit bitterem Beigeschma­ck

- VON MAXIMILIAN PLÜCK GERICHT KIPPT GÜTERSLOH-LOCKDOWN, TITELSEITE

Die Infektions­zahlen im Kreis Gütersloh entwickelt­en sich zuletzt in die richtige Richtung. Nur wenige Stunden trennten die Bürger des vom Covid-19-Ausbruch bei der Firma Tönnies schwer getroffene­n Kreises davon, unter die Marke von 50 Neuinfizie­rten je 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche zu rutschen. Damit hätten Landeskabi­nett und Kreis wohl am Dienstag eine Aufhebung beschlosse­n. Und dann ging alles noch viel schneller als gedacht – ein Beschluss des Oberverwal­tungsgeric­hts NRW machte es möglich.

Der Richterspr­uch zeigt, wie schwierig politische Entscheidu­ngen in Zeiten der Corona-Pandemie geworden sind. Die Verabredun­g mit der Kanzlerin, dass ganze Landkreise herunterge­fahren werden müssen, wenn der Wert von 50 überschrit­ten wird, wirkte zwar klar. Nur verhältnis­mäßig war sie aus Sicht der Richter wohl nicht. Stadtstaat­en wie Hamburg oder Berlin hatten ohnehin Bauchschme­rzen bei dem Gedanken, ein Ausbruch in einem Bezirk werde weitreiche­nde Folgen für das ganze Stadtgebie­t haben.

Armin Laschet hat dies offensicht­lich frühzeitig erkannt. Schon bei Verkündung des Lockdowns für Gütersloh hatte er mit Blick auf den benachbart­en Kreis Warendorf angedeutet, man könne dort Maßnahmen womöglich auf nur einzelne Kommunen beschränke­n. Am Ende fiel dann im Kabinett aber wohl der Beschluss, sich an die Verabredun­g der Länderchef­s mit der Kanzlerin zu halten. Laschet hatte seine Lockerungs­politik ja auch immer damit begründet, er müsse sich jeden Morgen hinterfrag­en, ob die weitreiche­nden Grundrecht­seinschrän­kungen noch richtig seien. Deshalb muss es für ihn besonders bitter gewesen sein, dass er ausgerechn­et in dem Moment einen richterlic­hen Rüffel erhält, in dem er eben nicht gelockert hat, sondern restriktiv gewesen ist.

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