Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Diplomat ohne Dünkel
UN-Botschafter Christoph Heusgen verkörpert eine seltene Mischung aus Kompetenz, Humor und Menschlichkeit. 2021 geht er in Pension – aber nicht in den Ruhestand.
hatten wir drei der fünf Veto-Staaten im Sicherheitsrat, für die nicht das oberste Ziel war, dem internationalen Recht und Menschenrechten den Vorrang einzuräumen.“USA mit Russland und China auf einer Stufe. Heusgen setzt nun darauf, dass Joe Biden die unter Trump ignorierten völkerrechtlich verbindlichen Resolutionen wieder unterstützt und aufgekündigte Abkommen neu unterschreiben wird. Und, dass Biden den 2020 unter US-Präsidentschaft ausgefallenen G7-Gipfel nachholen kann. „Das wäre auch ein klares Signal, dass die USA zurück sind im Kreis derer, die ihre Politik auf die gleiche Grundlage stellen.“Aber eines sei klar: „Die USA werden ihre Rolle, die sie im Nachkriegs-Europa spielten, nie wieder spielen.“Die Europäer würden mehr Verantwortung übernehmen müssen.
Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato hat für ihn allerdings „sehr viel Symbolik“. Es komme weniger auf die reine Prozentzahl als auf die tatsächlich zur Verfügung gestellten Fähigkeiten an. „Wenn man auf der Welt Frieden schaffen und bewahren will, braucht man mehr als militärische Mittel.“Deutschland sei sehr gut aufgestellt, wenn es um Beiträge zum internationalen Krisenmanagement gehe. „Wir sind der zweitgrößte Geber zum gesamten Uno-System.“Das solle man in der Debatte über die Höhe von Verteidigungsausgaben berücksichtigen.
Neben der Fähigkeit, Positionen hart zu vertreten, bringt Heusgen noch eine ganz andere Eigenschaft der Diplomatie mit. „Das sage ich jetzt als Rheinländer – man muss noch eine gewisse Geselligkeit haben. Die anderen müssen bereit sein, mit Ihnen ein Bier zu trinken. Es hilft auch, die ersten fünf Minuten über Fußball zu reden.“Heusgen ist Bayern-München-Fan. In seiner Botschafter-Residenz in New York hat er ein Foto von 2012 aufgestellt. Da schaute er beim G8-Gipfel gemeinsam mit Merkel, Obama und dem damaligen französischen Präsidenten François Hollande das Champions-League-Finale Bayern gegen Chelsea. Bayern verlor. Heusgen wirkt starr vor Enttäuschung und Hollande so, als habe er noch nie ein Fußballspiel gesehen. Wer sind seine Freunde? Kollegen in anderen Ländern, nationale Sicherheitsberater, sagt Heusgen.
Aber: „Meine besten Freunde sind bis heute aus meinem Schützenzug in Neuss.“Freunde aus aller Welt kommen als Ehrengäste zum Schützenfest. Zu Berichten, er könnte der Nachfolger von Wolfgang Ischinger als Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz werden, die jährlich die Welt nach Bayern holt, sagt Heusgen nichts. Er gilt aber als Favorit. Er sagt nur so viel: „Ich werde der Außenpolitik weiterhin verbunden sein als Mitglied des Stiftungsrats der Münchner Sicherheitskonferenz.“Einfach diplomatisch.