Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Fall Tönnies verunsichert: Metzger werben um Vertrauen
Die Verbraucher fragen häufiger nach der Herkunft des Fleisches. Im Supermarkt ist die Nachverfolgung zum Schlachthof oft umständlich
Die Fleischproduktion steht nicht erst seit der Corona-Krise in der Kritik. Doch der Ausbruch des Virus in der Fleischfabrik Tönnies hat die Frage aufgeworfen, wie sicher das Fleisch noch ist.
„Es ist hoch unwahrscheinlich, dass man sich über Fleisch mit Corona infizieren kann“, erklärt Sabine Klein, Ernährungswissenschaftlerin der Verbraucherzentrale Düsseldorf. Diese orientiere sich an den Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung und rate deshalb nicht vom Konsum von Tönnies-Produkten ab. Es sei bislang kein einziger Fall über eine Infektion durch Lebensmittel bekannt. „Viren vermehren sich nur in lebenden Zellen“, so Klein.
„Das Tier ist grundsätzlich keimfrei, wie damit danach umgegangen wird, ist entscheidend“, erklärt Berthold Nass, Mitinhaber der Metzgerei Steimel und Kollege des stellvertretenden Obermeisters der Fleischerinnung, Peter Steimel. Bakterien würden auf feuchtem Fleisch wachsen, nicht aber auf trockenem.
„Wir merken, dass die Kunden vermehrt nachfragen, wo ihr Fleisch herkommt, wie das Tier geschlachtet wird“, berichtet Rudi Heinzmann, Inhaber der gleichnamigen Pferdemetzgerei. Der Verbraucher sei kritisch, fügt seine Nichte Anne
Zywietz hinzu. Doch für den Verbraucher ist es gar nicht so einfach, die Herkunft zu prüfen. „Nach dem Lebensmittelrecht reicht es, wenn auf dem Produkt im Supermarkt ein Ansprechpartner mit einer Adresse steht. Das kann im Zweifel auch der Händler sein“, erklärt Sabine Klein. Aus Verbrauchersicht sei das sehr unbefriedigend.
Weiterhelfen könne aber das ovale Identitätskennzeichen, eine Nummer, die angibt, welcher Betrieb zuletzt das Produkt verarbeitet oder verpackt hat. Über eine Datenbank lasse sich der Betrieb finden. Dieses Kennzeichen diene zwar eigentlich der Lebensmittelüberwachung, um Produktionsketten zurückzuverfolgen, führe aber häufig zum Schlachtbetrieb. „Wir raten dem Verbraucher, das einfach mal zu versuchen“, so Klein. An der Fleischtheke helfe nur die Nachfrage beim
Personal, der Verbraucher habe aber kein Recht auf Auskunft.
„In dem Moment, in dem ich mein Fleisch annehme, bin ich dafür haftbar“, erklärt Berthold Nass. Aber auch er kann die Produktion zurückverfolgen. Pro zehn Kilo Fleisch gibt es einen Stempel, der die Betriebsnummer des Schlachthofs angibt. Um das Fleisch länger haltbar zu machen, könne es gepökelt, vakuumiert oder mit Lebensmittelgas behandelt werden, das bakterienabtötend wirkt, erklärt er.
Die Pferdemetzgerei Heinzmann bezieht ihr Fleisch aus einem kleinen Schlachtbetrieb in Hessen. „Die Mengen, die im Supermarkt verkauft werden, könnten wir gar nicht abdecken. Tönnies würde uns beispielsweise gar nicht beliefern“, sagt Rudi Heinzmann. Fleisch, das aus der Tönnies-Produktion stammt, wolle er zurzeit nicht essen. „Tönnies
hat die Massentierhaltung, die schnelle Schlachtung und das Geldverdienen perfektioniert“, sagt Anne Zywietz. In einem Fachgeschäft sei das Fleisch zwar teurer, aber von guter Qualität.
Um diese Qualität sicherzustellen, nehme das Ordnungsamt regelmäßig Proben, die auf Krankheitserreger untersucht werden, und führe Kontrollen durch, schaue sich die Kühlhäuser und Putzpläne an. Außerdem unterliege der Betrieb einer freiwilligen Selbstkontrolle. So genannte Abklatschproben, bei denen ein Schwamm auf Oberflächen gedrückt und anschließend überprüft wird, ob Bakterien in einer Petrischale wachsen, seien in jeder Metzgerei Standard.
Weitere Informationen gibt es online.
verbraucherzentrale.nrw/aktuelle-meldungen