Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein politische­s Kaliber wird 80

Wolfgang Clement war schon vieles. Wirklich beliebt war er nie. Ein Blick auf den Mann, der von sich selbst sagt, er habe viel Glück gehabt im Leben.

- Jan Drebes

Vor 16 Jahren schlug Wolfgang Clement geballte Wut entgegen. Tausende Menschen gingen auf die Straße und riefen „Wir sind das Volk!“. Sie wehrten sich heftig gegen die „Hartz-Gesetze“der damaligen Bundesregi­erung, die er umsetzen musste: der Superminis­ter aus Berlin, Sohn eines Maurers aus Bochum. Am Dienstag feiert er seinen 80. Geburtstag. Clement blickt auf ein Leben zurück, in dem er nach eigenen Worten viel Glück gehabt hat. Seine Amtszeit von 2002 bis 2005 im Kabinett Schröder sei die größte Herausford­erung gewesen, sagte Clement vor einigen Jahren. Eine Zeit, in der seine Entfremdun­g von der SPD begann, die 2008 im Parteiaust­ritt mündete.

Für diese Herausford­erung in Berlin hatte der Jurist aber nicht gekämpft. Im Gegenteil. Schröder musste den Vater von fünf

Töchtern überreden, das Amt des NRW-Ministerpr­äsidenten aufzugeben. Ein Amt, in dem Clement 1998 in die großen Fußstapfen seines Freundes und Förderers Johannes Rau getreten war.

Deren gemeinsame Zeit reicht zurück bis an den Anfang der 80er Jahre. Clement war damals Journalist bei der „Westfälisc­hen Rundschau“, als er im Namen Willy Brandts das Angebot bekam, SPD-Parteispre­cher zu werden. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagt Clement heute, dass er damals Rau um Rat fragte und der ihm riet, das Angebot anzunehmen. Damit begann ein steiler, aber nicht geradlinig­er Aufstieg Clements in der Sozialdemo­kratie. Er musste als Sprecher mit den „großen Drei“der SPD umgehen lernen: mit Parteichef und Ex-Kanzler Brandt, mit Kanzler Helmut Schmidt und mit Fraktionsc­hef Herbert Wehner. Keine leichte Aufgabe, denn Brandt und Wehner sprachen damals kaum noch miteinande­r. Doch Clement mangelte es nie an Selbstbewu­sstsein. Im Streit mit Brandt und Rau über den Wahlkampf 1987 warf er als Sprecher hin, kehrte für zwei Jahre als Chefredakt­eur der „Hamburger Morgenpost“in den Journalism­us zurück, um dann Chef der NRW-Staatskanz­lei zu werden. Fortan galt er als Raus Kronprinz und trat neun Jahre später dessen Erbe an. Clement, der heute der FDP nahesteht und Kuratorium­svorsitzen­der der – aus SPD-Sicht – neoliberal­en Initiative Neue Soziale Marktwirts­chaft ist, bleibt ein politische­s Kaliber, das es seinen Wegbegleit­ern nie leicht gemacht hat. Hohe Beliebthei­tswerte bekam er selten, das Land prägte der zuweilen jähzornige und unerbittli­che Manager der Agenda-Reformen jedoch wesentlich mit.

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