Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Das Rennen um den Impfstoff
Die Tübinger Curevac erhält 75 Millionen Euro von der EU-Förderbank. Großbritannien sichert sich Millionen Dosen von Sanofi und Glaxo. Doch vor Mitte 2021 dürfte es keinen Impfstoff in großen Mengen geben.
Noch ist der Corona-Impfstoff nicht da, aber schon versuchen viele Staaten, sich Lieferungen zu sichern. Großbritannien steht vor dem Abschluss eines Kaufvertrags für 60 Millionen Einheiten eines potenziellen Impfstoffs der Pharmafirmen Sanofi und GlaxoSmithKline, berichtet die „Sunday Times“. Die Vereinbarung habe ein Volumen von 550 Millionen Euro. Klinische Tests sollen im September beginnen. Im Frühjahr hatte Sanofi-Chef Paul Hudson bereits mit Aussagen für Empörung gesorgt, wonach die USA wegen früherer Unterstützung der Forschung Vorrang bei der Belieferung hätten. Sanofi ist ein französischer Konzern, sein Partner Glaxo ein britischer. Weltweit laufen laut dem Branchenverband vfa mehr als 150 Forschungsprojekte, in denen fieberhaft nach einem Stoff gesucht wird, mit dem sich die Corona-Pandemie stoppen lässt.
Woran forschen die Firmen?
In drei Richtungen: Ein Teil der Firmen forscht an Lebendimpfstoffen mit sogenannten Vektorviren. Hier sind bekannte, harmlose Viren der Ausgangspunkt, die die Forscher mit gentechnischen Mitteln als SarsCoV-2-Viren „verkleiden“. Andere Firmen setzen auf Totimpfstoffe mit Virusproteinen. Sie enthalten das Material inaktivierter Sars-CoV2-Viren. Und wieder andere entwickeln genbasierte Impfstoffe. Hier enthalten die Impfstoffe ausgewählte Gene des Virus in Form der Botenstoffe mRNA oder DNA. Ziel ist es dabei, dass der Körper als Reaktion auf die Impfung einen Immunschutz aufbaut, der auch eine echte Infektion abwehren kann. Diesen
Weg schlagen auch die deutschen Unternehmen Curevac und Biontech ein.
Wie sieht es in Deutschland aus?
Curevac erhält einen Kredit von der Europäischen Investitionsbank (EIB) über 75 Millionen Euro, wie das Unternehmen von SAP-Gründer Dietmar Hopp Montag mitteilte. Damit soll in Tübingen die Kapazität um eine Milliarde Impfdosen pro Jahr erhöht werden. Derzeit könne man Hunderte Millionen Dosen herstellen. Ein Produktionszyklus dauert sechs bis sieben Wochen. Die EIB unterstützt auch die Mainzer Biontech, und zwar mit über 100 Millionen Euro. Im Juni hatte das Paul-Ehrlich-Institut Curevac grünes Licht für klinische Studien gegeben: An 144 Freiwilligen wird derzeit der Impfstoff getestet. Der Bund will über die KfW-Bank mit 300 Millionen Euro (23 Prozent) bei Curevac einsteigen. Die Unterzeichnung der Verträge ist erfolgt, das Closing steht noch aus, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium. Die Gelder sind also noch nicht geflossen.
Welche Firma ist am weitesten?
Impfstoffe müssen gut getestet werden, um keinen Schaden anzurichten. Die klinische Erprobung verläuft in drei Phasen. Drei Firmen haben ihre Kandidaten bereits in die entscheidende dritte Phase gebracht: die chinesischen Hersteller Sinovac und Sinopharm sowie die Kooperation von AstraZeneca und der Universität Oxford. Sinovac will noch in diesem Monat großflächig in Brasilien testen. Experten gehen davon aus, dass künftig mehrere Impfstoffe parallel genutzt werden. Sie hoffen es sogar. Anders lässt sich der weltweite Bedarf nicht decken.
Wann kommen die Impfstoffe auf den Markt?
„Bis vor wenigen Jahren hätte man von der Virusanalyse bis zur Zulassung des Impfstoffs 15 bis 20 Jahre angesetzt“, erklärt der Verband vfa. Neue Technologien und Vorerfahrung mit Impfstoffprojekten gegen verwandte Viren machten nun aber eine enorme Beschleunigung möglich. Sanofi und Glaxo kündigten an: „Wenn die klinischen Studien erfolgreich sind, soll die Entwicklung bis zur Verfügbarkeit des Impfstoffs in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 abgeschlossen sein.“Die Tübinger Curevac geht ebenfalls davon aus, den Impfstoff bis Mitte 2021 liefern zu können. Klar ist: „Die Menschheit wird diese Pandemie nur besiegen, wenn der größte Teil der Bevölkerung geimpft ist“, sagte Microsoft-Gründer Bill Gates.