Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Als Künstler sich die Freiheit malten

Die Galerie Paffrath zeigt und verkauft bis zum 14. Juli Kunstwerke, die für den Aufbruch in den Impression­ismus stehen.

- VON OLIVER BURWIG

Was bedeutet Freiheit? Sich an keine Regeln halten zu müssen, die Abkehr von Konvention­en oder doch nur das Aufstellen neuer, eigener Gesetze? Die Ausstellun­g „Liberté“in der Galerie Paffrath vereint Bilder aus dem 19. und frühen 20. Jahrhunder­t, die den Übergang vom malerische­n Realismus zum Impression­ismus sichtbar machen. Die Werke, unter anderem von Max Clarenbach, Andreas und Oswald Achenbach, Karl Hagemeiste­r, Barend Cornelis Koekkoek und Peder Mønsted, können bis zum 14. Juli besichtigt werden.

Den Titel und Hintergrun­d der Schau erklärt Galerist Hans Paffrath mit den Corona-Einschränk­ungen, die herrschten, als er vor drei Monaten mit der Vorbereitu­ng begann: „Als der Lockdown kam, war mir klar, dass sich nicht nur für eine oder zwei Wochen etwas verändert. Es war eine Einschränk­ung von Rechten.“Das Gegenteil, der Freiheitsb­egriff, sollte Thema der nächsten Ausstellun­g sein. Denn um diesen ging es auch den avantgardi­stischen Malern, die Ende des 19. Jahrhunder­ts ganz bewusst gegen die akademisch­en Konvention­en verstießen, sich von gefälligem Fotorealis­mus oder romantisch­er Landschaft­smalerei wegbewegte­n und sich neuen, hellen Farben und assoziativ­en Momentaufn­ahmen zuwendeten.

Besonders deutlich wird dieser Umbruch und stilistisc­he Gegensatz, betrachtet man das Werk Oswald

Achenbachs. Der bekannte Düsseldorf­er Malerschül­er produziert­e Landschaft­sbilder für großbürger­liche Abnehmer, die wie niemand sonst für den Erfolg der 1867 gegründete­n Galerie seiner Vorfahren verantwort­lich waren, erklärt Paffrath. Nie hätte sich der strenge Realist nachsagen lassen, malerische Experiment­e zu machen. Wo Achenbach zuvor noch fotorealis­tische Bilder eines größtentei­ls imaginiert­en, romantisch­en Italiens in abendgolde­nem Licht malte, schuf Karl Hagemeiste­r im Jahr 1902 mit „Silberpapp­eln“ein großformat­iges Zeugnis des Impression­ismus: Frühlingsu­nd Herbstfarb­en, verwaschen­e Konturen fallender Blätter und Blüten machen das Naturbild aus, das der Fantasie des Betrachter­s viel Spielraum lässt.

„Die Malerei war unfrei, an die Akademien gebunden“, sagt Paffrath. Als Hagemeiste­r, Clarenbach und Künstler wie Christian Rohlfs mit gewagten Bildern den neuen, französisc­hen Stil nach Deutschlan­d holten, seien sie ein Wagnis eingegange­n: „Damals gab es nicht viele dieser Mutigen, die sich die Freiheit nahmen, sich gegen das künstleris­che Establishm­ent zu stellen“, sagt der Galerist. Auch ein wirtschaft­licher Faktor habe dabei eine Rolle gespielt: „Diese Menschen sind beschimpft worden. Wenn die Leute ihre Bilder im Schaufenst­er gesehen haben, dann haben sie gelacht.“Nur wenige hätten sich die neue Kunst ins Haus holen wollen – anders heute, wo sie als Zeugnisse einer neuen Epoche, als ein Stück

Kunstgesch­ichte gesehen würden. Ein Beispiel dafür ist ein Selbstport­rät Clarenbach­s: „Er wollte nicht, dass es jemand sieht, es wurde nie ausgestell­t.“

Eine Wand seines größten Ausstellun­gsraums nutzt Paffrath zur Inszenieru­ng der personifiz­ierten Freiheit. Eine Reprodukti­on des Bildes „Die Freiheit führt das Volk“von 1830 hängt in der Mitte, rechts davon ein Sinnbild für das noch träumende Deutschlan­d: die „Melancholi­a“, ein Original von Carl Kretschmer aus dem Jahr 1805. Die hübsche Dame stützt ihr Kinn auf ihre Hand auf. Willig, etwas zu schaffen, aber unfähig zu handeln, ein beliebtes Motiv der Romantik. Umgeben ist sie von Bildern, die ein ganz anderer Typ Mensch geschaffen hat: Willig, zu handeln, mutig, experiment­ierfreudig und bereit für den Schritt ins fremde 20. Jahrhunder­t.

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FOTO: PAFFRATH Die „Silberpapp­eln“(Mitte) von Karl Hagemeiste­r sind ein Wegweiser für den deutschen Impression­ismus.

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