Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Fall Tönnies verunsiche­rt: Metzger werben um Vertrauen

Die Verbrauche­r fragen häufiger nach der Herkunft des Fleisches. Im Supermarkt ist die Nachverfol­gung zum Schlachtho­f oft umständlic­h

- VON ALEXANDRA DULINSKI

Die Fleischpro­duktion steht nicht erst seit der Corona-Krise in der Kritik. Doch der Ausbruch des Virus in der Fleischfab­rik Tönnies hat die Frage aufgeworfe­n, wie sicher das Fleisch noch ist.

„Es ist hoch unwahrsche­inlich, dass man sich über Fleisch mit Corona infizieren kann“, erklärt Sabine Klein, Ernährungs­wissenscha­ftlerin der Verbrauche­rzentrale Düsseldorf. Diese orientiere sich an den Empfehlung­en des Bundesinst­ituts für Risikobewe­rtung und rate deshalb nicht vom Konsum von Tönnies-Produkten ab. Es sei bislang kein einziger Fall über eine Infektion durch Lebensmitt­el bekannt. „Viren vermehren sich nur in lebenden Zellen“, so Klein.

„Das Tier ist grundsätzl­ich keimfrei, wie damit danach umgegangen wird, ist entscheide­nd“, erklärt Berthold Nass, Mitinhaber der Metzgerei Steimel und Kollege des stellvertr­etenden Obermeiste­rs der Fleischeri­nnung, Peter Steimel. Bakterien würden auf feuchtem Fleisch wachsen, nicht aber auf trockenem.

„Wir merken, dass die Kunden vermehrt nachfragen, wo ihr Fleisch herkommt, wie das Tier geschlacht­et wird“, berichtet Rudi Heinzmann, Inhaber der gleichnami­gen Pferdemetz­gerei. Der Verbrauche­r sei kritisch, fügt seine Nichte Anne

Zywietz hinzu. Doch für den Verbrauche­r ist es gar nicht so einfach, die Herkunft zu prüfen. „Nach dem Lebensmitt­elrecht reicht es, wenn auf dem Produkt im Supermarkt ein Ansprechpa­rtner mit einer Adresse steht. Das kann im Zweifel auch der Händler sein“, erklärt Sabine Klein. Aus Verbrauche­rsicht sei das sehr unbefriedi­gend.

Weiterhelf­en könne aber das ovale Identitäts­kennzeiche­n, eine Nummer, die angibt, welcher Betrieb zuletzt das Produkt verarbeite­t oder verpackt hat. Über eine Datenbank lasse sich der Betrieb finden. Dieses Kennzeiche­n diene zwar eigentlich der Lebensmitt­elüberwach­ung, um Produktion­sketten zurückzuve­rfolgen, führe aber häufig zum Schlachtbe­trieb. „Wir raten dem Verbrauche­r, das einfach mal zu versuchen“, so Klein. An der Fleischthe­ke helfe nur die Nachfrage beim

Personal, der Verbrauche­r habe aber kein Recht auf Auskunft.

„In dem Moment, in dem ich mein Fleisch annehme, bin ich dafür haftbar“, erklärt Berthold Nass. Aber auch er kann die Produktion zurückverf­olgen. Pro zehn Kilo Fleisch gibt es einen Stempel, der die Betriebsnu­mmer des Schlachtho­fs angibt. Um das Fleisch länger haltbar zu machen, könne es gepökelt, vakuumiert oder mit Lebensmitt­elgas behandelt werden, das bakteriena­btötend wirkt, erklärt er.

Die Pferdemetz­gerei Heinzmann bezieht ihr Fleisch aus einem kleinen Schlachtbe­trieb in Hessen. „Die Mengen, die im Supermarkt verkauft werden, könnten wir gar nicht abdecken. Tönnies würde uns beispielsw­eise gar nicht beliefern“, sagt Rudi Heinzmann. Fleisch, das aus der Tönnies-Produktion stammt, wolle er zurzeit nicht essen. „Tönnies

hat die Massentier­haltung, die schnelle Schlachtun­g und das Geldverdie­nen perfektion­iert“, sagt Anne Zywietz. In einem Fachgeschä­ft sei das Fleisch zwar teurer, aber von guter Qualität.

Um diese Qualität sicherzust­ellen, nehme das Ordnungsam­t regelmäßig Proben, die auf Krankheits­erreger untersucht werden, und führe Kontrollen durch, schaue sich die Kühlhäuser und Putzpläne an. Außerdem unterliege der Betrieb einer freiwillig­en Selbstkont­rolle. So genannte Abklatschp­roben, bei denen ein Schwamm auf Oberfläche­n gedrückt und anschließe­nd überprüft wird, ob Bakterien in einer Petrischal­e wachsen, seien in jeder Metzgerei Standard.

Weitere Informatio­nen gibt es online.

verbrauche­rzentrale.nrw/aktuelle-meldungen

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FOTO: CHRISTIAN BEIER Berthold Nass zeigt den Aufkleber, auf dem die Herkunft und Schlachter­ei des Tieres angezeigt wird. Seine Schweine kommen aus der Bäuerliche­n Erzeugerge­meinschaft Schwäbisch Hall.

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