Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Viele Händler sind von Verdi enttäuscht“
Die verkaufsoffenen Sonntage hätten dem lokalen Einzelhandel gut getan, sagen die Werbegemeinschaften.
LEVERKUSEN Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster, die verkaufsoffenen Sonntage zu stoppen, erhitzt die Gemüter. Ulrich Kämmerling von der Werbe- und Fördergemeinschaft Schlebusch und Regine Hall-Papachristopoulos von der Aktionsgemeinschaft Opladen (AGO) erklären ihre Sorgen.
Ist der Gerichtsentscheid der Todesstoß für den Handel in Leverkusen?
Kämmerling So dramatisch würden wir das nicht formulieren. Aber die Schwierigkeiten summieren sich im Verlauf der Krise. Wir hoffen sehr, dass alle Geschäfte im Frühling noch dabei sind. Stehen erst mal drei Läden leer, entwickelt sich eine Kettenreaktion. Das müssen wir verhindern. Die verkaufsoffenen Sonntage hätten geholfen.
Hall-Papachristopoulos Der Gerichtsentscheid bedeutet zwar noch nicht ganz den Todesstoß für den Handel. Gleichwohl hat der Beschluss die Händler extrem hart getroffen. Viele sind über die Entscheidung, aber insbesondere von Verdi sehr enttäuscht.
Wären die verkaufsoffenen Sonntage die Rettung für die Händler gewesen?
Kämmerling Die verkaufsoffenen Sonntage gehören in die langfristige, wirtschaftliche Planung der Händler. Sie hätten den pandemiebedingten Ausfall nicht ersetzen, aber Verluste abfedern können. Zu einer Rettung gehören verschiedene Komponenten. Die verkaufsoffenen Sonntage wären ein Teil der Rettung gewesen.
Hall Die Sonntagsöffnungen wären für die Händler sehr wichtig gewesen. Das Weihnachtsgeschäft ist das umsatzstärkste Geschäft im Jahr. Durch die Sonntagsöffnung hätten Kundenströme in Zeiten der Pandemie besser gelenkt werden können. Die Vermutung des Oberverwaltungsgerichts, durch die Öffnung an Sonntagen würden zusätzliche Kunden animiert werden, wäre für die Händler gerade positiv gewesen. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb vorhandene Hygienekonzepte nicht hätten eingehalten werden können.
Wie ist die Stimmung unter den Händlern nach neun Monaten Pandemie? Was sind die Sorgen und Ängste?
Hall Die Stimmung ist schlecht. Viele Händler sind enttäuscht und frustriert. Durch den Lockdown im März mussten die Händler bereits sehr hohe Umsatzverluste hinnehmen. Die größte Angst ist, dass durch einen zweiten Lockdown die Schließung der Geschäfte angeordnet wird, ohne dass angemessene Entschädigungszahlungen geleistet werden. Die geschlossene Gastronomie erhält zumindest gewisse Ausgleichszahlungen. Der mehr oder weniger zum Erliegen gekommene
Einzelhandel hat zwar (noch) geöffnet, aber kaum Umsätze bei vollen Kosten. Einige Händler haben schon geäußert, für sie wäre es preiswerter, ihr Geschäft zu schließen und 70 oder 80 Prozent der Vorjahresumsätze als Ausgleich zu erhalten.
Kämmerling An dieser Stelle unser Respekt für die Händler in Schlebusch. Aufmerksam und mit Ideenreichtum steigen sie in das Weihnachtsgeschäft ein. Sicher gibt es da Sorgen und Ängste. Davon merken die Kunden nur wenig oder nichts. Und langsam ist man erschöpft.
Aber: Das hätte sie nicht von den verkaufsoffenen Sonntagen abgehalten. Wir hatten mit den Werbegemeinschaften für den 13. und 20. Dezember eine gemeinsame Aktion angedacht. Eine Umfrage bei unseren Händlern hatte eine gute Resonanz gezeigt. Sie wären da gewesen.
Fürchten Sie Geschäftsschließungen in den Leverkusener Fußgängerzonen?
Kämmerling Wir haben schon Sorge, ohne konkreten Anlass oder Beispiele.
Hall Im Moment sind die Händler bemüht, alles zu unternehmen, um ihr Geschäft nicht schließen zu müssen. Aktuell ist der AGO nicht bekannt, dass konkrete Geschäftsschließungen bedingt durch die Corona-Pandemie erfolgen. Dies kann sich aber sehr schnell ändern, da die finanziellen Rücklagen nahezu aufgebraucht sind.
Was hoffen und fürchten Sie für das Weihnachtsgeschäft?
Kämmerling Wir hoffen sehr, dass die Menschen in Schlebusch lokal konsumieren. Klar fürchten wir, dass der Konsum vom stationären Handel ins Netz abwandert.
Hall Die Hoffnung der Händler, zumindest einen Teil der erlittenen Umsatzeinbußen durch das Weihnachtsgeschäft wieder wettzumachen, wird getrübt. Die verkaufsoffenen Sonntage vor Weihnachten wurden verboten, sämtliche Weihnachtsmärkte fallen aus. Es ist nicht nur eine Furcht, sondern Tatsache, dass ein Großteil der diesjährigen Weihnachtsgeschenke nicht im stationären Einzelhandel vor Ort, sondern im Internet gekauft wird. Wir hoffen nicht nur für das Weihnachtsgeschäft, dass die Kunden sich darauf besinnen, wie wichtig ihr persönliches Einkaufsverhalten ist. Jeder kann den stationären Einzelhandel unterstützen, indem er lokal vor Ort kauft.
Wie können die Werbegemeinschaften helfen, und welche Pläne für die Zukunft kann es in dieser Situation überhaupt geben?
Hall Alle drei Werbegemeinschaften sind im Austausch untereinander und mit der Wirtschaftsförderung Leverkusen. Gemeinsam war ein Konzept für die Umsetzung der verkaufsoffenen Sonntage erarbeitet worden. Wir beraten und unterstützen unsere Händler bei Fragen und Problemen, veröffentlichen ihre Aktionen auf unserer Webseite ago-info.de und berichten über Aktuelles rund um Opladen in den sozialen Medien.
Kämmerling Wir sehen eine Chance in der Verbindung von digitaler Sichtbarkeit und stationärem Handel. Erlebniseinkauf wird es immer geben.
MARVIN WIBBEKE STELLTE DIE FRAGEN.