Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Platonische Liebe zu einer Marke
Der Marketing-Fachmann von der Uni Wuppertal zum Verbraucherverhalten in Corona-Zeiten.
Was unterscheidet eine Lieblingsmarke von anderen?
Eine Lieblingsmarke ist oft eine tatsächlich geliebte Marke. Daher haben wir uns in der Forschung die Frage gestellt: Können wir Menschen nur Menschen lieben? Oder entwickeln wir auch Liebe zu Objekten und Marken? Vor fünf Jahren haben wir das bei uns in Wuppertal untersucht. Dabei haben wir die romantische Liebe und die kameradschaftliche Liebe, also die zum besten Freund, mit der Liebe zu Marken verglichen. Wir stellten fest, dass sich gegenüber Marken nicht nur eine starke Emotion entwickeln kann, sondern auch eine gewisse Verlustangst. In der Spitze geht das so weit, dass sich manche gar nicht vorstellen können, wie ihr Leben ohne die Marke aussähe.
Von welcher Form der Liebe sprechen wir dabei?
Dazu haben wir in einer weiteren Studie untersucht, um welche Art von Emotionen es sich bei der Markenliebe handelt. Dazu wurden unter anderem der Hautwiderstand und die Gesichtsmuskelaktivität gemessen. Dabei haben wir festgestellt, dass die romantische Liebe hinsichtlich ihrer emotionalen Intensität über allem steht. Gegenüber unseren Partnern entwickeln wir die stärksten Emotionen. Aber die Intensität der Gefühle in Bezug auf den besten Freund und die geliebte Marke sind gleich. Interessanterweise gab es keinen Unterschied, wie positiv die Markenliebe und die romantische Liebe erlebt werden. Beide Emotionen sind gleich angenehm und werden zugleich positiver erlebt als die kameradschaftliche Liebe. Jeweils weit abgeschlagen landeten die nur gemochten Marken. Unter dem Strich liegt die Liebe zur Marke irgendwo zwischen romantischer und kameradschaftlicher Liebe.
Spielt die Qualität einer Marke keine Rolle?
Doch. Denn hinter jeder geliebten Marke steht in der Regel ein qualitativ hochwertiges Produkt. Dies wird zur Lieblingsmarke, weil es oft in emotionalen Situationen konsumiert wird. Beispiel: Sie wachsen in einer Familie auf, in der es sonntags immer Golden Toast und Nutella gibt. Das geschieht in einer entspannten und schönen Atmosphäre. Denkt man später an seine Kindheit zurück, nehmen Nutella und Golden Toast eine ganz besondere Rolle ein. Keine andere Marke ist wie diese beiden in der Lage, die Geborgenheit der Kindheit zurückzugeben. Manche Konsumenten entwickeln auch besonderen Bekehrungseifer und drängen ihre Freunde
förmlich dazu, ihre geliebten Marken zu kaufen. Das geht dann nach dem Muster: Kauf dir eine Harley, dann können wir endlich mal richtig Motorrad fahren.
Was passiert, wenn die Qualität der Marke plötzlich nicht mehr stimmt?
Wenn die Marke immer wieder qualitative Schwächen zeigt, wird man sich auch irgendwann entlieben. Aber da sich alles auf einer hochemotionalen Ebene abspielt, verzeihen wir eine Zeit lang. Wenn es dann aber zum Bruch kommt, dann ist das Image einer Marke nachhaltig ramponiert. Es dauert dann unglaublich lange, neues Vertrauen aufzubauen. Etwa beim Dieselskandal der Autohersteller. Da hilft dann nur absolute Transparenz, Ehrlichkeit und, wie bei menschlichen Beziehungen, Zeit. Damit es nicht zum Entlieben kommt, sind
das Qualitäts- und Beschwerdemanagement wichtig. Begeistert man beispielsweise den Kunden im Rahmen einer Fehlerbehebung, kann die Bindung zur Lieblingsmarke sogar noch stärker werden.
Wenn man eine Liebe zu einer Marke entwickelt, dann ist das Wertversprechen wie „ein Solinger Messer ist scharf“doch auch wichtig?
Richtig. Das ist ein wichtiger Punkt. Ich komme mit dem Produkt regelmäßig in Kontakt und langsam entwickelt sich die Liebe. Als Beispiel das Solinger Messer: Sie kochen sehr gerne und haben dabei ein Messer, das exzellent schneidet. Darüber hinaus gefällt ihnen das Design ganz besonders und die Messermarke gehört plötzlich fest zu ihrem Leben dazu. Basis der Markenliebe ist eigentlich immer eine herausragende Qualität.
Gibt es eine Strategie für Hersteller zum Aufbau von Markenliebe?
Zunächst muss die Marke ihre Hausaufgaben machen: Sie muss eine hervorragende und möglichst einzigartige Qualität sicherstellen. Dann muss die besondere
Qualität der Marke auf emotionale Weise kommuniziert werden. So muss das Messer in eine Erlebniswelt und einen Lebensstil eingebettet werden, die die Kunden ansprechen. Zugleich sollte die besondere Geschichte hinter dem Messer erklärt werden, dass es beispielsweise in über 100 Arbeitsschritten seit Generationen in einem Familienbetrieb in Handarbeit hergestellt wird. Wenn die Emotionen, aber auch die Ratio der Käufer treffsicher angesprochen werden, dann kann Markenliebe entstehen. Meist entsteht diese über einen längeren Nutzungszeitraum.
Binden wir uns durch Corona gerade stärker an unsere Lieblingsmarken?
Was wir beobachten, ist, dass die Menschen stärker auf regionale Marken zurückgreifen, wenn sie eine Krise erleben. Sie suchen gezielt Sicherheit. Die Krise führt aber auch dazu, dass wir unsere Lieblingsmarken häufiger nutzen, um uns mit dem Konsum zu belohnen. Marken werden gezielt zur Stimmungsaufhellung eingesetzt, das haben wir jetzt verstärkt beobachtet.
Es gibt auch in Remscheid und Solingen einen Trend, alles zu Marken machen zu wollen. So sollen Museen zu Kultur-Marken werden, die Region zur Radtourismus-Marke, die Citys zu Erlebnismarken mit Aufenthaltsqualität . . .
Grundsätzlich gilt: Wer in der Öffentlichkeit agiert, wird irgendwann zur Marke, ob er will oder nicht. Was sind überhaupt Marken? Vereinfacht gesagt, sind Marken Gedächtnisstrukturen. Ob wir eine Marke mögen und kaufen, hängt davon ab, wie positiv die Assoziationen sind, die wir mit ihr verbinden. Museen oder Kulturveranstaltungen werden automatisch zur Marke, wenn sie Bekanntheit erzielen. Menschen bauen dann automatisch Assoziationen zu ihnen auf. Diesen Assoziationsaufbau sollte man als Verantwortlicher nicht dem Zufall überlassen, sondern gezielt steuern. Dazu muss sich die Marke fragen: Was will ich anbieten? Was ist es, das ich besonders gut kann? Warum soll man mich konsumieren? Wen will ich erreichen? Die Antworten auf diese Fragen müssen dann gut verständlich an die Zielgruppen kommuniziert werden. Wenn mein kulturelles Angebot die Zielgruppen hinreichend berührt, dann werde ich mich früher oder später auch zu einer starken Marke entwickeln. Doch ohne Qualität geht das auf keinen Fall.